Am Ende einer verwinkelten Gasse, im unteren Stockwerk der Abu-Taquieh-Moschee, haben syrische Regimegegner ein Krankenhaus für die Flüchtlinge aufgebaut, finanziert von Spendern aus Katar, Saudi-Arabien und den Emiraten. Derzeit sind nur wenige Patienten hier, sie warten auf Medikamente gegen Husten und Schnupfen. Die syrischen Ärzte und Krankenschwestern berichten, wie sie in den vergangenen Wochen Hunderte Flüchtlinge behandelt haben, die das libanesische Militär zuvor festgenommen hatte. „Viele sind misshandelt worden“, sagt Dr. Kassem al-Zein, „sie hatten Kopfverletzungen und Wunden im Nacken, die von Schlägen mit Gewehrläufen stammten“.

 

Die Ärzte schweigen auf die Frage, ob sie hier auch Kämpfer behandeln, erntet vor allem Schweigen. „Sollten Rebellen unter unseren Patienten sein, dann kommen sie nur wegen der Behandlung, nicht, um im Libanon zu kämpfen“, sagt al-Zein vage.

Wie erst gestern bekannt wurde, ist wohl auch im Norden des Libanon eine Frau und ein Sohn des selbst ernannten Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi von der Armee festgenommen worden, der mit dem IS in Teilen Syriens und des Irak ein Schreckensregime errichtet hat. Beide befänden sich in Gewahrsam des Militärs, sagte ein Armeemitglied der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag anonym. Die Frau könnte den Angaben zufolge bei Verhandlungen mit dem IS über einen Gefangenaustausch als Pfand eingesetzt werden.

Sheikh Hojeiry hilft den Dschihadisten

Der Mann, der mit der libanesischen Regierung über die Freilassung der von den Dschihadisten entführten Soldaten verhandelt, sitzt drei Stockwerke über dem Krankenhaus, in einem mit braunen Polstern möblierten Wohnzimmer. Ihm, dem sunnitisch-libanesischen Sheikh Mustafa al-Hojeiry, gehört die Moschee. Er ist eine Autorität in Arsal. Nachdem die Kämpfer die Soldaten entführt hatten, brachten sie die Geiseln zuerst zu ihm. Zwei Tage wurden sie im Wohnzimmer des Sheikhs gefangen gehalten, jenem Raum, in dem er auch jetzt sitzt. Er sagt: „Wir müssen die Kämpfer in Syrien unterstützen, damit sie Diktator Baschar al-Assad stürzen können.“

Der Sheikh macht deutlich, dass seine Loyalität bei den sunnitischen Rebellen in Syrien liegt – und nicht bei der libanesischen Regierung. Er gibt auch zu verstehen, dass die Geiseln ohne seine Zustimmung nicht hätten nach Syrien verschleppt werden können. „Solange die Regierung den Forderungen von al-Nusra nicht nachgibt, Gefangene freilässt und die Checkpoints nach Arsal abschafft, werden die Soldaten nicht freikommen.“ Dass er mit seiner Hilfe für die Dschihadisten, die inzwischen drei Geiseln exekutiert haben, sein eigenes Land destabilisiert, sieht er nicht. Die Verantwortung dafür sieht er beim schiitischen Lager im Land. Wenige Tage nach dem Treffen erhebt ein Militärgericht Anklage gegen den Sheikh. Er soll Teil der al-Nusra-Front sein, Terroristen im Krankenhaus Unterschlupf gewährt und eine Terrorzelle im Libanon gegründet haben. Das Gericht fordert die Todesstrafe.

Am östlichen Stadtrand beginnt der islamische Staat

Die Straße nach Arsal führt an vielen Checkpoints vorbei. Oft staut sich der Verkehr, weil Familienangehörige der entführten Soldaten Straßensperren errichtet haben. Sie wollen der Regierung Druck machen, die Geiseln zu befreien. Durch hügelige Landschaft an Steinbrüchen entlang geht es in die Stadt. Dort ist kein Militär mehr zu sehen. Am östlichen Stadtrand beginnt das Niemandsland. Derzeit ist das Gebiet in der Hand des IS und al-Nusra.

