Die Sorgen um unerwünschte Effekte der Niedrigzinspolitik nehmen zu. EZB-Chef Draghi mahnt Griechenland zur Eile bei Reformvorschlägen. Derweil kursieren Gerüchte über Finanzspritzen aus Peking und Moskau für Athen.

Washington - Die Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik geraten zunehmend in den Fokus der internationalen Finanzpolitik. Auf der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank sei vor allem über die unerwünschten Folgen der ultralockeren Geldpolitik diskutiert worden, sagte der Bundesbankpräsident Jens Weidmann zum Abschluss der Tagung in Washington. Weidmann, der in der Vergangenheit die lockere Geldpolitik kritisierte, sieht inzwischen beim Währungsfonds einen Sinneswandel. „Die Geldpolitik ist nach der Wahrnehmung des IWF an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gekommen“, sagte Weidmann. Es herrsche Einigkeit, dass die Risiken gestiegen seien. Das moderate Wachstum der Weltwirtschaft sei auch darauf zurückzuführen, dass sich die Politik zu sehr auf die Notenbanken verlasse. „Das niedrige Wachstum kann nicht überraschen, wenn die Geldpolitik liefert und Strukturreformen ausbleiben“, sagte Weidmann. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, entscheidend für Wachstum sei eine nachhaltige Finanzpolitik.

 

Im Abschlusskommuniqué der IWF-Tagung hieß es, die Niedrigzinspolitik solle fortgesetzt werden, wenn es notwendig sei. Es müssten aber die Risiken für die Finanzstabilität aufmerksam beobachtet werden. Der IWF sieht die Gefahr, dass die Niedrigzinspolitik zu Spekulationsblasen an den Finanzmärkten führt. In seinem Ausblick auf die Weltwirtschaft wies der IWF zwar darauf hin, dass die Niedrigzinspolitik zur wirtschaftlichen Erholung der Länder beitrage, aber für Lebensversicherungen und Pensionsfonds Gefahren entstehen könnten. Die niedrigen Zinsen könnten die Finanzstabilität bedrohen, hieß es.

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht zur Politik des billigen Geldes allerdings keine Alternative. Draghi mahnte die Euroländer aber zu Reformen. Die Notenbanken könnten einen Beitrag leisten, es sei aber wichtig, dass die Politik Reformen umsetze. Der EZB-Chef kündigte an, die geldpolitischen Instrumente wie das Kaufprogramm für Staatsanleihen fortzusetzen. Draghi räumte ein, dass zum Beispiel Lebensversicherungen in den meisten Euroländern unter den niedrigen Zinsen litten. Wenn Finanzinstitute für Kapitalanlagen einen Zins garantierten, könnte es Schwierigkeiten geben. Die EZB sei jedoch in erster Linie der Preisstabilität verpflichtet. Da die Notenbank für 2015 in der Eurozone insgesamt mit einer Inflationsrate von null Prozent rechne, habe sie Maßnahmen ergriffen, die eine Phase sinkender Preise (Deflation) verhindern sollen. „Das ist der beste Dienst, den wir den Volkswirtschaften leisten können“, meinte Draghi. Falls die konjunkturelle Erholung anhält und die Zahl der Erwerbstätigen weiter zunimmt, könnten die Zinsen wieder steigen, so Draghi.

Die „Troika“ ist zurück

Auch die Lösung der Krise in Griechenland war ein wichtiges Thema auf der Tagung in Washington. EZB-Präsident Draghi sagte, es seien größere Anstrengungen notwendig, um den politischen Dialog zwischen Griechenland und den Geldgebern wiederherzustellen. „Es ist dringend“, sagte Draghi. Es liege an Griechenland, ob es eine Lösung gebe. Am Wochenende trafen sich in Paris Experten der „Troika“ mit griechischen Regierungsvertretern, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Zunächst ging es um technische Fragen. Ein hochrangiger IWF-Mitarbeiter sagte, es sei mit keiner schnellen Lösung zu rechnen. Die Verhandlungen würden selbst bei positivem Verlauf Wochen dauern. Draghi betonte, es müsse Klarheit herrschen, worüber man rede. Die Geldgeber seien offen für griechische Vorschläge, welche Reformen gewählt werden. Wichtig sei, dass der finanzielle Rahmen beachtet werde. Auch US-Präsident Barack Obama hat sich in die Diskussion eingeschaltet. Er sagte, dass Griechenland „harte Entscheidungen“ treffen, sein Finanz- und Steuersystem sowie die Verwaltung reformieren müsse. Finanzminister Schäuble bewertete dies als Unterstützung der Position der Eurogruppe. „US-Präsident Obama hat Griechenland aufgefordert, das zu tun, was wir auch sagen“, erklärte Schäuble.

Nach griechischen Medienberichten bemüht sich Athen offenbar, Geldquellen in China und Russland zu finden, um den finanziellen Engpass zu überbrücken. Den Spekulationen zufolge soll die chinesische Regierung bereit sein, bis zu zehn Milliarden Euro als Vorauszahlung für die Nutzung des Hafens von Piräus und den Einstieg bei der griechischen Eisenbahn zu bezahlen. Außerdem soll Russland signalisiert haben, drei bis fünf Milliarden Euro als künftige Transitgebühren für die geplante Erdgaspipeline „Turkish Stream“ zur Verfügung zu stellen. Der Kreml dementierte aber, dass Russland sofort Geld anbiete. Im russischen Haushalt sind bisher keine entsprechenden Zahlungen eingeplant. Finanzminister Schäuble sagte zu den Gerüchten, dass er hoffe, es sei etwas Gutes für Athen: „Was immer Griechenland hilft, ist doch schön.“ Der Minister zweifelte aber daran, ob einmalige Geldspritzen an der Lage etwas änderten.