Teilnehmer einer Podiumsdiskussion im Rahmen des 700-Jahr-Jubiläums der Stiftskirche betonen Bedeutung von Religion und Kirche.

Ganz kurz herrscht Verwirrung auf den Kirchenbänken: Wird Stiftspfarrer und Marathonläufer Matthias Vosseler, der schon mehrfach den Titel „schnellster geistlicher Europas“ getragen hat, neuer Himmelsstürmer beim VfB? Das Trikot des Bundesligisten mit der Rückennummer 700, mit dem der Geistliche am Samstagabend in der Stiftskirche vor das Publikum tritt, sorgt für reichlich Aufsehen. Doch der Pfarrer gibt schnell Entwarnung: Nur ein Geschenk des Fußballvereins, lässt Vosseler wissen. „Auch dieses Trikot soll uns daran erinnern, dass wir 700 Jahre Stiftskirche feiern“, betont er. Anlässlich des Jubiläums standen am Wochenende zahlreiche Veranstaltungen der Evangelischen Stiftskirchengemeinde auf dem Programm. Einer der Höhepunkte war am Samstagabend ein Podiumsgespräch mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne), dem katholischen Stadtdekan Christian Hermes sowie Marcus Witzke, Vorstand der Hoffnungsträgerstiftung. Das Thema: Welche Funktion hat die Kirche als Institution in unserer modernen Gesellschaft?

 

Angekündigt war auch Kira Geiss, die aus Oberschwaben stammende, amtierende Miss Germany. Die Theologiestudentin konnte kurzfristig aus zeitlichen Gründen aber nicht an der Veranstaltung teilnehmen und war durch eine Videobotschaft vertreten. Gleich zu Beginn stellte Vosseler, der gemeinsam mit Prälatin Gabriele Arnold das Gespräch in der Stiftskirche moderierte, die Leitfrage: „Braucht es Kirche heute eigentlich noch?“ Die Alevitin Aras antwortet eindeutig: „Ohne Kirchen könnte ich mir die Gesellschaft nicht vorstellen“, sagt die Grünen-Politikerin. „Gemeinsam tragen Politik und Kirche eine Verantwortung dafür, dass Menschen, die Hilfe brauchen, gehört werden“, so die Landtagspräsidentin.

Stadtdekan Hermes unterstreicht, dass Kirche aber eben nicht nur eine Art Nichtregierungsorganisation ist, die sich funktionell gesellschaftlicher Aufgaben annimmt. „Es gibt vielmehr sehr plausible Gründe, auch in dieser Zeit an Gott zu glauben“, betont Hermes. „Der Hunger nach Spiritualität in der Gesellschaft ist groß.“ Religion sei essenziell, um Krisen zu bewältigen, so der katholische Stadtdekan.

Für Marcus Witzke ist Kirche ein Platz „an dem man Heimat und persönliche Orientierung für sein Leben findet“. Er warnte davor, dass Religion und Kirche nicht ausschließlich zur Tradition werden dürfe.

Im Rahmen der Veranstaltung unter dem Titel „Eine Kirche im Herzen der Stadt – Ankerplatz und Hoffnungsort“ wurde auch die eigens zum 700-Jahr-Jubiläum verfasste Festschrift zur Geschichte der Stiftskirche vorgestellt. Das umfangreiche Werk der Autorin Gisela Gündert bettet die Geschichte des Kirchenbaus im Zentrum Stuttgarts auf vielfältige Weise in die Entwicklung der sie umgebenden Stadt ein.