Barbara Traub führt zum zweiten Mal die jüdische Gemeinde und tritt für deren Öffnung ein. Eine schwierige Aufgabe.

Stuttgart - Barbara Traub ist an die Spitze der jüdischen Gemeinde zurückgekehrt. Die 52-Jährige hat sich in dem seit Jahren schwelenden Richtungsstreit in der Gemeinde durchgesetzt. Beim Tee im Restaurant neben der Synagoge aber zeigt die Psychotherapeutin keine Spur der Genugtuung. Traub hebt nicht ab, sie bleibt lieber sachlich. In den vergangenen Jahren ist die 52-Jährige zu einem der Gesichter geworden, die man in Stuttgart mit der jüdischen Gemeinde verbindet. Ob bei Gedenkveranstaltungen, Lesungen oder Sabbatgottesdiensten, die Frau mit der krausen Haarmähne, den großen Hüten und dem Wiener Akzent fällt auf, allerdings auf andere Weise als der Landesrabbiner Netanel Wurmser, der seine orthodoxe Haltung unübersehbar zur Schau trägt. Die neue und alte Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG) steht für ein modernes Judentum, das sich an den Traditionen ihrer Religion orientiert, aber diese auch anpasst. "Ich wünsche mir eine moderne Einheitsgemeinde, die offen ist für unterschiedliche Strömungen", sagt Traub.

Die Frage, wie viel Tradition sie in ihrem Privatleben bewahren und wie viel Anpassung an die hiesige Gesellschaft sie zulassen will, hat Barbara Traub ganz unverkrampft für sich beantwortet. Ihre Kinder haben jüdische Kindergärten besucht, sind dann aber auf staatliche Schulen gewechselt. Den Religionsunterricht bekamen und bekommen sie in der Gemeinde. Trotz aller Traditionspflege aber hat Traub nicht den Ehrgeiz, dass aus ihrer Familie ein Rabbiner hervorgehen muss, wie dies bei streng orthodoxen Familien üblich ist. Und sie drängt ihre Kinder nicht dazu, beim Sabbatgottesdienst dabei zu sein. Genauso wenig wie sie koschere Lebensmittel aus dem Ausland beschafft, um die Kaschrut, die jüdische Speisevorschrift, bis in die kleinste Verästelung zu erfüllen. "Wir müssen auf die moderne Lebenssituation Antworten finden", sagt die Psychotherapeutin. Deshalb setzt sie auf "koscher light". Zuhause gibt es kein Schweinefleisch; Milch und Fleisch werden voneinander getrennt. Wenn die Familie essen geht, gibt es vegetarische Gerichte.

Barbara Traub ist in einer Wiener Familie aufgewachsen, in der der Glaube gelebt wurde, aber nicht nach außen dringen durfte. "Draußen sollte keiner wissen, dass ich Jüdin bin." Ihren drei Söhnen hat sie eine andere Haltung vermittelt, hat versucht, sie zu selbstbewussten Juden zu erziehen. "Alle Freunde wissen, dass wir Juden sind und nehmen ganz selbstverständlich darauf Rücksicht." Die Psychotherapeutin hat mit ihren Kindern auch nie ein Konzentrationslager besucht genauso wie sie vermieden hat, alle Holocaust-Gedenktage mit ihnen zu begehen. "Ich wollte nie, dass meine Kinder ihren Glauben nur daraus definieren, dass es die Shoa gegeben hat." Deshalb fliegt sie lieber regelmäßig mit ihnen zu Verwandten nach Israel, wo sie einen selbstbewussten und lebendigen Glauben erleben können, wie sie sagt. Und amüsiert sich darüber, dass einer ihrer Söhne in der Schule lieber einen Vortrag über Indianer in Amerika gehalten hat und nicht - wie der Lehrer es wollte - einen über Juden in Deutschland.

Die Stuttgarter Gemeinde ist gespalten


Dieselben Fragen wie in ihrem Familienleben begegnen der 52-jährigen Psychotherapeutin in der Gemeinde, nur dass sie dort mit sehr viel mehr Konflikten verbunden sind. Die Stuttgarter Gemeinde ist tief gespalten zwischen den Anhängern eines streng orthodoxen Judentums um den Stuttgarter Unternehmer Martin Widerker und denen einer liberaleren Ausrichtung, für die Barbara Traub steht. Die Auseinandersetzung spiegelt sich auch in den wechselnden Mehrheiten in der Repräsentanz, dem obersten Entscheidungsorgan der IRG wider. Der Streit ging bis zur Entlassung und Wiedereinstellung des orthodoxen Rabbiners Wurmser.

Seit den jüngsten Wahlen ist Barbara Traub wieder ehrenamtliche Vorstandssprecherin der IRG, zum Rabbiner aber will sie sich nicht äußern. "Von unserer Seite ist der Weg gebahnt, dass wieder Frieden einkehren kann." Für die 52-jährige aber ist klar: "Die Gemeinde muss sich verjüngen und offener werden." Ein Vorbild ist für sie die orthodoxe Wiener Gemeinde, der sie lange angehörte und um die sich hübsche Anekdoten ranken. In Wien finde man am Sabbat immer auch Juden beim Bridgespielen, erzählt Traub. "Der Rabbiner ist von der Synagoge immer so nach Hause spaziert, dass er an diesen Kaffeehäusern nicht vorbeikam."