Farbenprächtige Boote beherrschen am ersten Sonntag im September den schönen Canal Grande.

Farbenprächtige Boote beherrschen am ersten Sonntag im September den Canal Grande. Bei der Regata storica treten die besten Ruderer Venedigs an.

 

"Wir haben ein eigenes Boot zur Regatta", wirbt der Hotelportier. Die Regata storica ist nicht nur die wichtigste Regatta von Venedig, sondern vor allem eine einträgliche Einnahmequelle. 50 Euro will er pro Person für die Bootsfahrt. Nachdem wir vor fünf Jahren für einen mehr oder weniger guten Sitzplatz ein Vielfaches in einem der zahlreichen Restaurants am Rande des Canal Grande liegen gelassen hatten, war dies fast schon ein Schnäppchen. Dabei sind es weniger die vier Durchläufe der Ruderregatta, die jedes Jahr zahlreiche Touristen anziehen, sondern der mehrere Kilometer lange Schiffskorso mit historischen Booten und die im Stil des 15. Jahrhunderts kostümierten Besatzungen. Emilio, der uns mit seinem Taxiboot zu einem privaten Bootsanlegesteg bringen soll, muss zunächst eine kleine Yacht verscheuchen, die sich an unserem Steg breitgemacht hatte. Ein paar italienische Schimpfworte später klappt’s mit dem Anlegen, und unser Kapitän holt aus dem Palazzo auch noch ein paar Stühle heraus, die er auf dem schmalen Bootssteg aufklappt.

Angeblich hat die Regatta ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und soll anlässlich einer Übung von Armbrustschützen auf dem Lido entstanden sein, während der sich die Ruderer der großen Boote die Zeit mit Wettfahrten vertrieben. Der bei der heutigen Regata storica nachgestellte Schiffskorso erinnert dabei an die Übergabe Zyperns an Venedig durch Catarina Cornaro, als diese ihr Königreich der Republik Venedig 1489 schenkte, erklärt uns Gianluca Zuin. Der Eventmanager ist an diesem Nachmittag heiß begehrt, verfügt er doch über das einzige Boot außer den Wettkampfteilnehmern, das während der Regatta auf dem Canal Grande fahren darf und besonders gern von den Teams des italienischen Fernsehens genutzt wird.

Aber auch von unserem Platz am Bootssteg lässt sich das farbenprächtige Schauspiel der vorbeiziehenden historischen Boote gut beobachten, zumal die ganze Bootskarawane nach der Rialto-Brücke wendet und nochmals an einem vorbeizieht. Gute Gelegenheit für einen Schnappschuss, wenn’s beim ersten Durchgang nicht geklappt hat. Da der Schiffskorso weit draußen bei den Giardini Napoleonici beginnt, dann durch das Becken von San Marco in den Canal Grande führt, kann sich die Veranstaltung ganz schön in die Länge ziehen. Vorsorglich hat Emilio für seine Fahrgäste kühle Getränke organisiert, so dass man sich fast so wie jene fühlt, die mit dem Champagnerglas in der Hand von einem der gegenüberliegenden Palazzi das Geschehen verfolgen. "Diese Plätze sind selbst bei den Venezianern heiß begehrt", weiß Hans-Jörg Broda, ein Stuttgarter Architekt, der seit einigen Jahren in der Lagunenstadt lebt.

Die Venezianer selbst kommen aber in erster Linie wegen der sportlichen Regatten, die in vier unterschiedlichen Wettbewerben ausgetragen werden. Zuerst starten die Jugendlichen in sogenannten Pupparini, das sind kleine Zwei-Mann-Boote. Anschließend folgt die Regatta der Frauen mit Mascarete, das sind historische Fischerboote. Im Sechserboot treten danach die Gemeinden Venedigs und die Lagunengemeinden Campagna Lupia, Cavallino-Treporti Chioggia, Jesolo, Mira, Musile di Piave und Quarto d’Altino gegeneinander an. Die bunten Boote in Gelb, Grün oder Schweinchenrosa sind eine besondere Augenweide.

Mit Spannung wird jedes Jahr von den Venezianern aber die Regata dei Gondolini a due remi (Regatta in kleinen Gondeln mit zwei Paddeln) erwartet, bei der jeweils Zwei-Mann-Besatzungen in der schmaleren Version der venezianischen Gondel gegeneinander antreten. Für das einheimische Publikum steht der Favorit meistens lange vor dem eigentlichen Rennen fest. Als im letzten Jahr der erhoffte Sieger wegen eines Ruderbruchs aufgeben musste und ein Außenseiterboot das Rennen gewann, gab es nur verhaltenen Applaus für die Sieger. "Jedes der teilnehmenden Boote hat seine Fangemeinde, von der es dann lautstark entlang der Regattastrecke angefeuert wird", erzählt uns Broda. Und Gianluca Zuin ergänzt: "Für die Venezianer ist die Regatta mehr als nur ein Wettbewerb. Hier geht es auch um Stolz und Ehre." Deshalb kann es auch mal passieren, dass das eine oder andere Team vor laufender Fernsehkamera einen öffentlichen Disput mit dem Bürgermeister anfängt, weil man mit einer Entscheidung der Wettkampfrichter nicht einverstanden ist, oder dass die Mannschaften aufeinander losgehen, weil man sich während des Wettbewerbs beim engen Wenden auf dem Canal Grande behindert fühlt. Wichtiger als die Geldpreise sind fast noch die farbigen Fahnen für die vier besten Ruderer. Wobei der Begriff nicht ganz korrekt ist. Die Venezianer nennen ihren Fortbewegungsstil im Wasser zwar auch "vogare" (rudern), blicken aber beim Rudern traditionell nach vorn, erklärte uns Gianluca Zuin noch tags zuvor in seinem Büro direkt gegenüber der historischen Gondelwerft. Wer fünfmal hintereinander diesen Wettbewerb gewinnt, hat den Anspruch auf den Ehrentitel König.

