Sport: Heiko Hinrichsen (hh)
Sie haben sich 2013 in Brüssel eine schwere Handgelenksverletzung zugezogen, waren monatelang verletzt – und stürzten nach insgesamt 16 Erstrunden-Niederlagen in der Weltrangliste ab. Hat Sie das verändert?
Ich sehe jetzt tatsächlich viele Dinge anders. Spätestens seit dem vergangenen Jahr, als ich einige enge Dreisatzmatches verloren habe. Hätte ich die gewonnen, stünde ich wieder unter den Top 30 – und nicht auf Platz 69. Die Rangliste verzerrt also vieles. Ich spiele jedenfalls derzeit ein besseres Tennis als vor drei Jahren.
Damals waren Sie aber die Nummer 15.
Mein Gesamtpaket an Athletik, Konstanz und Schlagrepertoire ist jetzt aber größer als damals, ganz eindeutig. Das spiegelt sich nicht immer in den Ergebnissen wider, weil die Breite an guten Spielerinnen in der letzten Zeit eben sehr stark zugenommen hat. Grundsätzlich sehe ich aber alles entspannter, genieße das Tennis viel mehr und weiß das zu schätzen, was ich habe. Tennis ist letzten Endes nur ein Spiel. Man gibt sein Bestes – aber wenn man verliert, dann verliert man. Viele haben gar nicht die Möglichkeit, das zu erleben, was ich erlebe.
2011 holten Sie beim Porsche-Grand-Prix einen von bisher zwei Einzeltiteln in Ihrer Karriere. Insofern dürfte Stuttgart ein besonderer Ort für Sie sein?
Das ist Stuttgart definitiv. Die Halle hier ist ein wenig wie ein Wohnzimmer für mich, denn es kommen immer wieder schöne Erinnerungen hoch. Es ist ja nicht so, dass wir jede Woche in Deutschland ein Turnier spielen. Da fühlt es sich vor heimischem Publikum schon besonders gut an. Hinzu kommt, dass der Porsche-Tennis-Grand-Prix ja nicht irgendein Turnier ist, sondern eines, das von den Spielerinnen schon so oft zum beliebtesten Event weltweit gewählt wurde.
Weniger schöne Erinnerungen dürften Sie an Prag haben, wo im November das Fedcupfinale 2014 mit 1:3 verloren ging. War das Team da insgesamt zu wenig abgezockt?
Die Tschechinnen hatten uns natürlich die Erfahrung voraus. Man hat gemerkt, dass sie schon öfter in einem Finale standen und vor 11 000 Zuschauern gespielt haben, die jeden gewonnenen Punkt frenetisch bejubelt haben. Wir waren eben vorher noch nie dabei. In so einem Hexenkessel kommen ja auch ganz neue Faktoren zum Tragen: da ist der mentale Druck und der Lärm in der Halle. Man fühlt sich auf dem Court zunächst gehemmt und fragt sich: Wie kann man so überhaupt spielen?
Einen unschlagbaren Eindruck haben die Tschechinnen Lucie Safarova und Petra Kvitova jedenfalls nicht gemacht.
Es war für uns definitiv mehr drin, schließlich haben wir alle die beiden ja auch schon auf der WTA-Tour besiegt. Allerdings darf man nicht vergessen, wo wir als deutsches Team herkommen und dass Tschechien in den vergangenen vier Jahren dreimal den Fedcup geholt hat. Das zeigt schon ihre Qualität. Für uns war es allein ein großer Erfolg, überhaupt im Finale zu stehen. Durch Prag haben wir einiges dazugelernt. Jetzt hoffen wir, dass wir eines Tages noch mal in einem Finale stehen. Um zu zeigen, dass wir es besser machen können.
Ist das Leben als Tennisprofi aber auch ohne Fedcupsieg ein Traum für Sie?
Für mich schon. Ich wollte schon früh Profi werden. Auch zu einer Zeit, in der ich noch gar nicht wusste, ob ich überhaupt die Qualität dazu habe. Es ist zwar ein hartes Leben, denn man ist ständig weg und reist viel durch die Welt, was für den Körper bestimmt nicht förderlich ist. Aber ich habe meinen Schritt gewiss nicht bereut, denn er bedeutete die einmalige Chance, meinen Traum zu verwirklichen.
Viel zu Hause in Bad Oldesloe sind Sie nicht.
Ich bin am 18. Dezember bereits nach Australien geflogen, weil ich immer eine etwas längere Eingewöhnungsphase benötige. Ich war also über Weihnachten und Silvester weg. Erst am vergangenen Freitag bin ich wieder in Deutschland gelandet, was sich schön anfühlt. Auch wenn ich nicht im eigenen Bett schlafe, ist es auf deutschem Boden schon ein bisschen wie zu Hause. Nach dem Fedcup bin ich dann bald schon wieder für anderthalb Monate weg.
Was genießen Sie beim Zwischenstopp in der Heimat am meisten – den Schnee?
Ich bin eher ein häuslicher Typ. Ich düse ja schon die ganze Zeit durch die Weltgeschichte, da muss ich abends nicht auch noch um die Häuser ziehen. Ich lese gerne, schaue Filme oder Serien und gucke auch sehr gerne Wintersport. Da kann ich mich noch an meine Schulzeit erinnern: Am Samstagmorgen im Pyjama auf der Couch zu sitzen und Wintersport zu schauen, das ist etwas, was mir gefällt.