Der Justiz stehen spannende Verfahren vor allem rund um Stuttgart 21 und das Waffenrecht bevor. Es geht um Gesetzeslücken und Geld.

Stuttgart - Mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray ist die Polizei am 30. September gegen Demonstranten vorgegangen. War das rechtmäßig? Nein, sagen sieben bei dem Einsatz Verletzte, die gegen das Land Baden-Württemberg klagen. Es ist einer von vielen interessanten Fällen, mit denen sich das Verwaltungsgericht in diesem Jahr befasst.

 

Für die S-21-Gegner, unter ihnen der nahezu erblindete Dietrich Wagner, geht es außer um Rehabilitation auch um Schmerzensgeld. Hat die Klage vor dem Verwaltungsgericht Erfolg, können die Verletzten beim Landgericht Schadenersatz erstreiten. Dass der Prozess nur vage auf Ende 2011 terminiert ist, liegt nicht nur daran, dass es sich – bei aller Brisanz – um kein Eilverfahren handelt. Verzögerungen gibt es durch den Untersuchungsausschuss.

Zudem könnte sich die Klage durch einen Politikwechsel erledigen: dann nämlich, wenn die neue Regierung den Einsatz für unrechtmäßig erklärt – im Gegensatz zur aktuellen Stellungnahme des Regierungspräsidiums.

Beim Bauzaunfrühstück eingekesselt

Doch auch in diesem Fall wird Stuttgart 21 das Verwaltungsgericht beschäftigen. Ebenfalls anhängig sind Klagen von Bürgern, die während eines Bauzaunfrühstücks Ende Januar von Polizeibeamten „eingekesselt“ und rechtswidrig in Gewahrsam genommen worden seien – obwohl sie, entgegen der Vorwürfe, keine Baufahrzeuge blockiert hätten.

Um Baufahrzeuge, genauer um deren Abgase, dreht es sich auch in einem anderen Verfahren: Die DB Netz AG hat sich in einem Vergleich bereits verpflichtet, Maschinen mit Rußpartikelfilter einzusetzen, sofern diese erhältlich oder nachrüstbar sind. Das Unternehmen halte sich nicht daran, macht ein Bürger geltend: Er klagt auf Zwangsvollstreckung. Feinstaub taucht auch im Zusammenhang mit dem Neckartor nochmals auf, ein Bürger will die Einhaltung des Luftreinhalteplans erwirken.

Auch der Amoklauf wird thematisiert

Disput über Gebühren für Waffenkontrollen

Außerdem wird vor dem Verwaltungsgericht geklärt, ob die Schlafplätze im Naturfreundehaus Degerloch tatsächlich gewerblich genutzt werden. Handelt es sich bei Letzterem eher um einen Nachbarschaftsstreit, gleicht der Disput über die Gebühren für Waffenkontrolle einer Musterklage. Es ist eine der Folgen des Amoklaufs von Winnenden und Wendlingen: seit einer Waffenrechtsnovelle vom Juli 2009 können Behörden das sichere Aufbewahren von Waffen und Munition unangekündigt kontrollieren.

Aber wer zahlt dafür? In diesem Fall hat das Landratsamt Esslingen einem Jagdscheininhaber 46,67 Euro berechnet. Zu Unrecht, sagt der Mann: denn in der Gebührenverordnung des Landratsamtes stünde davon nichts. „Immer öfter müssen Verfahren von hoher Komplexität und Bedeutung bewältigt werden“, sagt der Präsident des Verwaltungsgerichts, Stefan Kuntze.

Es gibt also viel zu tun für die 43 Richter, die bei gleichbleibendem Personalstand tendenziell immer mehr Arbeit haben: 2010 gingen fast 5200 Fälle ein, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Verhandelt wurde vor allem über Sportwetten, Beamten- und Ausländerrecht. Außerdem hat sich das Gericht 2010 mit Grundstücksenteignungen im Zusammenhang mit dem Bau einer Ethylenpipeline beschäftigt.

Und auch Stuttgart 21 war bereits aktuell. Damals ging es um die Frage, ob Bürgerbegehren zulässig sind. Mit dem Dauerthema müssen sich die Richter auch heute Vormittag beschäftigen: Eine Firma, sie ist Pflichtmitglied bei der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart und offenbar kein Befürworter des Großprojektes, wehrt sich gegen ein Werbeplakat für S 21 am Gebäude der IHK.