Justizminister Heiko Maas will das Strafrecht bei Tötungsdelikten ändern. Vom Anwaltsverein erntet er Lob. Aber der Koalitionspartner geht auf Konfrontationskurs.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will die Strafbarkeit von Tötungsdelikten neu regeln und hat dies von langer Hand vorbereitet. Im Mai 2014 hat er bereits eine Expertengruppe von Sachverständigen eingesetzt, die Vorarbeiten für diese Strafrechtsnovelle leistete. Doch ein Selbstläufer ist das Vorhaben nicht, denn das Projekt steht nicht im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Und jetzt, da das Justizministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt und den anderen Ministerien zur Ressortabstimmung zugeschickt hat, wird deutlich, dass der Koalitionspartner auf Gegenkurs zu den Plänen des Ministers geht.

 

Maas will Nazi-Jargon aus dem Gesetz tilgen

Eine Triebfeder für Maas Vorstoß ist, dass die einschlägigen Formulierungen im Strafrecht noch aus der Nazizeit stammen und das Verständnis der Nazis von charakterlich minderwertigen Tätertypen widerspiegeln. Aus dieser Zeit stammt auch die – in der Gesetzgebung einmalige Verpflichtung – Mord mit einer lebenslangen Haftstrafe zu ahnden. Ob der Zwang zu einer lebenslangen Haftstrafe bei Mord verfassungsgemäß ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in den siebziger Jahren angezweifelt. Seither ist es in der Praxis Sache der Richter, zwischen den widersprüchlichen Vorgaben ein dem Einzelfall angemessenes Strafmaß festzusetzen. Schon 1980 bezeichnete der deutsche Juristentag das Tötungsrecht als „Dauerproblem der Strafrechtsgeschichte“. Über Debatten zur Notwendigkeit einer Reform ist der Gesetzgeber seither aber nie hinausgekommen. Das soll nach Maas’ Willen nun anders werden.

Am milderen Strafmaß für Mörder entzündet sich Kritik

Als wesentliche Änderungen plant der Minister ersten Veröffentlichungen zufolge, in den einschlägigen Paragrafen über Mord den Begriff der „Heimtücke“ zu streichen, die Formulierung „niedrige Beweggründe“ (an der sich eine Vielzahl von widersprüchlichen Urteilen festmacht) durch „besonders verwerfliche Beweggründe“ zu ersetzen und um den Begriff der „menschenverachtenden Motive“ zu ergänzen. Zugleich sollen Mörder in bestimmten Ausnahmefällen nicht mehr die Höchststrafe „lebenslang“ bekommen, die bisher zwingend und ausschließlich vorgeschrieben ist. Ein milderes Strafmaß von mindestens fünf Jahren Freiheitsentzug soll etwa dann möglich sein, wenn ein Mörder aus Verzweiflung gehandelt hat, durch schwere Beleidigungen oder Misshandlungen zu Zorn oder vergleichbar heftigen Gemütsbewegungen verleitet wurde.

Die Möglichkeit, die Haftstrafe zu mildern, treibt nun die Kritiker innerhalb der Koalition auf die Barrikaden. „Die Unionsfraktion sieht bei den Tötungsdelikten keinen Reformbedarf“, erklärt die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker kategorisch. „Mord bleibt Mord. Darauf steht zurecht die lebenslange Freiheitsstrafe.“ Daran festzuhalten sei für die Unionsfraktion „unverzichtbar“. Nach Meinung der Rechtsexpertin der Union würde die Einführung eines minder schweren Falles bei Mord und der beabsichtigte Verzicht auf den lebenslangen Freiheitsentzug „einen Teil des Strafrechtssystems komplett auf den Kopf“ stellen.

Das sieht Rüdiger Deckers, der Vizevorsitzende und Strafrechtsexperte des Deutschen Anwaltsvereins, ganz anders. Er und sein Verband setzen sich seit langem für eine Novellierung der Tötungsdelikte im Strafrecht ein. Er bezeichnet gegenüber der Stuttgarter Zeitung die Einführung eines minderschweren Falles von Mord als „wichtigstes Ziel der Reform“, das mit dem Gesetzentwurf aus dem Hause Maas erreicht werde. Deckers sagt, es sei ein „Missverständnis anzunehmen, dass damit die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft“ würde. Er verweist auf die Praxis der Rechtssprechung, in der es bisher schon obligatorisch sei, bei einer verminderten Schuldfähigkeit des Täters das eigentlich vorgesehene Strafmaß auch zu mindern. „Dieser Gesetzentwurf schafft erst die Parameter für eine schulangemessene Bestrafung auch bei Mord.“ Er bescheinigt dem Gesetzentwurf, die bisherigen Probleme bei den Tötungsdelikten „auf er richtigen Ebene – der juristischen – zu lösen“.