Ja oder Nein: Filme nur in OV schauen Darf man synchronisierte Filme gut finden?
Filme taugen nur in der Originalfassung? Unsere Autor:innen Antigoni Rakopoulou und Björn Springorum haben da jeweils eine ganz eigene Meinung.
Filme taugen nur in der Originalfassung? Unsere Autor:innen Antigoni Rakopoulou und Björn Springorum haben da jeweils eine ganz eigene Meinung.
Filme in OV schauen oder nicht? Meistens scheidet sich der Freundeskreis an dieser Frage wie am Thema Oliven (natürlich geil). Unsere beiden Stadtkind-Autor:innen Antigoni Rakopoulou und Björn Springorum sind sich ebenfalls nicht einig. Und steigen fürs Pro-Contra in den Ring.
Antigoni Rakoupoulou: Genuscheltes geht in der OV verloren
Während ich das hier tippe, starrt mich Ross Geller auf meinem TV-Bildschirm an – wie sollte es für einen End-Zwanziger-Millenial auch anders sein: „Friends“ spielt natürlich im Hintergrund. Ich weiß, ich schreibe hier Pro-Synchro, aber hey. Haben die die Synchronisation von „Friends“ damals vermasselt... Es ist die einzige Serie, die bei mir ausschließlich auf Englisch läuft. Der Rest ist gemischt, oder sogar German-only.
In meiner Bubble geht der Trend ganz klar dahin, Filme in OV anzuschauen. Gefühlt gilt das als more sophisticated - es wirkt weltgewandter. Auch hier lassen uns Fomo und Selbstoptimierung vermutlich nicht ganz los: Man hat Angst, im Deutschen eine kluge Phrase zu verpassen und qualitative Abstriche zu machen. Schließlich ist es schlichtweg unmöglich, Sprache 1:1 zu übersetzen. Und außerdem verbessert man bei OV auch noch nebenbei seine Sprachkenntnisse - toll, nicht?
Ich gebe zu, da ist natürlich was dran. Aber so wie ich das sehe, geht auch ganz viel verloren, wenn ich Filme und Serien nicht auf Deutsch anschaue.
Erstens: inhaltliche Details. Während auf Deutsch vielleicht ein texanischer Akzent verloren geht, besteht im Englischen die Gefahr, nicht jedes Wort zu verstehen. Klar, die Handlung erschließt sich einem durch den Kontext. Aber gerade in komplexen historischen oder politischen Filmen kann uns hier das ein oder andere wichtige, kluge Detail durch die Lappen gehen. Die Gefahr besteht natürlich nur, wenn man kein absoluter Englischprofi ist.
Das hat oft zweitens zufolge: Konzentriere ich mich zu sehr auf die Sprache, verpasse ich das, was mir ein Film ermöglichen soll. Nämlich, mich fallen zu lassen und in eine andere Welt zu begeben. Das gelingt mir persönlich am besten, wenn ich meine Muttersprache höre und das Gefühl habe, Teil dieser Welt zu sein. Und wenn man sich in erster Linie nicht auf die Sprache konzentrieren muss, fallen einem andere wunderbare Details auf (wie zum Beispiel vergessene Starbucks-Becher in „Game of Thrones“).
Drittens - und das bin vielleicht nur ich: Wenn ich Filme auf Englisch anschaue, steht bei mir nicht der Charakter, sondern den oder die Schauspieler:in im Vordergrund der Wahrnehmung. Das ist nicht immer der Fall, aber doch oft genug. So erging es mir zum Beispiel mit Leonardo di Caprio in „Killers of the Flower Moon“, den ich in OV gesehen habe. Ständig hatte ich Leo vor Augen, und damit Hollywood und das wiederum erinnerte mich daran, dass es nur ein Film ist. So geht das doch nicht, oder?
Ich bewundere alle, die jeden Akzent und jedes Genuschel mühelos verstehen und die oben genannten Probleme nicht haben. Aber seien wir ehrlich: So schlecht sind die deutschen Synchros doch gar nicht, oder? Ich zumindest würde behaupten, dass sie sehr gut sind (bis auf „Friends“). Und sogar, dass die deutschen Stimmen manchmal besser zur Rolle passen (siehe Cam in „Modern Family“).
