Als die Amerikaner 2018 ihre erste italienische Filiale in Mailand eröffneten, war die Skepsis groß. Heute gibt es fast 30 Filialen.

Ein Morgen ohne caffè, also einen Espresso, ist für die meisten Italienerinnen und Italiener undenkbar. Auf dem Weg zur Arbeit machen sie Stop in einer der zahlreichen Bars, an deren Theke sie dann in Trauben stehen, den kleinen Schluck heißen Glücks in sich aufnehmen, um gestärkt in den Tag zu starten. Ein Ritus, der inklusive Bezahlung nur wenige Minuten in Anspruch nimmt.

 

Nicht nur für Touris

So viel Zeit braucht man in einem Kaffeehaus der Marke Starbucks allein zum Bestellen. Einen grande doubleshot Capuccino mit Sojamilch zu ordern, kommt einem daher mitten in Rom fremd vor. Genauso wie die riesige Tasse Heißgetränk, die einem am Ausschank gereicht wird. Und so waren viele skeptisch, als vor fünf Jahren der erste Starbucks Italiens in Mailand eröffnet hat. „Wir kommen nicht hierher, um den Italienern zu zeigen, wie man Kaffee macht. Wir kommen hierher mit Demut und Respekt. Wir wollen zeigen, was wir gelernt haben“, betonte Firmengründer Howard Schultz damals.

Binnen fünf Jahren hat sich Starbucks trotz Pandemie in der Heimat des Espresso ausgebreitet. Bis Ende 2023 soll es 36 Filialen geben. Die südlichste befindet sich derzeit in Neapel. Die erste Filiale in Roms Innenstadt, nur wenige Meter vom Parlament und der Einkaufsstraße Via del Corso entfernt, war Mitte Mai dieses Jahres die 25. Eröffnung in Italien. Zwei Woche später folgten zwei weitere Filialen in der Hauptstadt, strategisch gut gelegen am Bahnhof Termini.

Laut dem Handelsverband Sca Italy werden in Italien täglich 95 Millionen Tassen Espresso gebrüht, 1,6 pro Einwohner. Italien liegt weltweit auf Platz sieben was den Kaffeekonsum betrifft. An jeder Ecke findet man vorzüglichen Espresso für durchschnittlich 1,09 Euro. Vincenzo Catrambone, Hauptgeschäftsführer von Starbucks in Italien, sagte bei der Eröffnung der Filiale in Rom: „Es gibt viel Skepsis aber ich muss sagen, in den Städten in Italien, in denen Starbucks präsent ist, haben wir die Herausforderung gemeistert, und der Espresso ist hier unser Bestseller.“

Moderate Preise

Viele denken, Starbucks in Italien sei hauptsächlich was für Touristen. Katia, die an der Kasse der römischen Innenstadt-Filiale die Bestellung entgegennimmt und sich geduldig den Namen des Kunden buchstabieren lässt, schätzt, dass 25 Prozent der Kunden Italiener sind. Die Preise sind im Vergleich zu Deutschland moderat und an die ortsüblichen angepasst: Ein halber Liter Wasser kostet hier 1,50, einen Grande Cappuccino gibt es für 3 Euro. Der Code für das W-Lan steht auf dem Kassenbon und ist 2 Stunden lang gültig.

Die für Rom dennoch recht teuren Preise sind für Camilla Giovannelli und ihre Freundin Grace Elizabeth Coccia gerechtfertigt. Die jungen Frauen, beide 24 Jahre alt, sitzen vor ihren Laptops und diskutieren über den Inhalt von Graces Abschlussarbeit. „Solche Orte fehlen in Rom, Orte, an denen man sich einfach mal hinsetzen kann und lernen oder arbeiten“, sagt Camilla, die gerade wieder von einem zweijährigen Studienaufenthalt in Holland zurück gekommen ist. „Vor allem jetzt im Sommer, wo auch noch viele Bibliotheken oder die Lernsäle in der Uni zu haben“.

Steckdosen, W-Lan und ein sauberes Klo

Außerdem sei es hier eine entspanntere Atmosphäre. „Hier können wir auch mal über etwas sprechen, in der Bibliothek herrscht ja striktes Schweigen“. Die Vorteile von Starbucks gegenüber anderen Cafés in der Stadt: „Es gibt viele Tische, Steckdosen, ein sauberes Klo, eine Klimaanlage und W-Lan“, sagt Grace. Und der Kaffee? „Schlecht“, sagen beide sofort. Heute steht auf ihrem Tisch auch kein Espresso oder Cappuccino, sondern ein tiefroter Früchte-Drink mit Eiswürfeln darin. „Wir hatten hier auch schon Espresso - aber der ist wirklich nicht von guter Qualität“, sagt Camilla. „Aquato“, lautet ihr strenges Urteil, „wässrig“. „Halt eher im amerikanischen Stil.“

Wie so vieles. Denn wer auch nach 11 Uhr gerne einen Cappuccino trinken möchte, kann das hier bedenkenlos tun – ohne die verwirrten oder gar vorwurfsvollen Blicke des Barista fürchten zu müssen.