Was bringt das neue Jahr? Nach Tarot-Karten, Spätzle-Orakel, Bleigießen und anderen Versuchen, die Zukunft vorauszusagen, ist die Waiblinger Redaktion jetzt beim guten, alten Kaffeesatz-Lesen angekommen.

Waiblingen - In der Morgendämmerung des 21. Juni ereignet sich in Waiblingen ein denkwürdiges Schauspiel: Auf der „Kunstlichtung“ im Landschaftspark Talaue landet ein unbekanntes Flugobjekt, dem eine Seniorengruppe Außerirdischer vom Stern Alpha Centauri A entsteigt. Die Reisegesellschaft hat sich bei ihrem traditionellen Sommersonnwende-Ausflug verflogen und der desorientierte Pilot des Raumschiffs hat die rundliche, inzwischen durch ein Stahlband eingefasste Kunstlichtung nicht als Abbild der Galerie Stihl identifiziert, sondern für einen UFO-Landeplatz gehalten.

 

Der Kommunale Ordnung sdienst sieht ausnahmsweise davon ab, sofort ein Knöllchen hinter die Windschutzscheibe des Raumschiffs zu klemmen und verständigt den Oberbürgermeister. Der eilt mit Lichtgeschwindigkeit herbei, um die Fremdlinge zu begrüßen. Die Kommunikation klappt bestens, denn es stellt sich heraus, dass der unvergessene Wolle Kriwanek recht hatte: Außerirdische schwätzen Schwäbisch.

Nachdem sich die Reisegruppe ins Goldene Buch der Stadt eingetragen hat, wird es höchste Zeit, die lange Rückreise anzutreten. Der Rathauschef lässt die Besucher aber erst ziehen, nachdem er erste Gespräche darüber geführt hat, wie sich der Mangel an Gewerbeflächen in Waiblingen durch ins Weltall ausgelagerte Gewerbegebiete mildern ließe. Firmenniederlassungen auf Alpha Centauri A, so hört man, seien dem Stadtoberhaupt noch allemal lieber, als Betriebe, die nach Backnang oder Schorndorf abwanderten und dort ihre Gewerbesteuer zahlen.

Zudem überredet der OB die Außerirdischen zu einer Städtepartnerschaft. Die soll traditionsgemäß mit einem Gegenbesuch besiegelt werden. Die Reise muss allerdings warten, bis die interkommunale Gartenschau 2019 vorbei ist. Letztere erweist sich dank des Besuchs der Senioren von Alpha Centauri A als intergalaktischer Erfolg für Waiblingen, denn nun will ganz Europa den UFO-Landeplatz mit eigenen Augen sehen.

Windkraftventilatoren gegen tropische Hitze

Der Kaffeesatz zerbröselt zwischen den Fingern, und das kann nur eins bedeuten: Der kommende Sommer wird heiß. So richtig heiß. Tropische Temperaturen bringen das ganze Remstal zum Schwitzen. Und es gibt einfach keine Abkühlung, nicht einmal nachts sinken die Temperaturen. Beim verzweifelten Blick durch die flirrende Luft in Richtung glühende Sonne bleiben die Augen des Winterbacher Bürgermeisters an drei riesigen Ventilatoren hängen. Die erste Fata Morgana im Remstal? Mitnichten! Nein, es sind nur die drei Windräder auf dem Goldboden. Aber, was heißt da nur ... könnte man denn nicht? Natürlich! Ein kurzer Anruf genügt. Die 65 Meter langen Flügel werden in Richtung Tal ausgerichtet, die EnBW dreht auf volle Pulle – und endlich, endlich weht ein erfrischendes Lüftchen. In Winterbach klopft man sich auf die Schulter – wie gut, dass man bestens auf den Klimawandel vorbereitet ist. In den umliegenden Gemeinden knirschen die Stadtoberen dagegen mit den Zähnen – kein Oskar-Frech-Seebad, kein Plüderhausener Badesee kann gegen diese coole Kühl-Offensive ankommen. Winterbach hingegen erlebt einen Publikumsauftrieb wie sonst nur während des Zeltspektakels. Findige Bewohner vermieten ihre Streuobstwiesen an Hitze-Flüchtlinge, eilends wird für das perfekte Sommerglück ein Strand am frisch hergerichteten Rems-Wadi aufgeschüttet. Selbst die Bürgerinitiative Pro Schurwald hat ausnahmsweise nichts zu meckern: die neuen Windverhältnisse locken sogar den Roten Milan an. Und beim Landratsamt freut man sich über viele neue Anträge für V/WKA – die Ventilatoren-Windkraftanlagen.

Champagnerluft statt Feinstaub

Die Feinstaubbelastung in Stuttgart führt zu ungeahnten Auswirkungen in der Peripherie der Landeshauptstadt. Die Welzheimer Champagnerluft ist wieder sehr begehrt, keuchende Städter suchen dort Linderung für ihre Staublungen. Im Welzheimer Rathaus plant man neue Sanatorien im Luftkurort. Es fehlt bloß noch ein Investor. Ein Konzept gibt es schon. Getreu dem römischen Motto „Sanus per aquam“ (Spa) „gesund durch Wasser“, soll nun der schlechten Luft Stuttgarts mit frischer aus dem Welzheimer Wald begegnet werden: Sanus per ariam – ebenfalls Spa. Der knitze Nebeneffekt: Bereits bestehende Wellness-Einrichtungen müssen weder ihre Prospekte, noch ihre Beschriftungen auswechseln, Spa bleibt Spa. So wie es jene Busunternehmer machten, die früher Schweizer Touristen zum Nürnberger Weihnachtsmarkt kutschierten, jedoch seit einigen Jahren nun nach Stuttgart. Was tun mit den übrigen Prospekten? Einfach einen Stuttgart-Bebber auf das Foto des Nürnberger Christkindlesmarkts mit dem markanten Burgturm geklebt, fertig. Schließlich weiß der gemeine Bünzli nicht, wie es in der Schwabenmetropole ausschaut. Oder? Und die Prospekte waren ja schließlich schon bezahlt. Die lässt man nicht verkommen.