Venedig-Besucher, die das Spektakel aus der ersten Reihe miterleben wollen, sollten früh aufstehen. Denn erfahrungsgemäß sind alle guten Plätze schnell besetzt und die Brücken während der Regatta gesperrt. Überhaupt empfiehlt es sich, rechtzeitig vor Beginn der Veranstaltung seinen Platz einzunehmen, da während der Regata storica auch die Vaporetti – die schwimmenden Busse – nicht fahren. Eine weitere Möglichkeit, die Veranstaltung zu verfolgen, ist die einzige Tribüne in der Nähe der Casa Foscari. Allerdings muss man pro Person auch hier mit rund 50 Euro nur für den Sitzplatz rechnen.

Noch ein Tipp: Nach dem letzten Wettbewerb präsentiert sich der Canal Grande als "gran Casino" (großes Durcheinander) von Booten und Gondeln. Bis die ersten Vaporetti wieder fahren, dauert es eine Weile, und man ist gut beraten, sich etwas Zeit zu lassen. Zum Beispiel bei einem gemütlichen Abendessen. Am besten etwas abseits vom Canal Grande. Mit etwas Glück trifft man dann auch Sergente Vianello (Karl Fischer) aus der ARD-Donna-Leon-Reihe.

Venedig

Termin
Sonntag, 5. September 2010
15.15 Uhr: Beginn der historischen Regatta
16.45 Uhr: Regatta der Jugendlichen
17.05 Uhr: Regatta der Frauen
17.30 Uhr: Regatta der Gemeinden (Sechserboot)
18 Uhr: Regata dei Gondolini a due remi

Anreise
Mit dem Auto: Vom Festland gelangt man über die drei Kilometer lange Brücke Ponte della Liberta zum Innenstadtrand von Venedig. Dort muss das Auto in einem der beiden Parkhäuser einschließlich Schlüssel abgegeben werden (pro Tag kostet das rund 20Euro).

Mit der Bahn: Am bequemsten ist die Anfahrt mit dem Zug nur von Stuttgart bis München. Danach steigt der Reisende in den deutlich unbequemeren Eurocity mit klassisch muffigen Sechserabteilen um. Wenn man Pech hat, sind die Abteile komplett belegt. In jedem Fall sollte man seinen Sitzplatz reservieren. Für die rund 500 Kilometer lange Strecke von München nach Venedig braucht der Zug dann noch fast acht Stunden. Wer etwa von Stuttgart nach München anreist, sollte zusätzlich mindestens eine Stunde Zwischenaufenthalt einkalkulieren, da die Anschlusszüge auf der Hin- wie Rückreise nicht immer pünktlich sind (www.fahrplanauskunft.de).

Mit dem Flugzeug: Wer mit dem Flugzeug in Venedig ankommt, braucht mit dem Vaporetto etwa eine Stunde ins Zentrum der Lagunenstadt vom Flughafen Marco Polo aus. Billigflüge gibt es bereits ab 250 Euro bei einigen Anbietern im Internet (www.flug24.de).

Unterkunft
Generell gilt: Venedig ist ein sehr teures Pflaster, und die preisgünstigen Unterkünfte sind sehr schnell ausgebucht. Wer aber den Aufenthalt in der Lagunenstadt wirklich genießen will, sollte sich unbedingt eine Unterkunft in der Stadt organisieren. Urlauber, die mehr als nur ein paar Tage in der Stadt bleiben wollen, sollten sich eine Wohnung mieten. Die ist günstiger als ein Hotel und mit etwas Glück auch am Canal Grande zu haben (www.veniceapartment.com).

Hotels: Während der Regata storica ziehen die Hotelpreise deutlich an. Von Samstag auf Sonntag und von Sonntag auf Montag liegen die Preise für ein Doppelzimmer in einem Viersternehotel im Zentrum etwa bei 350 bis 400 Euro.

Jugendherberge: Wer einen Jugendherbergsausweis besitzt, kann auch für 22 Euro pro Übernachtung in der Jugendherberge in der Lagunenstadt übernachten (www.hostelvenice.org). Die YHA Jugendherberge in Venedig liegt auf der Insel Giudecca, nur ein paar Haltestellen mit dem Vaporetto vom Markusplatz entfernt.

Informationen
Venedig-Besucher sollten sich vor dem ersten Besuch in der Lagunenstadt auch die Internetseite http://wikitravel.org/de/Venedig anschauen.