Wolken ziehen an diesem Tag über Arsal auf. Nur wenige Menschen sind auf der Straße, ihre Blicke düster und misstrauisch. Karge Häuser aus Betonziegeln stehen scheinbar willkürlich in der Landschaft, dazwischen liegen immer wieder Flüchtlingslager. Zehntausende Syrer sind seit Ausbruch des Bürgerkriegs hierhergekommen. Schätzungen zufolge übersteigt ihre Zahl inzwischen die der 45 000 meist sunnitischen Libanesen.

In den Camps spielen Kinder in Pfützen, Männer rauchen Wasserpfeife, Frauen versuchen, Ordnung in den Zelten zu schaffen. Seit den Kämpfen im August hat das libanesische Militär zahlreiche Razzien in den Lagern durchgeführt und Hunderte Männer festgenommen. Das Militär sagt, dass sie auf der Suche nach Islamisten gewesen sind. Die Flüchtlinge sagen, dass die Armee sich an den Flüchtlingen rächen wollte. Männer zeigen ihre von den Fesseln aufgescheuerten Handgelenke, erzählen, wie Soldaten auf sie eingeprügelt haben.

Wenn die Flüchtlinge klagen, dass es in Arsal keine Kämpfer gebe, ist das nur die halbe Wahrheit. Viele Kämpfer haben hier ihre Familien untergebracht. Sie nutzen Arsal als Rückzugsort.

Die Frau des Terrorchefs ist nun das Faustpfand der Armee

Am Ende einer verwinkelten Gasse, im unteren Stockwerk der Abu-Taquieh-Moschee, haben syrische Regimegegner ein Krankenhaus für die Flüchtlinge aufgebaut, finanziert von Spendern aus Katar, Saudi-Arabien und den Emiraten. Derzeit sind nur wenige Patienten hier, sie warten auf Medikamente gegen Husten und Schnupfen. Die syrischen Ärzte und Krankenschwestern berichten, wie sie in den vergangenen Wochen Hunderte Flüchtlinge behandelt haben, die das libanesische Militär zuvor festgenommen hatte. „Viele sind misshandelt worden“, sagt Dr. Kassem al-Zein, „sie hatten Kopfverletzungen und Wunden im Nacken, die von Schlägen mit Gewehrläufen stammten“.

Die Ärzte schweigen auf die Frage, ob sie hier auch Kämpfer behandeln, erntet vor allem Schweigen. „Sollten Rebellen unter unseren Patienten sein, dann kommen sie nur wegen der Behandlung, nicht, um im Libanon zu kämpfen“, sagt al-Zein vage.

Wie erst gestern bekannt wurde, ist wohl auch im Norden des Libanon eine Frau und ein Sohn des selbst ernannten Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi von der Armee festgenommen worden, der mit dem IS in Teilen Syriens und des Irak ein Schreckensregime errichtet hat. Beide befänden sich in Gewahrsam des Militärs, sagte ein Armeemitglied der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag anonym. Die Frau könnte den Angaben zufolge bei Verhandlungen mit dem IS über einen Gefangenaustausch als Pfand eingesetzt werden.

Sheikh Hojeiry hilft den Dschihadisten

Der Mann, der mit der libanesischen Regierung über die Freilassung der von den Dschihadisten entführten Soldaten verhandelt, sitzt drei Stockwerke über dem Krankenhaus, in einem mit braunen Polstern möblierten Wohnzimmer. Ihm, dem sunnitisch-libanesischen Sheikh Mustafa al-Hojeiry, gehört die Moschee. Er ist eine Autorität in Arsal. Nachdem die Kämpfer die Soldaten entführt hatten, brachten sie die Geiseln zuerst zu ihm. Zwei Tage wurden sie im Wohnzimmer des Sheikhs gefangen gehalten, jenem Raum, in dem er auch jetzt sitzt. Er sagt: „Wir müssen die Kämpfer in Syrien unterstützen, damit sie Diktator Baschar al-Assad stürzen können.“

