Seit einem Jahr ist der FDP-Politiker Joachim Stamp Sonderbeauftragter für Migrationsabkommen: Was hat er in diesem Jahr geschafft? Eine Bilanz.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Als sein erster Erfolg verkündet wird, sitzt Joachim Stamp in der ersten Reihe. Es ist Dezember in der georgischen Hauptstadt Tiflis, ein Presseraum im Innenministerium. Vorn steht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit ihrem georgischen Amtskollegen und sagt: „Mit dem heute unterzeichneten Abkommen machen wir deutlich, worauf es für unsere beiden Länder ankommt.“ Stamp hat dieses Abkommen eingefädelt. Das ist sein Job als Sonderbevollmächtigter für Migrationsabkommen.

 

Es ist jetzt ein Jahr her, dass Stamp das Amt angetreten hat. Bis 2022 war er stellvertretender Ministerpräsident und Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen. Jetzt trifft er mit anderen Staaten Vereinbarungen über Migration. Es geht darum, Zuwanderung zu steuern: weniger Asylbewerber, mehr Fach- und Arbeitskräfte. So lautet der Auftrag an Stamp. Was hat er bisher erreicht?

Anderthalb Abkommen

Misst man Stamps Erfolg an der Zahl abgeschlossener Migrationsabkommen, ist die Bilanz ernüchternd: Es gibt eines mit Georgien und ein halbes mit Marokko, das eher eine mündliche Vereinbarung als ein konkretes Abkommen ist. Doch, ob sich Staaten schriftlich oder mündlich einigen, sagt letztlich wenig darüber aus, ob es funktioniert.

„Totes Papier hat man schon oft produziert“, sagt Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Für den Erfolg dieser Abkommen ist vor allem entscheidend, ob man sie mit Leben füllt.“ Rietig hat zu Migrationsvereinbarungen geforscht und berät Staaten. „Wenn man bedenkt, wie unmöglich sein Job ist, schlägt er sich gut“, so Rietigs Urteil über Stamp.

„Nur ein Puzzleteil“

Manchmal sei der Eindruck aufgekommen, Stamp sei angetreten, um die Migrationsfrage zu lösen, so Rietig. „Es gibt viele Maßnahmen, um irreguläre Migration zu begrenzen. Die Ampelkoalition hat anfangs vor allem auf eine einzige gesetzt: Migrationsabkommen.“ Diese seien auch legitim und richtig im Ansatz, aber sie seien „eben nur ein Puzzleteil unter verschiedenen, die man anwenden sollte“, meint Victoria Rietig.

Nach Stamps ersten Auftritten wurde es still um ihn. Abgeordnete der Ampelparteien fragten sich, was ihr Sonderbevollmächtigter eigentlich macht. Stamp war aber nicht untätig, er sprach nur kaum darüber. Ihn plagte die ständige Sorge, Partnerländer zu vergrätzen, wenn er sich öffentlich zu möglichen Vereinbarungen äußert. Diskretion wurde sein oberstes Gebot.

Die falschen Länder?

Womöglich ist Stamps Job komplizierter, als er es selbst gedacht hätte. Eigentlich hieß es, im Januar solle noch ein Abkommen mit Moldau unterzeichnet werden. Das verzögert sich nun. Daneben ist Stamp nach eigener Aussage in Gesprächen mit Usbekistan, Kirgisien, Kenia und Kolumbien.

Die Union wirft Stamp vor, er spreche vor allem mit Ländern, aus denen ohnehin wenig Asylbewerber kommen. Allerdings hat Deutschland zu Ländern wie Syrien oder Afghanistan keine diplomatische Beziehung. Stamp lässt durchblicken, dass man zudem mit Staaten im Austausch sei, über die man aus vertraulichen Gründen aber noch nicht sprechen wolle.

Abkommen ohne Abkommen

„Es ist auch möglich, dass die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit einigen Ländern verstärkt, ohne dass sie Abkommen abschließt oder es öffentlich macht“, sagt Rietig von der DGAP. Manche Staaten behalten lieber für sich, was sie untereinander vereinbaren. Das kann man als intransparent kritisieren, ist aber gängige diplomatische Praxis.

Eine sinnvolle Bewertung von Stamps Arbeit sei frühestens in einem Jahr möglich, wenn man wisse: „Wie hat sich die Zahl der Treffen und Arbeitskontakte und damit auch die Beziehung der Länder verändert?“ Und: „Wie sind die Zahlen der regulären Ankünfte, der irregulären Ankünfte und der Zurückgekehrten im Vergleich zum Vorjahr?“