Die Motivation der wiedergewählten Jugendräte ist groß – trotz der geringer Wahlbeteiligung von gerade einmal 29 Prozent. Drei Räte berichten – von größeren und kleineren Erfolgen, aber auch von der zusätzlichen Belastung durch das Amt.

Stuttgart - Die Jugendratswahl ist vorbei. Doch für Leonie Scherer (18), Patricia Roth (17) und Florens Rilling (17) geht die Arbeit weiter. Sie gehören als Wiedergewählte zu den alten Hasen im Jugendrat. Dass die Wahlbeteiligung nur bei mageren 29 Prozent lag und somit noch zwei Prozentpunkte unter der Beteiligung vor zwei Jahren, wundert die drei jungen Leute nicht. Aber es demotiviert sie auch nicht, wie sie bei einem Treffen in der Innenstadt bei einer Latte macchiato im Café Kostbar erzählen. Viel Zeit haben sie nicht. Denn nebenan im Rathaus steht gleich das nächste Gremientreffen an.

 

„Wir haben mehr Energie reingesteckt, um für die Kandidatur zu werben“, sagt Leonie Scherer. Die Schülerin des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums ist Sprecherin der Jugendrat-Projektgruppe Obere Neckarvororte und Mitglied im Organisationsteam des Arbeitskreises Jugendrat Stuttgart. Patricia Roth stimmt ihr zu und ergänzt: „Teilweise wird zu wenig Werbung in den Schulen gemacht.“ Weshalb das so ist, dafür hat Florens Rilling auch eine Erklärung parat: „Teilweise liegt es daran, dass die Leute nicht in dem Stadtbezirk zur Schule gehen, in dem sie auch wohnen“ – und als Jugendräte aktiv sind. Er ist Jugendrat im Bezirk Nord, besucht aber das Heidehof-Gymnasium im Osten. Leonie Scherer ist der gleichen Ansicht und fügt hinzu: „Ich hab das bei uns am Elly so organisiert, dass die Schüler während der Schulzeit wählen gehen konnten.“

Mit Engagement erste Erfolge erzielt

Weshalb sie sich im Jugendrat engagieren? Was für eine Frage. „Weil’s Spaß macht“, sagt Florens. Patricia, die das Mörike-Gymnasium in ihrem Jugendratsbezirk Süd besucht, erzählt: „Mein Gemeinschaftskundelehrer hat gefragt, ob ich nicht mitmachen möchte.“ Inzwischen kann sie schon erste Erfolge verbuchen: „Kleinere Sachen kann man schon erreichen.“ So habe der Jugendrat ein Bandfestival organisiert, an der neuen Downhill-Strecke in Degerloch mitgearbeitet und eine Art Trimm-Dich-Pfad vorangetrieben.

Doch wie verträgt sich das alles mit dem Abitur, das die drei jungen Leute noch in diesem Jahr ablegen wollen? Und überhaupt mit dem gedrängten Programm eines achtjährigen Gymnasiums? Bleibt da noch genügend Zeit? „Wenn man sich’s ein bissle einteilt, geht’s“, sagt Patricia Roth. Auch Florens Rilling hat noch „genug Zeit zum Lernen“. Und Leonie Scherer, die zudem noch im Dachverband der Jugendräte aktiv ist und sich auch noch für Flüchtlinge engagiert, bekommt ebenfalls alles auf die Reihe. „Man muss einfach Prioritäten setzen“, sagt die Schülerin

Der zusätzliche Einsatz kommt an

Unterm Strich, das zeigt sich bei dem Gespräch, profitieren alle drei von ihrem Zusatzengagement. „Die Softskills verbessern sich“, sagt Leonie Scherer. „Wie man auftritt, spricht, organisiert. Und man bekommt einen anderen Blick auf die Stadt.“ Auch Patricia Roth hat festgestellt, dass ihr Auftreten jetzt selbstbewusster sei und es ihr leichter falle, frei zu sprechen. Und Florens macht jetzt „Dinge, die ich sonst nicht gemacht hätte. Ich lerne dabei auch, wie Politik funktioniert“.

Bretter bohren gehört auch dazu – auch viele dicke. Patricia will sich dafür einsetzen, dass die Stadtbahnen die ganze Nacht fahren, wenigstens am Wochenende. Fühlen sich die jungen Leute unsicherer in der Stadt seit den Übergriffen und der Abzocke an Silvester? „Nein“, sagt Patricia Roth. Allerdings räumt sie ein, dass sie nachts nie allein in der Stadt unterwegs ist. „Wir setzen uns dafür ein, dass wir öffentlich gut nach Hause kommen, auch nachts“, sagt Florens Rilling. Mit den Nachtbussen und bei den S-Bahnen habe der Jugendrat ja schon viel erreicht.

Auch in puncto Stadtplanung möchten die Jugendräte mitmischen. Florens möchte erreichen, „dass das Rosensteinviertel jugendfreundlich gebaut wird. Da sitzen wir in der Lenkungsgruppe Bürgerbeteiligung“. Die Latte macchiato ist getrunken, die drei Jugendräte eilen zu ihrer Sitzung ins Rathaus: neue Bretter bohren und den frisch gebackenen Mitstreitern helfen.