Thermalwasser plus Mammut-Tiefgarage

In Backnang tut sich endlich was auf dem maroden Kaelble-Areal. Die Stadt und der private Investor haben ihren erbitterten Streit beigelegt. Die Firmengruppe, die das Gelände gekauft hat, will eigentlich ein Parkhochhaus mit acht bis neun Etagen bauen. Kommt gar nicht in Frage, heißt es seitens der Stadtverwaltung. Irgendwo müssen die künftigen Bewohner der neuen Häuser ja ihre Fahrzeuge aber abstellen. Was tun? Es wird beschlossen eine Mammut-Tiefgarage zu bauen. Bei den Arbeiten im Untergrund der Murrstadt stoßen die Mineure auf heißes Thermalwasser. Allen Kommunalpolitikern fällt bei dieser Nachricht sofort der streitbare Stadtrat Alfred Bauer ein. Der hatte vor dem Bau des neuen Hallenbads immer wieder gefordert, die Kommune sollte doch – bitte schön – nach Thermalwasser bohren. Jetzt haben die Backnanger also heißes Wasser, das auch zur Energiegewinnung genutzt werden soll – aber auch ein neues Problem: Ist es möglich, die Tiefgarage mit acht bis neun Parkdecks dort unten fertigzustellen? So ein Projekt hat bis dato weltweit noch niemand hinbekommen. Der Investor, der das Kaelble-Areal bebauen will, zaubert einen Star-Architekten aus dem Ärmel. Und der Mann aus den USA wird die Sache schon deichseln. Dann ist nicht nur der Investor höchst zufrieden, auch der Oberbürgermeister Frank Nopper dürfte strahlen – hat er doch mal wieder einen echten Superlativ mit dem er prahlen kann. Und heißes Wasser fürs Hallenbad gibt es auch noch, gratis.

Preisverdächtiges Wohncontainer-Kunstwerk

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wei Standorte für die Kreisverwaltung in Waiblingen. Es schien ein Traum, der – finanzieller Grausligkeiten wegen – einer für die ziemlich fernere Zukunft zu bleiben schien. Alles anders im Sommer 2018. Architekturaktionskünstler haben sich auf flehentliche Bitten des Rems-Murr-Landrats Richard Sigel erbarmt und sich angeschaut, was es denn da für Möglichkeiten gäbe. Und siehe da, kaum eine Woche später sind sie fündig geworden. Selbst die Bedingung, das Gelände der Post doch bitteschön binnen sechs Wochen gebäudetechnisch abzuräumen hat sich angesichts ihrer grandiosen Vision vom neuen Verwaltungswohnen flugs verwirklichen lassen. Als Hingucker für die Remstal-Gartenschau und die ein paar Jährchen später anstehende Internationale Bauausstellung steht im Oktober ein spektakuläres rundum begrüntes Verwaltungshochhaus oben an der Bahnlinie. Das wirklich revolutionäre am neuen zweiten Standbein der Kreisverwaltung: Jene 70 für Asylbewerber doch nicht benötigten Wohncontainer, die zeitweise unter der Schnellstraßenbrücke in Beinstein ein trostloses Dasein fristeten, sind so kunstvoll und fast freischwebend in die Höhe gestapelt, dass neben Treppenhäusern, Aufzügen und Freiluft-Höhen-Bar auch noch massenhaft Streuobstbäume und Beerensträucher Platz finden. Der nächste Hugo-Häring –Architekturpreis ist dem hochkarätigen Remstäler Baracken-Konglomerat sicher. Internationale Weihen werden folgen.

Bahn-Buckel sorgt für Magenhüpfen

Eigentlich hat die rein optisch ziemlich triste Beutelsbacher Bahnunterführung ja ihren Namen längst weg gehabt: Transporterfalle – auch wenn dies wegen Verkehrung der kausalen Zusammenhänge der Stadtverwaltung überhaupt nicht gepasst hat. Aber wenn nicht einmal der am Weinstädter Warngalgen wedelnde Balken oder die gegen Frontscheiben rasselnden Ketten den durchschnittlichen Transporter-Fahrer von der Fahrt ins Verderben beziehungsweise in die zwei Meter unhohe Unterführung abhalten. ist einfach was ganz Neues gefragt. Dass es allerdings die sonst eher bremsverdächtige Bahn ist, die auf die Lösung aller Lösungen kommt, ist denn doch etwas überraschend. Seitdem dort an der Remsbahn der nagelneue Beutelsbacher-Bahn-Buckel für angenehmes Magenhüpfen bei Reisenden von und nach Stuttgart sorgt und nebenbei der Unterführung satte vier Meter fünfzig an Höhe lässt, ist fast alles gut. Vereinzelte Beschwerden gibt es allerdings noch, weil seitdem bei Fahrten auf der Remsbahn ein Beutelsbacher-Buckel-Bonus in Höhe von zwei Euro und zweiundzwanzig Cent aufs Billetle fällig wird.