Vor mehr als 120 Jahren brach Bertha Benz zur ersten Fernfahrt in der Menschheitsgeschichte auf.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Es steckt kein böser Wille dahinter, wenn sich Männer abwertend über die Fahrkünste von Frauen auslassen und üble Zoten über Frauenparkplätze reißen. Dies ist nur Ausdruck eines tief verwurzelten Minderwertigkeitskomplexes, der aus jenen Zeiten herrührt, als das Auto fahren gelernt hat.

 

Zwar mögen es Männer gewesen sein, allen voran die Herren Daimler und Benz, die Ende des 19. Jahrhundert der Kutsche die Pferde ausgespannt und sie mittels Verbrennungsmotor ins Rollen gebracht haben. Dies ändert aber nichts daran, dass die erste Fernfahrt aller Zeiten aufs Konto einer Frau geht, auf das von Bertha Benz. Daran führt kein Weg vorbei – da mögen Männer in Rennautos noch so schnell in Hockenheim (wo Frau Benz auch vorbeikam) im Kreis fahren.

Das Elend begann an einem frühen Augustmorgen des Jahres 1888. Noch graute der Tag, als in der Waldhofstraße in Mannheim ein Holztor geöffnet wurde und zwei Burschen ein dreirädriges Gefährt auf die Straße schoben, den Patent-Motorwagen Nr.3. Es handelte sich um die Söhne von Carl Benz, Richard (13) und Eugen (15). Bis zu diesem Moment hätte es für die Männerwelt ein guter Tag werden können. Aber dann trat sie aus dem Haus, Bertha Benz, die treibende Kraft hinter diesem geheimen Rollkommando, das so topsecret war, dass nicht mal ihr Mann davon wusste.

Rund 123 Jahre nach dieser Jungfernfahrt (wobei hier nicht die Frage geklärt werden soll, was eine Mutter von fünf Kindern zu einer Jungfernfahrt bewogen haben mag) sind wir aufgebrochen, um den Beweis zu erbringen, dass auch ein Mann Manns genug ist, die Strecke zu bewältigen. Besagter Pilot ist ohne Navi losgezogen, nur mit einer Landkarte.

Dass sein Unternehmen von Erfolg gekrönt war, mag daran liegen, dass die BerthaBenz-Memorial-Route Mannheim–Pforzheim–Mannheim ordentlich ausgeschildert ist und er sich im Gegensatz zu Frau Benz auf asphaltiertem Untergrund bewegen konnte. Dafür aber hatte er keinen Benz unterm Hintern, sondern saß in einem für seine knapp Einsneunzig recht eng bemessenen Corsa aus Rüsselsheim.

Unser Testpilot hat die Route von Süden her gefahren, ist also in Pforzheim aufgebrochen und hat die Steigung nach Bauschlott im vierten Gang auf Anhieb gemeistert. Als er in Bauschlott rechts ranfuhr, tat er es nur, um vor jenem Haus in der Pforzheimer Straße eine Gedenksekunde einzulegen, in dem einst der Schuhmacher Karl Britsch gewohnt hat, welcher die Heimfahrt von Frau Benz dadurch ermöglichte, indem er neues Leder auf die Bremsklötze des Patent-Motorwagens geschlagen hat. "Von Bauschlott an", schrieb Bertha Benz, "ging es bis Bretten zu wieder reibungsloser." Den Satz könnte ihr männlicher Nachfahre auch unterschreiben.

Während der ganzen Fahrt ist ihm aufgefallen, dass er, anders als Frau Benz mit ihren beiden oft zum Schieben verdammten Vasallen, nicht der Einzige auf der Strecke war, der ein motorisiertes Vehikel betrieb. Er ist nicht sicher, ob sämtliche Fahrzeuge auch der Gedenkroute folgten. Gerade beim Schwerlastverkehr beschlichen ihn Zweifel. Womöglich steuerten die Lastzüge jene unzähligen Gewerbegebiete an, durch die die Tour inzwischen führt. Frau Benz mag zwar mehr grüne Wiesen um sich gehabt haben, sie konnte sich dafür aber beim Aldi nichts für den kleinen Hunger zwischendurch holen.

Für den größeren Hunger empfiehlt unser Testpilot eine Einkehr in Hambrücken, auf der Nordroute einige Kilometer hinter Bruchsal. Hier liegt auf freier Flur Simianers Spargelrestaurant, wo es in dieser Jahreszeit außer Spargel vor allem Spargel und Spargel gibt. Um solche Genüsse dürfte die Benz'sche Vorhut herumgekommen sein, zumal der August kein Spargelmonat ist.

Auf der Heimfahrt hielt unser Testfahrer in Ladenburg an, wo im Automuseum Dr. Carl Benz nicht Deutschlands größte, aber vermutlich am liebevollsten bestückte Alteisensammlung steht. Außerdem verließ er in Wiesloch seinen Wagen, um in der Fußgängerzone vor jener früheren Apotheke zu salutieren, die als der Welt erste Tankstelle gilt.

Im Gegensatz zu Frau Benz, die allein für die Fahrt von Mannheim zur Mutter nach Pforzheim einen Tag brauchte, packte unser Testpilot die komplette Route an einem Tag. Das soll ihm frau erst mal nachmachen.

Bertha-Benz-Memorial-Route

Bevor man sich in den Wagen setzt, um sich auf die Spuren der ersten Fernfahrerin der Welt zu begeben, sei ein Klick ins Netz empfohlen. Die Initiatoren der Strecke haben auf www.bertha-benz.de nicht nur jede Menge Historisches zusammengetragen. Sie bieten auch reichlich Tipps für unterwegs. 

Die 104 Kilometer lange Südroute führt von Mannheim über Ladenburg (Automuseum Dr. Carl Benz), Heidelberg, Wiesloch (erste Tankstelle der Welt), Bruchsal, Grötzingen bei Karlsruhe nach Pforzheim. Die Nordroute ist 90 Kilometer lang und geht durch Bretten, Bruchsal, Hockenheim, Schwetzingen nach Mannheim. So weit möglich folgt die Route der Fahrtstrecke von Bertha Benz und ihren Söhnen. Dies ist zwischen Ladenburg und Heidelberg nicht möglich, wo der Benz-Wagen über die Römerstraße zuckelte, auf der heute nur noch Traktoren und Fahrräder verkehren dürfen. Weil es 1888 keine Verkehrsschilder gab, orientierte sich Bertha Benz über weite Strecken an der Eisenbahnlinie.