Kampf gegen Fachkräftemangel Wie Stuttgart hunderte Plätze für Kita-Kinder schaffen will

Ist noch Platz? Stuttgart lässt jetzt mehr Kinder pro Kita-Gruppe zu. Foto: dpa/Armin Weigel

Um für unversorgte Kinder Kita-Plätze zu schaffen, dürfen Einrichtungen jetzt zwei Kinder mehr pro Gruppe aufnehmen. Mehr Geld soll für das Personal Entlastung schaffen.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Für die einen ist es ein „grandioses“ Ergebnis (Doris Höh, FDP), für andere eine Idee, die Erzieherinnen und Erziehern „die Arbeit noch schwerer machen wird“ (Luigi Pantisano, Linksbündnis). Trotz dieser Ambivalenz beschlossen die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses einstimmig, dass Stuttgarter Kitas ab sofort zwei Kinder mehr pro Gruppe aufnehmen können. Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP), zuständig für Jugend und Bildung, erhofft sich davon hunderte zusätzliche Plätze, um zuerst die knapp 750 Kinder ab vier Jahren, die in keine Kita gehen, versorgen zu können.

 

Erarbeitet haben städtische Mitarbeiter das Konzept in einem Arbeitskreis mit Kita-Trägern sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Einrichtungen und der Kindertagespflege. Jörg Schulze-Gronemeyer, zuständig für die evangelischen Kitas, hält das Ergebnis für „sehr gut und wichtig“, weil es die Situation in den Einrichtungen berücksichtige. Ähnlich sieht es Armin Biermann vom Caritasverband.

Jede Kita entscheidet selbst

Tatsächlich ist die Vergrößerung der Gruppen keine Pflicht, sondern die Mitarbeitenden der jeweiligen Kita entscheiden, ob sie Gruppen haben, in denen zwei Kinder mehr betreut werden können. Das ist nur dann der Fall, wenn der gültige Mindestpersonalschlüssel erfüllt wird. Normalerweise gehen beispielsweise in eine Ganztagsgruppe mit Kindern ab drei Jahren 20 Kinder, für die 2,3 Vollzeit-Fachkräfte sorgen. Das Land Baden-Württemberg erlaubt allerdings seit Dezember, dass maximal zwei weitere Kinder betreut werden dürfen. Von dieser Möglichkeit, die von Bildungsgewerkschaften und Erzieherverbänden kritisiert wird, macht die Stadt nun Gebrauch.

Um den Erzieherinnen und Erziehern den Alltag mit mehr Kindern zu erleichtern, wird die Stadt den Trägern pro zusätzlichem Kind 5500 Euro im Jahr bezahlen. Sie können dafür etwa Personal für „nicht-pädagogische Tätigkeiten“ einstellen. Als Beispiel nennt die Stadt so genannte „Kita-Manager“ (ursprünglich eine Idee der CDU-Fraktion), die Aufgaben wie Eltern-Rundbriefe oder Anwesenheitslisten übernehmen oder auch die Organisation von externen Dienstleistern für Reinigung, Reparaturen und Essensversorgung der Kita. Auch für Schulungen in Verwaltungsarbeit, die die Kita-Leitungen machen, kann das Geld verwendet werden, ebenso für ausländische Zusatzkräfte oder jungen Menschen, die ein freiwilliges soziales Jahr machen. Die Stadt wird das 2023 maximal 3,74 Millionen Euro kosten, was durch den Haushalt des Jugendamtes gedeckt ist.

Stadt erfüllt Rechtsanspruch nicht

In der Diskussion waren sich die Gemeinderäte einig, dass der Vorschlag hilft, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels die dringend benötigten zusätzlichen Plätze zu schaffen – auch wenn unter anderem Jasmin Meergans (SPD) befürchtet, dass durch die höhere Arbeitsbelastung noch mehr Fachkräfte dem Erzieher-Beruf den Rücken kehren.

Aber die Stadt erfüllt – das machte Fezer deutlicht – derzeit für hunderte Kinder unter sechs Jahren nicht den Rechtsanspruch auf Betreuung. Gleichzeitig hätten die jüngsten Bildungsstudien gezeigt, wie wichtig ein Kita-Besuch für den späteren Schulerfolg ist. Deshalb sollen auch zuerst alle unversorgten Kinder ab vier von den neu entstehenden Plätzen profitieren. Wie viele das sein werden, dazu konnte Fezer noch nichts sagen, die Abfrage bei den Einrichtungen laufe. Derzeit gibt es in Stuttgart rund 600 Kitas mit 2000 Gruppen. Waltraud Weegmann vom privaten Kita-Träger Konzept-e dämpfte die Erwartungen als sie sagte: „Von unseren 80 Gruppen können derzeit nur 5 Gruppen zwei weitere Kinder aufnehmen.“

Was passiert nach August 2023?

Auch auf die Frage, was nach August 2023 passiere, wenn die Ausnahmeregel des Landes ausläuft, wusste Fezer keine abschließende Antwort. Sie hofft auf eine Nachfolgeregelung des Landes, denn der Fachkräftemangel werde sich bis dahin nicht lösen.

Nicht ganz glücklich war Elternvertreterin Manja Reinhold, die nicht versteht, warum Eltern im Arbeitskreis nicht vertreten waren. Die Konferenz der Gesamtelternbeiräte hatte zuvor gefordert, dass die Gruppenvergrößerung nur temporär sein darf und die Stadt mehr tut, um Fachkräfte zu gewinnen.

Isabel Fezer betonte, dass die Gruppenvergrößerung nur eine „kurzfristige Lösung“ sei. Man werde im Arbeitskreis weiter überlegen, wie man mehr Fachkräfte gewinnen kann.

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