Der Sheikh macht deutlich, dass seine Loyalität bei den sunnitischen Rebellen in Syrien liegt – und nicht bei der libanesischen Regierung. Er gibt auch zu verstehen, dass die Geiseln ohne seine Zustimmung nicht hätten nach Syrien verschleppt werden können. „Solange die Regierung den Forderungen von al-Nusra nicht nachgibt, Gefangene freilässt und die Checkpoints nach Arsal abschafft, werden die Soldaten nicht freikommen.“ Dass er mit seiner Hilfe für die Dschihadisten, die inzwischen drei Geiseln exekutiert haben, sein eigenes Land destabilisiert, sieht er nicht. Die Verantwortung dafür sieht er beim schiitischen Lager im Land. Wenige Tage nach dem Treffen erhebt ein Militärgericht Anklage gegen den Sheikh. Er soll Teil der al-Nusra-Front sein, Terroristen im Krankenhaus Unterschlupf gewährt und eine Terrorzelle im Libanon gegründet haben. Das Gericht fordert die Todesstrafe.

Es sind Männer wie Sheikh Hojeiry, die Ahmed Fatfat laut seufzen lassen. „Unsere Regierung ist so schwach, dass im Libanon jeder Politik machen kann“, sagt er. Fatfat, 61, ist sunnitischer Parlamentarier. Seit Beginn der Fluchtwelle setzt er sich für offizielle Flüchtlingslager ein. Im Gegensatz zu Jordanien und der Türkei hat der Libanon bis heute keine gebaut. Die Flüchtlinge leben im Land verstreut. Dabei liegen die Vorteile laut Fatfat auf der Hand: „In offiziellen Camps hätten wir Kontrolle über die Administration, Bildung, sanitäre Einrichtungen – und über die Sicherheit.“ Der Bau offizieller Unterkünfte scheiterte bisher jedoch am Veto der schiitischen Hisbollah und ihrem christlichen Koalitionspartner, die nicht wollen, dass sich eine Million sunnitischer Syrer im Land festsetzen.

Bürgerwehren und illegale Ausgangssperren

In vielen Gegenden schützen sich die Libanesen mittlerweile selbst. In Ras Baalbek, einem christlichen Dorf nur acht Kilometer nördlich von Arsal, stehen gepflegte Anwesen aus hellem Stein nebeneinander, die Rasen in den Vorgärten sind gestutzt, Wein wächst auf den Unterständen für die Autos. Die Bürger gehen am Sonntagmorgen in die Kirche. Danach betrinkt sich die Jugend auf dem Marktplatz. Syrische Flüchtlinge sieht man auf den Straßen nicht, obwohl es einige Hundert in Ras Baalbek gibt. An einem Zaun hängt ein Schild: „Ausländische Arbeitskräfte dürfen nach 8.30 Uhr nicht mehr herumlaufen.“ Damit sind syrische Flüchtlinge gemeint.

Dass sie die Ausgangssperre einhalten, dafür wollen Männer wie Rifaat Nasrallah sorgen. Vor eineinhalb Jahren hat der 49-jährige Unternehmer mit 20 Mann eine Bürgerwehr gegründet. Zuvor hatten syrische Rebellen seine Fabrik geplündert und ein Dutzend Angestellte entführt. Immer häufiger landeten Raketen syrischer Rebellen auf den Feldern vor Ras Baalbek. „Sie attackierten uns und unser Land“, sagt Nasrallah, „die Armee beschützt uns nicht ausreichend – wir hatten genug “.

Insgesamt haben sich über 100 Männer Nasrallahs Truppe angeschlossen. In Gruppen von vier bis acht Leuten ziehen sie durch die Straßen und halten Wache an Beobachtungspunkten, die den Blick nach Syrien frei geben. Die meisten von Nasrallahs Männern haben Kampferfahrung. Nasrallah ist groß und kräftig, er spricht in knappen Sätzen und lächelt selten. Selbst in seinem Haus trägt er eine Waffe im Hosenbund. Vor einigen Monaten habe er zwei Autos gestoppt, die mit Sprengstoff gefüllt waren. „Vielleicht sind nicht alle Syrer schlechte Menschen“, sagt Nasrallah, „aber wir können ihnen nicht trauen.“