Der Fellbacher Markus Heid baut in einem Weinberg am Kappelberg wie einst alte Tomatensorten an – die auf große Nachfrage stoßen. Warum er zum Gemüseexperten wurde.

Dass im Weinberg auch Gemüse wächst, war einst normal. „Die Familien waren Selbstversorger und haben jedes Stückchen Land genutzt“, sagt Markus Heid. Der Bio-Wengerter hat die Tradition der Vorfahren wieder aufgegriffen und erntet jetzt die ersten Früchte.

 

240 Tomaten hat Heid im Mai im Lämmler gesetzt, der besten Lage am Kappelberg. Dort wachsen die Pflanzen zwischen jungen Lemberger-Reben, das fürs Anbinden nötige Drahtgerüst ist ohnehin vorhanden. Heid wollte alte Sorten pflanzen. Sie tragen Namen, die schon bei der Aussprache dem Gaumen schmeicheln: Noir de Crimé, San Marzano und Berner Rose. Sie sehen teils wie Gemälde aus – grün, marmoriert, in rötlichem Dunkelbraun oder elegantem Pastell-Rosa, das ins zarte Orange tendiert. Ihre Haut ist mal glänzend, glatt oder samtig, zart und weich. Ihre Formen reichen von klein bis XXL, sie sind kugelig rund, prall und knubbelig, oval, länglich oder apfelgroß. Leichtgewichte wie die Cocktailtomate gedeihen im Rebhang ebenso wie das für einen ordentlichen Salat reichende Ochsenauge. Dass wie beim Wein auch bei der Tomate jede Sorte ein unverwechselbares Aroma besitzt, hat Heid und seine Leute überzeugt. Selbst die „Sacher“ halte mit ihrem fast schon ins schokoladige gehenden Geschmack, was ihr Name verspricht.

Die Idee mit den Tomaten kam im Winter auf, als es bei einer Teamsitzung ums Thema Biodiversität im Weinberg ging. Der neu angepflanzte Rebhang im Lämmler bot sich für einen Versuch an, Erfahrung mit der in Österreich als Paradiesapfel bezeichneten Frucht hatte aber niemand. Jetzt hat das Tomaten-Fieber alle gepackt, auch Sohn Jonas, gerade aus den Abruzzen von einem Weinbau-Praktikum zurück. Regelmäßig müssen die Pflanzen „ausgegeizt“ werden, die in den Blattachseln wachsenden Nebentriebe werden entfernt.

Die Steillage erleichtert ein wenig die Ernte: Wer trittsicheres Schuhwerk hat, muss sich beim Pflücken nicht so bücken. Auch das Wasser-Management ist kein unlösbares Problem. Den jungen Reben scheint die Nachbarschaft zu den Tomaten zu behagen, seit Mai wurde der Weinberg nur viermal bewässert. Nur mit einem blauen Netz musste der Weinberg eingezäunt werden, Markus Heid spricht scherzhaft von einem „Hochsicherheitstrakt“. Denn Hasen und Rehe hatten schnell entdeckt, dass ihnen auch Tomatenpflanzen schmecken. Die Krähen werden mit rot-weißen Bändern und flatternden Metallfähnchen vertrieben.

Trotz hohem Preis schnell ausverkauft

Sogar für die grünen Tomaten hat Caro Herrmanns, die gute Seele im Betrieb, eine Lösung gefunden – in dünne Rädchen geschnitten werden sie süß-sauer wie Gurken eingelegt und kommen im Einmachglas auf den Vespertisch. Bei den roten Tomaten allerdings bleibt kaum etwas übrig. Der intensive Geschmack hat sich in Fellbach schnell herumgesprochen: Bei einem Kilopreis von 7,50 Euro war die auf einem cremefarbenen Piaggio feilgebotene Ernte der vergangenen Woche jüngst in Windeseile ausverkauft.