Albrecht Pflüger ist untrennbar mit Karate in Deutschland verbunden. Der 73-Jährige Träger des achten Dans ist einer der höchstgraduierten Karate-Lehrmeister in Europa. Und auch in Leonberg machte er den Sport bekannt, als er 1964 beim damaligen Turnerbund Leonberg eine Abteilung für japanische Kampfsportarten gründete. Bei Live-Musik stießen die Karateka auf den runden Geburtstag ihrer Abteilung an – und auf die Gürtelprüfungen.

Tabea Klose steckt in der Klemme. Besser gesagt im Schwitzkasten. Doch gelaufen ist die Sache für die Karateka noch lange nicht. Mit einem blitzschnellen Überwurf, gefolgt von einem angedeuteten Faustschlag, einschließlich des obligatorischen Kampfschreis, befreit sich die 24-Jährige aus der misslichen Lage und legt schließlich ihre Kontrahentin aufs Kreuz. Dass sie bei ihren Bewegungen äußerste Gewandtheit erkennen lässt, liegt an der ausgiebigen Vorbereitung. Fast ein Jahr lang hat die junge Frau für die Gürtelprüfung trainiert, um die nächsthöhere Stufe (japanisch: Dan) zu erreichen und sich somit ihren ersten schwarzen Gürtel um die Hüften zu binden.

 

Mit diesem Ansinnen haben 20 Kämpfer bei der von der Karateabteilung der TSG Leonberg ausgerichteten Prüfung ihr Können unter Beweis gestellt. Im Rahmen des Abteilungsjubiläums mussten die Prüflinge in der August-Lämmle-Schule zunächst einmal zeigen, wie es um ihre Grundtechnik steht. Nach dem Schattenkampf (Kata) gegen einen imaginären Gegner wurde es schließlich ernst. Dann gingen sich die Karateka an die Wäsche, allerdings ohne den Gegner zu verletzen. Laut dem Ehrenkodex sind beispielsweise Schläge oder Tritte gegen den Kopf nicht erlaubt. Auch der stellvertretende Abteilungsleiter Harald Schach musste in einer separaten Prüfung ran, um sich seinen mittlerweile fünften Schwarzgurt zu verdienen.

Kritisch beäugt wurde das muntere Treiben auf dem frisch gewachsten Hallenboden von einem fachmännischen Trio. Zum einen war da Sven Mlejnek, Karate-Trainer aus Rottweil, der fünf seiner Schüler zur Prüfung nach Leonberg brachte. Zum anderen saß auch Wolfgang Hagge am Prüfungstisch. Gelernt hat der mehrmalige Deutsche Karate-Meister die japanische Kampfkunst unter Albrecht Pflüger, der ebenfalls mit von der Partie war. Der Leiter der TSG-Karateabteilung, der die Übungen mit einem lauten „Hajime“ (japanisch für „Los“) einläutete, hegte keine Zweifel an den Fähigkeiten seiner Schützlinge. „Wenn sie für den nächsten Schritt nicht bereit wären, dann hätten wir sie nicht zur Prüfung zugelassen“, erklärte er. Schließlich würde ein mögliches Versagen auch negativ auf ihn selbst zurückfallen.

Albrecht Pflüger ist untrennbar mit Karate in Deutschland verbunden. Der 73-Jährige Träger des achten Dans ist einer der höchstgraduierten Karate-Lehrmeister in Europa. Mit seinen Lehrbüchern trug er wesentlich zur Verbreitung der Kampfsportart in Deutschland bei. Und auch in Leonberg machte er den Sport bekannt, als er 1964 beim damaligen Turnerbund Leonberg eine Abteilung für japanische Kampfsportarten gründete. Ins Schwärmen gerät Pflüger, wenn er sich an die Bruce-Lee-Welle Anfang der 70er Jahre erinnert. „Die Leute rannten uns förmlich die Bude ein“, berichtet er. Damals habe der Verein 300 Mitglieder gezählt und nicht selten seien an die 100 Interessierte bei den Anfängerkursen aufgeschlagen. In der Folgezeit ereilte die Karateabteilung aber das gleiche Schicksal, das auch viele andere Vereine teilen: Die Mitgliederzahlen gingen zurück, es fehlte am Nachwuchs. Heute zählt die Abteilung, zu der auch eine Kindergruppe gehört, etwa 80 Karateka.

Obwohl die TSG 1995 einen Deutschen Titelträger hervorbrachte und auch mehrere baden-württembergische Meisterschaften verbuchte, waren für Pflüger die Erfolge auf Wettkampfebene nicht das Entscheidende an seiner Arbeit. „Wichtiger als Titel war für mich immer die ganzheitliche Auffassung von Karate“, sagt der 73-Jährige, der in Leonberg die Stilrichtung Koshinkan unterrichtet. Karate sei eine Schule für die ganze Persönlichkeit, dazu zähle nicht nur das Körperliche, sondern auch das Charakterliche. „Es ist ein Weg, um ein besserer Mensch zu werden“, brachte es der Sensei auf den Punkt. Disziplin steht ganz oben an. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen.

Nicht so genau mit den Regeln nahm es Albrecht Pflüger dafür bei der Jubiläumsfeier im Rutesheimer Uhlenspiegel. Bei Live-Musik stießen die Karateka nicht nur auf den runden Geburtstag ihrer Abteilung an, sondern auch auf die Gürtelprüfung, die Tabea Klose und auch alle anderen Prüflinge mit Bravour gemeistert hatten.