Björn Springorum: Die deutsche Synchro lässt zu wünschen übrig
Ich bin Simpsons-Connaisseur. Zumindest was die Staffeln der goldenen Ära irgendwann Anfang/Mitte der Neunziger angeht. Natürlich saß ich schon als Kind vor dem Fernseher und habe mich schlappgelacht, musste allerdings erst Jahre später eine grausige Entdeckung machen: Die deutsche Synchronisation ist so weltbewegend schlecht, dass die Serie eigentlich niemals hätte Erfolg haben dürfen. Nur ein Beispiel: „Secondhand Smoking“, also Passivrauchen, wird in der deutschen Synchro einfach mal mit „Rauchen aus zweiter Hand“ übersetzt. Aua. Geht’s noch liebloser?
Sobald DVDs die gute alte Videokassette ablösten und verschiedene Tonspuren samt Untertitel erlaubten, hat sich mir eine völlig neue Welt eröffnet: Filme im Originalton. Das kannte ich nur manchmal aus dem Kino. Ja, ich bin so alt, dass es so was früher nur sehr selten gab. Aber Himmel, habe ich aufgeholt. Kein Blick zurück, alle Brücken verbrannt: Deutschland mag einen der größten und auch besseren Synchronisationsmärkte haben. Die Ergebnisse sind aber überwiegend mau bis unterirdisch und sorgen für völlig andere Filme/Serien. Yippie Yah Yei, Schweinebacke!
Ich weiß schon, wie das jetzt klingt. Der versnobbte Kulturredakteur, der auf Partys ungefragt allen erzählt, dass er Filme ja immer nur in der Originalversion schaut, weil er sich für was Besseres hält. Ich möchte hiermit weder ein Statement hinsichtlich Klasse noch Bildung abgeben, ich bin wegen Mathe mehrfach fast sitzengeblieben. Und zweifellos gehören deutsche Synchros noch zu den besseren, wenn man das mal mit dem allseits beliebten Beispiel Polen vergleicht, in der eine Stimme emotionslos alle Rollen rezitiert. Es ist aber letztlich einfach eine Frage der Qualität und Authentizität. Und da kommt so gut wie keine deutsche Synchro ans Original ran. Ein seltenes Gegenbeispiel ist „Der Herr der Ringe“. Da ist die deutsche Synchro liebevoll, poetisch, stellenweise sogar besser als das englische Original.
Es gibt so viele Beispiele für schlechte Synchronisation, dass ich hier gar nicht erst mit einer Aufzählung anfange. Ach doch, warum denn eigentlich nicht? Nehmen wir nur mal „The Naked Gun“, „Die nackte Kanone“ mit Leslie Nielsen. Auf deutsch ein absolutes Blödelfest. Auf englisch ein irrsinnig ironischer, wortgewandter Spaß. Oder „The Big Lebowski“. Wie kann man den auch nur ansatzweise cool finden, wenn man ihn nicht als OV glotzt? Ein Mysterium. „Pulp Fiction“? „Die fabelhafte Welt der Amelie“? Don’t get me started, mon Dieu.
Synchronisation ist, und da lege ich mich fest, nicht mehr zeitgemäß. Ich übersetze doch auch kein Taylor-Swift-Album. Außerdem würde es uns Deutschen echt gut tun, weniger Synchro vorgesetzt zu bekommen: Unser Englisch ist über weite Strecken beschämend schlecht. Ein Blick nach Skandinavien zeigt, wie es anders gehen kann: Da gibt es so gut wie keine Synchro bei Filmen oder Serien, allenfalls Untertitel. Und die Menschen dort sprechen einfach alle viel, viel besser Englisch als wir. Filme im Original sind wie ein kostenloser Sprachkurs. Und zwar einer, in dem man nicht „Arthur ist der Name unseres Papageis“ auf Französisch lernt. Découvertes-Französischbuch, never forget.