Die Äußerungen, die der ehemalige Radprofi Jan Ullrich zu den Dopingvorwürfen gegen ihn gemacht hat, sind ein Trauerspiel.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Lausanne/Berlin - Es gibt nichts mehr zu sagen. Zumindest meint das Jan Ullrich. "Mit dieser Erklärung ist von meiner Seite alles gesagt." So steht es in dem Statement, das in der Nacht von Donnerstag auf Freitag auf seiner Homepage veröffentlicht worden ist. Es ist sein Schlussstrich, nachdem der Internationale Sportgerichtshof Cas ihn am Donnerstag des Dopings für schuldig befunden hat. Ein Schlussstrich?

 

Es ist kaum mehr als eine dünn gestrichelte Linie. Man hatte ja auf ein umfassendes Geständnis gehofft, oder zumindest so etwas in der Art. Ein bisschen Wahrheit. Geblieben ist er im Ungefähren. Er gesteht, ohne etwas zu gestehen. Auch eine Kunst.

Das liest sich dann etwa so: "Ich bestätige, dass ich Kontakt zu Fuentes hatte. Ich weiß, dass das ein großer Fehler war, den ich sehr bereue. Für dieses Verhalten möchte ich mich aufrichtig bei allen entschuldigen - es tut mir sehr leid". Oder so: "Nach meinem Toursieg 1997 und fünf zweiten Plätzen war der Druck der Öffentlichkeit, der Sponsoren und auch mein Eigendruck immens groß. Alle wollten einen zweiten Toursieg, besonders nach dem Rücktritt von Lance Armstrong."

Wann begann Ullrich eigentlich mit dem Doping?

Jan Ullrich hatte also Kontakt zu Eufemiano Fuentes, und er hat großen öffentlichen Druck verspürt. Das ist alles. Es ist nicht viel. Das Wort "Doping" taucht in seiner Erklärung nicht auf, ebenso wenig irgendwelche Details, nichts liest man dort, was man nicht ohnehin schon wüsste, im Gegenteil sogar erfährt man weniger als das, was ohnehin bewiesen ist. Was hatte man erwartet? Offensichtlich viel zu viel. Die meisten hatten damit gerechnet, dass Ullrich auf seinem Weg zurück ins "normale" Leben etwas mehr preis gibt. Der letzte Gruß des Jan Ullrich in dieser Affäre lässt einen ratlos und voller Fragen zurück.

Es ist ein Gruß ohne Größe.

Der Cas hat festgehalten, dass Ullrich mindestens vom 1.Mai 2005 an gedopt hat. Was war aber davor? Glaubt wirklich jemand, dass der heute 38-Jährige erstmals 2005 in Versuchung geriet? War sein Toursieg 1997 etwa sauber? Wie steht es um seine Verwicklungen in die Vorgänge in der Sportmedizin der Uni Freiburg, wo Fahrer seines Rennstalls Telekom/T-Mobile zwischen 1993 und 2006 systematisch gedopt wurden? Wann hat Ullrich angefangen zu dopen? Und wie sah das System aus?

Verhinderten finanzielle Aspekte ein Geständnis?

Schweigen. Vielleicht will er mit dieser "Omerta", dem mittlerweile legendären Schweigegelübde der Branche, dem Radsport einen letzten Gefallen erweisen. Vielleicht haben ihm seine Anwälte aus Angst vor deftigen finanziellen Nachforderungen auch einfach dazu geraten. 50 Millionen Euro soll Ullrich während seiner Karriere verdient haben. Wahrscheinlich ist dies das Problem. Ein wegen Dopings überführter Radprofi hat einmal erzählt, dass er gerne sein Gewissen erleichtern würde, er es sich aber finanziell nicht leisten könne.

Trotzdem: Jan Ullrich hätte vielleicht sich, dem Sport und dem Antidopingkampf einen letzten Dienst erweisen können, wenn er offen und ehrlich Dinge benannt hätte. Irgendetwas, das einem das Gefühl vermittelt, da bedauert einer aufrichtig und will reinen Tisch machen. So, wie es etwa nach ihren Dopingvergehen die Telekom-Fahrer Jörg Jaksche oder Patrik Sinkewitz umfassend getan haben.

Jan Ullrich hat eine große Chance vertan

Stattdessen klingt Ullrich weiter verständnislos, was eigentlich alle von ihm wollen, schließlich war er doch nicht der einzige, so liest sich das zwischen den Zeilen. Dass viele andere Fuentes-Kunden unbehelligt weiter aktiv sind - was glühende Ullrich-Fans anprangern und von einer Hetzjagd deutscher Medien sprechen -, ist in der Tat skandalös. Aber das ändert nichts an Ullrichs Vergehen. "Das ist kein Geständnis, das ist Pipifax. Da gab es ganz andere Geständnisse von Radprofis", sagte etwa der Heidelberger Antidopingkämpfer Werner Franke: "Jan Ullrich ist für mich ein armer Dackel. Ich sehe ihn eher als Opfer."

Der Fall Ullrich war ein Trauerspiel, und er geht vorerst traurig zu Ende. Jan Ullrich hat eine große Chance vergeben. Denn es gibt nicht wenige, die Ullrich gerne verziehen hätten, weil er eben auch ein sympathischer Mensch ist. Das ist nun wohl vorbei.

Für Jan Ullrich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Er hofft, endlich Ruhe vor der Vergangenheit zu haben und sich neuen Aufgaben widmen zu können. Inwieweit er sich mit seiner gestrigen Erklärung auf dem Weg in einen geregelten Alltag einen Gefallen getan hat, das wird man sehen. Aus seiner Sicht mag alles gesagt sein. Doch möglicherweise wird er irgendwann wieder mit Vorfällen aus seiner aktiven Zeit als Radprofi konfrontiert werden.