Im Fall des Moderators wird das Spannungsverhältnis zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit deutlich.

Mannheim - Seit 20. März sitzt der Wettermoderator Jörg Kachelmann wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung seiner langjährigen Exgeliebten in Untersuchungshaft. Und noch immer steht nicht fest, ob die Fünfte Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim überhaupt die Eröffnung eines Verfahrens zulässt.

Der Fall Kachelmann hat ein grelles Licht auf das Spannungsverhältnis zwischen Persönlichkeitsrecht und Presse- und Informationsfreiheit geworfen. Besorgt fragen sich Juristen und Medienwissenschaftler: Wie schwer wiegt das Persönlichkeitsrecht, wenn die Staatsanwaltschaft Mannheim nach der Verhaftung des Schweizer Meteorologen eine Pressemitteilung herausgibt, die ihn zwar nicht namentlich nennt, aber genügend Informationen enthält, um den Medien eine eindeutige Identifizierung zu ermöglichen?

2008 betonte das Bundesverfassungsgerichts den Persönlichkeitsschutz von Prominenten in Situationen, in denen sie nicht mit Paparazzi rechnen müssen. Die Richter stärkten die Pressefreiheit aber dahingehend, dass sie es den Verlagen im Einzelfall freistellten zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Zwar müssten sie den Persönlichkeitsschutz der Betroffenen berücksichtigen, im Streitfall sollten jedoch die Gerichte entscheiden. Für den Fall Kachelmann bedeutet das nach Einschätzung des Bonner Medienrechtlers Gernot Lehr, dass der TV-Meteorologe Schadenersatz von der Staatsanwaltschaft Mannheim einklagen kann, sollte das Verfahren gegen ihn gar nicht eröffnet werden.

Dafür gibt es einen ähnlich gelagerten Fall als Vorbild: 2003 verklagte der wegen schwerer Untreue angeklagte frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wegen Rufschädigung - mit Erfolg. Das Verfahren gegen den Manager musste am Ende gegen Auflagen eingestellt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen musste Esser ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zahlen.

Staatsanwaltschaft löste Medienlawine aus


Auch im Fall Kachelmann war es die Staatsanwaltschaft, die eine Medienlawine mit einer Pressemitteilung ausgelöst hat. Zwei Tage nach der Verhaftung des Moderators am Frankfurter Flughafen ließ sie verlauten, sie ermittle gegen einen 51-jährigen Moderator wegen des Verdachts der Vergewaltigung. Dem Journalisten werde vorgeworfen, Anfang Februar seine langjährige Freundin nach einem Streit in ihrer Wohnung gewaltsam zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Schon einen Tag später - der Name des Moderators hat es längst in die Schlagzeilen geschafft - nennt auch sie Ross und Reiter und verkündet den "Haftprüfungstermin im Verfahren gegen Jörg Kachelmann".

Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Mannheim, Oskar Gattner, spricht von einer "Minimalerklärung". Der Oberstaatsanwalt sagt, es wäre naiv zu glauben, dass die Nachricht von der Verhaftung nicht auch ohne dieses Statement an die Medien gelangt wäre. Gattner sagt, ein Fall wie der des Wettermoderators bringe die Staatsanwaltschaft in die Bredouille. Einerseits sei die Behörde gesetzlich verpflichtet, ihrer Informationspflicht gegenüber der Presse nachzukommen. Dazu gehöre auch, dass die Kollegen nicht lügen dürften, wenn sie gefragt werden, ob es sich bei dem Beschuldigten um Kachelmann handele.

Prozesse gehören in den Gerichtssaal


Andererseits sei man durchaus bestrebt, Prozesse im Gerichtssaal und nicht in der Öffentlichkeit zu führen, sagt er mit Blick auf einen Bericht des "Spiegels". In seiner ersten Juniausgabe hatte das Hamburger Magazin aus Ermittlungsakten im Fall Kachelmann zitiert - offenbar mit dem Ziel, die Arbeit der Ermittler zu diskreditieren und Druck auf die Behörde auszuüben, um die Freilassung Kachelmanns zu erreichen. Doch über einen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls hat die Fünfte Strafkammer noch immer nicht entschieden. Am Freitag soll es nun eine mündliche Haftprüfung geben.

Der "Spiegel" hatte unter anderem Passagen aus einem psychologischen Gutachten über die Exgeliebte Kachelmanns zitiert, die die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin infrage stellten. Die Öffentlichkeit erfuhr auf diese Weise, dass die Schilderung der Vergewaltigung "nicht die Mindestanforderungen an die logische Konsistenz, Detaillierung und Konstanz" erfülle. "Die Zeit" legte in der vergangenen Woche noch einmal nach, bezichtigte die Exgeliebte, die Kachelmann vergewaltigt haben soll, unter Berufung auf ärztliche Gutachten der Lüge, unterschlug allerdings auch nicht das egomanische Beziehungsverhalten des Fernsehmoderators. Oskar Gattner spricht von "einer einseitigen Lesart der Verteidiger". Er sagt, das Gutachten gebe eine Antwort auf die Frage, warum die Darstellung der Zeugin lückenhaft sei. Diese aber habe der "Spiegel" nicht zitiert. "Das vollständiges Gutachten hat den Tatverdacht sogar noch erhärtet", meint der Pressesprecher.

Der Bonner Medienrechtler Gernot Lehr bleibt dabei: nach seiner Einschätzung hat die Staatsanwaltschaft den Medien erst die Legitimation für die Berichterstattung verschafft. Diese hätten nur dann berichten dürfen, wenn ein Verfahren gegen Kachelmann eröffnet worden wäre und wenn die ihm vorgeworfene Tat im Zusammenhang mit seiner öffentlichen Funktion gestanden hätte. Nur dann hätte es ein legitimes öffentliches Interesse an dieser privaten Geschichte gegeben.