Die schrille Gesellschaftssatire „Jeeps“ lebt von einem tollen Ensemble und schönen Einfällen im Stuttgarter Kammertheater. Nur der Tiefgang hat es schwer.

Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, findet Silke (Celina Rongen), Leute wie sie von Staats wegen zu enterben. Im Deutschland einer nicht allzu entfernten Zukunft ist es Usus geworden, Vermögen wohlhabender Verstorbener einzuziehen und im Rahmen einer Lotterie zu verlosen. Silke, studierte Produktdesignerin, braucht die Knete aber, um ihr Start-up „Laptops in Lederhosen“ aufzuziehen. Mit dem sauer erschufteten Geld ihres altlinken Lehrervaters hat sie fest kalkuliert!

 

Also fährt Silke mit ihrem Jeep beim Jobcenter vor, wo nicht mehr Bürgergeld, sondern wieder Hartz-IV ausbezahlt wird, und außerdem die Erbschaftslotterie von Sesselfurzern wie Armin (Michael Stiller) und Gabor (Valentin Richter) organisiert wird. Vor Ort trifft Silke auf Maude (Christiane Roßbach), eine an Wortfindungsstörung leidende Bestsellerautorin, die sich ihren schmalen Harzt-IV-Satz mit dem Sammeln von Pfandflaschen aufzubessern versucht.

Maudes zusätzliche „selbstständige Tätigkeit“ ruft den gesichtsblinden Gabor auf den Plan, der ohne Ansehen der Person gewissenhaft seinen Job versieht und Maude ratz fatz die Grundsicherung kürzt. Nun sitzen Maude und Silke jede auf ihre Weise im Schlamassel und versuchen Armin und Gabor mit Waffengewalt zur Einsicht zu bringen, dass man so nicht mit Menschen umspringen kann.

Mercedes in die Luft gejagt

Nora Abdel-Maksouds schrille Gesellschaftssatire „Jeeps“ feierte vor zwei Jahren als Auftragsarbeit an den Münchner Kammerspielen Premiere. Regisseur Sebastian Kießer setzt die virtuose Verbal- und Kalauerakrobatik im Foyer des Stuttgarter Kammertheaters mit lokalen Verweisen und in der Kulisse eines realistisch trostlosen Büros um, erweitert durch Videoeinspielungen, zackige Lichtwechsel und lustige Knalleffekte: Nachdem Silke per Fernsteuerung Gabors Mercedes G400 in die Luft gejagt hat, fliegen auch die Bürowände auseinander.

Das wahnwitzig rasante Spiel des Ensembles mit der wehleidig flennenden, überlaut ausrastenden Silke, der ohne Punkt und Komma dauerplappernden Maude und den schmierigen Jobcenter-Soldaten Armin und Gabor macht Spaß. Es braucht allerdings einige Minuten, bis man sich in den wirren Strudel eingehört hat, Tempo und Virtuosität verstellen die ernsthaftere Auseinandersetzung mit Verteilungsfragen. Aber vielleicht ist fröhlicher Wahnsinn auch der letztmögliche Konter angesichts sozialer Ungerechtigkeit, die Kunst zwar beschreiben, aber eben nicht lösen kann.