Der Investor für den Pleite-Tower in Fellbach zieht sein Kaufangebot zurück. Der vorläufige Insolvenzverwalter arbeitet an einer alternativen Lösung. Der Turm soll aber Baumängel haben.

Fellbach - Der Investor, der den Gewa-Tower erwerben wollte, hat in dieser Woche überraschend sein Kaufangebot zurückgezogen. Dies teilt Ilkin Bananyarli von der Pluta Rechtsanwalts GmbH mit, der vorläufiger Insolvenzverwalter der Gewa 5 to 1 GmbH & Co. KG ist.

 

Der Investor begründet laut Bananyarli seinen Schritt damit, dass er das Projekt nicht realisieren könne, wobei kaufmännische Erwägungen nicht ausschlaggebend wären. In diesem Zusammenhang berichten die „Stuttgarter Nachrichten“ in ihren Online-Seiten von einer Liste mit 58 Baumängeln, die „zum Teil irreparabel und sicherheitsrelevant“ seien. Die Rede sei darin „von mangelhaftem Brandschutz, von zu kleinen Badezimmern sowie von Fenstern, die wegen Hitzestau zu zerbersten drohen“.

Ein Liste mit Baumängeln?

Der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli hat gestern zuerst jede Kenntnis einer solchen Liste abgestritten. Er hat später noch durch seinen Sprecher ergänzt, dass er inzwischen von einer Liste Kenntnis habe, nicht aber von deren Inhalt: „Wir werden uns bemühen, den Inhalt in Erfahrung zu bringen und ihn zu überprüfen.“ Anders äußert sich Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull: „Der Stadt Fellbach sind die neuen Vorwürfe seit Beginn der Woche bekannt.“ Die Verwaltung hat sie allerdings nicht überprüfen können.

TÜV-Gutachten fand keine Mängel, die einen Rückbau erforderlich gemacht hätten

Die neu aufgetauchten Vorwürfe widersprechen bisherigen Informationen über den Tower. So hat der vorläufige Insolvenzverwalter erst vor wenigen Wochen das Tüv-Gutachten erhalten, das den Bauzustand des halb fertigen, im oberen Teil im reinen Rohbau stehenden Wohnturms rechtssicher feststellen sollte. Das Gutachten wurde vom TÜV Süd erstellt. Am 7. September ließ Bananyarli durch seinen Sprecher mitteilen: „Damit liegt nun eine Analyse eines unabhängigen Gutachters vor und eine gutachterliche Feststellung über die bisher erbrachten Leistungen sowie die bautechnischen Mängel.“ Er formuliert als Ergebnis: „Es sind keine Mängel vorhanden, die einen wesentlichen Rückbau oder eine wesentliche Reparatur erforderlich machen.“

Was den in der Liste genannten angeblichen Brandschutzmangel – bei Hochhäusern mit ihren speziellen Feuergefahren ein besonders sensibles Thema – und andere Mängel betrifft, weist die Stadtverwaltung ausdrücklich darauf hin, dass der Bau des Towers nach dem üblichen Verfahren begleitet und dabei externe Gutachter miteinbezogen wurden. Das schließt gewöhnlich ein Brandschutzkonzept und den am Ende zu erstellenden abschließenden Brandschutznachweis ein. Ein Brandschutzkonzept liegt somit seit der Baugenehmigung vor und sollte vom Generalunternehmer entsprechend ausgeführt worden sein. Die übrige Kontrolle der Bauausführungen, so sagt Oberbürgermeister Zull, liege ausschließlich beim Bauträger. Das führt zu einem merkwürdigen Schluss: Wenn der Generalunternehmer, wie es gestern hieß, eine Liste mit solchen Baumängeln dem Investor übergeben hätte, hätte er sich somit selbst belastet.

OB Zull bedauert Scheitern des Verkaufsprozesses

Oberbürgermeisterin Gabriele Zull sagt: „Die Stadt bedauert das Scheitern der Verhandlungen zwischen dem Insolvenzverwalter des Gewa-Towers und dem Investor außerordentlich.“ Bananyarli empfindet die Absage des Investors als einen Rückschlag: „Das kostet uns Zeit im Verkaufsprozess. In den vergangenen drei Monaten haben wir mit dem Investor einen Vertrag verhandelt. Wir waren uns in fast allen Punkten einig, doch jetzt kam leider überraschend der Rückzug des Investors“, sagt Rechtsanwalt Bananyarli.

Zwei konkrete Investorenangebote lagen vor

Zuletzt hatte es zwei konkrete Angebote von Investoren für den Erwerb des Gewa-Towers gegeben. Der vorläufige Insolvenzverwalter prüfte beide Angebote nach Wirtschaftlichkeit und analysierte die Auswirkungen auf die Insolvenzquote für die Anleihegläubiger. Das Angebot eines Bieters favorisierten sowohl der Verwalter als auch der Vertreter der Anleihegläubiger aufgrund der besseren Konditionen. Mit diesem Investor wurden daher exklusive Verhandlungen bis Ende November 2017 vereinbart, und der vorläufige Insolvenzverwalter arbeitete mit Zustimmung des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger und des Treuhänders an einem Kaufvertrag mit dem Investor.

Jetzt wird der vorläufige Insolvenzverwalter mit dem zweiten Investor eine Lösung suchen

Der vorläufige Insolvenzverwalter wird jetzt eine Lösung mit dem zweiten Investor vorantreiben. Das hat er in Abstimmung mit dem gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger entschieden. Bananyarli hat bereits Kontakt mit dem Interessenten aufgenommen. Außerdem liegen ihm weitere Interessentenanfragen vor. „Alle Beteiligten werden mit Hochdruck an einer alternativen Lösung arbeiten, damit der Gewa-Tower fertig gestellt werden kann. Wir werden alles daran setzen, um einen Vertrag abschließen zu können. Es geht darum, ein positives Ergebnis für die Anleihegläubiger, die Wohnungskäufer und die Stadt Fellbach zu erzielen“, sagt Bananyarli.

„Der Turm soll fertiggestellt werden“

Der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger, Gustav Meyer zu Schwabedissen von MZS Rechtsanwälte, sagt: „Ein solcher Verkauf ist sehr komplex. Ich habe daher die Entscheidung unterstützt und mitgetragen, dass der Investor Exklusivität bei den Verhandlungen erhält. Jetzt wird es Gespräche mit dem zweiten Bieter geben. Außerdem haben sich weitere Interessenten gemeldet. Der Turm soll fertiggestellt werden.“

Seit einem Jahr in der Insolvenz

Im November 2016 musste die Gewa 5 to 1 GmbH & Co. KG Insolvenz anmelden. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte das Amtsgericht Esslingen Ilkin Bananyarli von der Pluta Rechtsanwalts GmbH. Die Gewa 5 to 1 GmbH & Co. KG ist eine Projektgesellschaft zum Bau des Gewa-Towers in Fellbach bei Stuttgart, dessen Rohbau im Oktober 2016 fertiggestellt wurde. Mit dem 107 Meter hohen Gewa-Tower soll das dritthöchste Wohngebäude in Deutschland errichtet werden. In dem Turm mit 34 Stockwerken sind 66 Eigentumswohnungen sowie ein Business-Hotel mit 123 Zimmern geplant. Zur Finanzierung des Projekts hatte die Gesellschaft im Jahr 2014 eine Mittelstandsanleihe mit einem Volumen von 35 Millionen Euro emittiert. Wer die gezeichnet hat, bangt seit einem Jahr um sein Geld.