Die Regierung reagiert auf die stark gestiegenen Corona-Infektionszahlen. Viele Menschen verlassen die Hauptstadt und wollen aufs Land.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - In Paris hat der große Exodus begonnen. Menschen drängeln sich am Freitag mit ihren Koffern durch die überfüllten Bahnhöfe der französischen Hauptstadt, die meisten Züge sind ausgebucht. Die Menschen wollen zu Verwandten aufs Land. Ausgelöst wurde diese Flucht aus der Stadt durch die Ankündigung des Premierminister Jean Castex, einen vierwöchigen Lockdown über die Region Paris und mehrere andere Teile Frankreichs zu verhängen. „Die Epidemie verschlimmert sich“, hatte der Regierungschef verkündet, nun müsse verhindert werden, dass sie außer Kontrolle gerate. Das Land kämpfe gegen die dritte Welle.

 

Die Geschäfte machen vier Wochen zu

In den betroffenen Regionen müssen ab dem Wochenende für mindestens vier Wochen alle Geschäfte des nicht täglichen Bedarfs schließen. Der Bewegungsradius der Menschen wird auf zehn Kilometer rund um ihre Wohnung eingeschränkt. Die meisten Schulen sollen dagegen offenbleiben. Von 19 Uhr an gilt eine Ausgangssperre für die Nacht.

In Paris herrscht bei vielen Bewohnern allerdings auch Erleichterung. Die Maßnahmen sind nicht mit den Einschränkungen während der ersten Corona-Welle zu vergleichen. Damals durfte man etwa nur für eine Stunde pro Tag die Wohnung verlassen.

Präsident Macron hat lange gezögert

Obwohl in der Region Paris die Zahl der Infizierten in den vergangenen Tagen steil nach oben gegangen ist, haben die Verantwortlichen lange gezögert, die Beschränkungen zu verschärfen und dem Wirtschafts- und Machtzentrum Frankreichs die Corona-Fesseln anzulegen. Beim ersten Lockdown hatte sich zudem gezeigt, dass es schwierig ist, mehr als zwölf Millionen Menschen auf engstem Raum praktisch einzusperren. Die meisten Familien leben in sehr kleinen Wohnung, was zu sozialen Problemen führte.

Schwierig ist die Lage vor allem in den Vororten der Hauptstadt, wo die Inzidenz inzwischen weit über 500 liegt. Homeoffice ist für die ärmeren Schichten dort nicht machbar, da die Menschen ihr Geld oft als Verkäufer in Supermärkten, bei Sicherheitsdiensten oder auf dem Bau verdienen. Das heißt, Millionen Menschen pendeln jeden Tag mit der Métro ins Stadtzentrum.

Fachleute fordern härteren Lockdown

Die Weigerung von Präsident Emmanuel Macron, bereits Anfang des Jahres einen harten und landesweiten Lockdown zu verhängen, wird angesichts der rasant steigenden Zahlen vor allem von Wissenschaftlern scharf kritisiert. Der Staatschef setzt im Kampf gegen die Pandemie nun auf regionale und lokale Beschränkungen. Die Regierung stehe weiter zu diesem Schritt, sagte nun auch Premier Jean Castex. „Wir hätten einen unerträglichen, drei monatigen Lockdown gehabt. Es war richtig, dass wir das nicht gemacht haben.“ Und dann verkündete der Regierungschef eine auch in Frankreich wichtige Entscheidung: die Friseure dürfen weiter öffnen.