Emilie Blasberg war die erste Beamtin in einem Männergefängnis. Heute leitet sie den Vollzugsdienst in Heimsheim.

Heimsheim - Wie oft sie eine Tür am Tag auf- und wieder zuschließt, weiß sie gar nicht. Einen großen Schlüsselbund hat Emilie Blasberg immer bei sich, alle paar Meter versperrt ihr eine Tür den Weg. Tür und Schlüssel – das unterscheidet das Leben „hier drinnen“, im Gefängnis, von „dem da draußen“.

 

„Unsere Aufgabe ist es, das Leben hier drinnen dem da draußen möglichst anzupassen“, erklärt Emilie Blasberg. Sie und ihre 110 Kollegen im Vollzugsdienst arbeiten an der Schlüsselstelle zwischen beiden Welten – ganz wörtlich genommen. Die Strafe für die Gefangenen ist der Freiheitsentzug. Arbeit, Freizeit, ein strukturierter Tagesablauf – innerhalb der Gefängnistore soll das Leben möglichst normal sein.

Die Justizvollzugsbeamten begleiten dieses Leben der derzeit 411 Insassen im Heimsheimer Gefängnis. Wenn morgens die Tür aufgeht, sind sie die ersten Ansprechpartner, tagsüber auf dem Weg zur Arbeit, nachmittags bei der Freizeit, nachts, wenn Alarm geschlagen wird. „Unser Beruf ist der Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen“, sagt Emilie Blasberg. „Das gefällt mir heute noch – und das hat mich damals in den Beruf gebracht.“

Eigentlich wollte sie Krankenschwester werden

Fünf weiße Sterne trägt Blasberg auf ihrer Schulter, sie ist die Chefin aller uniformierten Beamten in der JVA Heimsheim, der Anstaltsleiter ist Frank Jansen. Einige Türen weiter ist Blasberg mittlerweile in ihrem Büro angekommen. Klein und funktional, helle, freundliche Möbel. Die Sonne lacht durch die Fenster, die auch hier vergittert sind. Die Bäume im Heimsheimer Wald wiegen sich im Hintergrund. An ein Sanatorium fühle sich da mancher erinnert, sagt Blasberg und schmunzelt. Vor 38 Jahren war das noch anders. Damals hat sie diesen Beruf ergriffen. Krankenschwester wollte sie eigentlich werden. Zu viele Bewerberinnen hat es aber gegeben. „Und mein Notenschnitt war jetzt nicht so der Burner“, erzählt sie offen. Bei einem Praktikum in einer Ludwigsburger Gaststätte ist sie Beamten der dortigen JVA begegnet. Da kam die Idee: das Frauengefängnis in Leonberg suchte Nachwuchs. Neben dem Schloss hatte die JVA Stammheim damals ein Außenstelle für etwa 60 Frauen. 1979 begann Emilie Blasberg dort.

„Wie 99 Prozent der Bevölkerung hatte ich keine Ahnung von dem Beruf“, erinnert sie sich. Ein Verkehrsschild erinnert in Heimsheim an das Gefängnis, was da aber auf dem grünen Hügel so vor sich geht, weiß niemand so genau. Emilie Blasberg kennt das gut. „In der Politik hat unser Beruf keine Lobby“, sagt sie und ihre freundlichen Gesichtszüge werden ernster. „Und in der Gesellschaft sind wir ein bisschen so wie die Müllabfuhr.“ Auf keinen Fall will sie damit ihre Insassen mit Müll vergleichen, aber: „Genauso, wie die Müllabfuhr, werden auch wir gebraucht – aber keiner will mit uns viel zu tun haben.“ Das Gefängnistor ist also oft auch in Richtung Gesellschaft verschlossen. Umso stärker ist der Zusammenhalt in der Kollegenschaft. Das spürt jeder, der mit Emilie Blasberg durch das Gefängnis läuft. Seit 1998 arbeitet sie in Heimsheim – als Frau und Chefin in einer Einrichtung, in der ausschließlich Männer einsitzen. Denn auch hier ist Emilie Blasberg Pionierin. Vor 25 Jahren suchte das Land BadenWürttemberg zwei „Versuchskaninchen“, wie sie sich selbst nennt.

Die ersten Frauen im Männergefängnis

Eine Kollegin und sie waren die ersten Frauen, die in einem Männergefängnis eingesetzt wurden, damals in Stammheim. „Die Männer hatten schon ein bisschen die Sorge, dass wir nur Büroarbeit machen“, erinnert sie sich und muss wieder lächeln. Natürlich gab es auch die Angst, dass Männer über die Frauen herfallen.

„Aber wenn ich Angst hätte, wäre ich in diesem Beruf eh falsch“, sagt Blasberg. Die Erfahrungen waren schließlich positiv, heute gehören Frauen auch in Heimsheim selbstverständlich dazu. „Der Ton ist anders geworden“, bilanziert Blasberg. „Es ist nicht so der Werkstattton – nach dem Motto: zehn Worte am Tag reichen.“

Nichtsdestotrotz: ein Gefängnis ist kein Mädcheninternat, der Beruf kann gefährlich werden. Durch die Presse ging ein Vorfall im Februar, als ein Häftling kochendes Wasser über eine Kollegin von Emilie Blasberg schüttete. „Da sind dann natürlich alle erst mal geschockt“, erinnert sich die Vollzugs-Chefin. „So was kann uns passieren, nur weil wir unserer Arbeit nachgehen.“ Umso stärker werde nach einem solchen Fall der Zusammenhalt im Kollegenkreis, das Gespräch über verhaltensauffällige Häftlinge, der Austausch mit der Gefängnisleitung, den Psychologen und Sozialarbeitern. Denn ein kleines „Dankeschön“, das kommt nicht nur von der Gesellschaft, auch von den Insassen selten.