James Blunt zeigt sich in der Schleyerhalle als versierter Interpret seines Images, gerät aber auch in rhythmisches Schwitzen.

Stuttgart - Er muss seinen Superhit "You're beautiful" unendlich oft gesungen haben seit 2005, er muss die menschliche Spieluhr gegeben haben auf aberwitzig langen Tourneen. Er hat Rekorde gebrochen und am Ende des Jahres einem ganzen Industriezweig Hoffnung gegeben: gleich einen Welthit und mit dem ersten Album sofort an die Spitze. Der Brite James Blunt hatte es im Handstreich geschafft.

 

Er war oben. Ganz oben. Damals war er ein Anfänger der Gefühligkeit, heute wirkt er wie der Gefangene seines Images. Wie er da vor den 8500 in der bestuhlten Schleyerhalle so gnadenlos alles gibt, wie er die Augen aufreißt und über seichtesten Akkordfolgen den tragischen Turner der heftigen Empfindung gibt, wie er scheinbar aufgeputscht hin und her rennt und rackert, wie er so aberwitzig aufgedreht sein Inneres nach Außen zu kehren scheint: das ist gutes Handwerk des Showgeschäfts. Er spielt den, der alles gibt. Das versteht jeder. Er kann das jetzt perfekt.

Er lässt sogar etwas Ironie walten bei "You're beautiful" im letzten Teil seines Konzerts. Das Publikum soll nicht nur mitsingen, es soll jetzt selbst singen. Was es dann auch tut, wenn auch etwas zögerlich. Es ist alles ein Selbstläufer. James Blunt hat sowieso angekündigt, dass dies doch bitteschön ein Rockkonzert werden solle, und dass die etwas älter gewordenen Fans sich doch irgendwann von der Bestuhlung hochreißen sollten. Damit hat es dann doch nicht so ganz geklappt. Und das, obwohl der 37-Jährige die ihm drohende Gefahr der Einseitigkeit erkannt hat; jedenfalls hat er sein Ausdrucksspektrum auf dem neuen Album "Some kind of Trouble" sehr offensichtlich in Richtung auf einen mehr rhythmusbetonten Stil erweitert.

Warum kompliziert, wenn’s auch einfach geht?

Sauber konstruiert ist das alles, das Schlagzeug macht "Bumm, bumm" und der Gitarrist seiner fünfköpfigen Band schneidet einen Vers lang verwegene Grimassen. Der Titel "Turn me on" rockt da ganz ordentlich. Der Refrain geht so: "Why get complicated? You know you wanna turn me on". Wieso alles so kompliziert, wenn's auch einfach geht? Das ist nicht nur das Rezept einer "Boy-meets-Girl"-Situation, sondern auch das erste Gebot für einen erfolgreichen Popsong. Blöd nur, dass so etwas nicht immer funktioniert.

James Blunt will vieles allzu deutlich zeigen. Seine Gefühle, seine Aufwallung, sein Schwelgen sind inzwischen für die ganz großen Bühnen konzipiert. Zwei riesige Bildschirme rechts und links der Bühne fahren mit ihren Bildern manchmal ganz nahe an ihn heran. Mit seinen ausgewaschenen Jeans und dem Alltags-T-Shirt gibt er dann den jungen Mann von nebenan, der stellvertretend für uns alle schluchzt und leidet. Jawohl, dazu muss auch mal, wie im Heuler "High", ganz hinauf in die Fistelstimme gegangen werden, dazu will das Seufzen umgebogen werden in eine Art Hymne: alles, alles wird wieder gut. James Blunt ist unser Gewährsmann. Er hat alles, alles, was uns bewegt, auf ein jederzeit sendbares Radioformat komprimiert. Gefühle sind formatiert, Songs sind codiert.

Schon beim Hereinkommen in die Halle hat er mit dem Scheinwerferlicht aus dem Hallenhintergund heraneilend den Kumpel gegeben, ist durch die Reihen gerannt und hat Hände abgeklatscht - eine Nummer, die er im Konzert selbst wiederholt. Muss ihm wichtig sein, aus welchen Gründen auch immer. Dann springt er hoch zur Bühne und ist die Figur, die die Sehnsüchte des Publikums spiegelt. Die Intensität des Lebens, konzentriert auf neunzig Minuten: Popkonzerte haben immer so funktioniert. Mitten ins Herz und ins Gemüt. Doch noch ist nicht alles mach- und planbar.

"So far gone" ganz am Anfang des Konzerts gibt seinen neuen Kurs vor, "Stay the Night" macht am Ende das Fass zu: jammern und leiden, das ja, Weltschmerz und all das. Aber schließlich gilt doch, was am Ende des Lieds dabei herauskommt. "Just like the song on my Radio said, we'll share the Shelter of my Single Bed". Dann aber ab ins Single-Bett. James Blunt hat sein Muster etwas erweitert. Der Sänger der Gefühligkeit gerät jetzt öfter mal in rhythmisches Schwitzen. Dass er den Heißsporn dabei nicht immer überzeugend gibt, dass vieles etwas zu konfektioniert und harmlos wirkt: nun ja, dem singenden Kumpel von nebenan nimmt das fast jeder ab. Echt.