Stuttgarter Hospitäler helfen jungen Patienten aus Krisengebieten auf unterschiedliche Weise. Im Karl-Olga-Krankenhaus etwa werden Schwerverletzte umsonst operiert. Dort hat man die Hilfe für Kinder institutionalisiert, andere Häuser sind zurückhaltender.

Stuttgart - Als der zwölfjährige Omar aus Afghanistan in Stuttgart ankam, konnte er seine Arme und seine Finger kaum mehr bewegen. Mit drei Jahren hatte sich der Junge bei einer Explosion schwere Brandverletzungen am ganzen Körper zugezogen. Inzwischen ist Omar mehrfach operiert, und er kann mit Modellautos spielen, malen und schreiben wie andere Jungen auch. Omar ist über den Verein Friedensdorf International nach Deutschland gekommen, behandelt wurde er im Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart. Die private Sana-Klinik im Stuttgarter Osten ist das einzige Haus in der Landeshauptstadt, das dauerhaft ein Bett für Kinder aus Krisen-und Kriegsgebieten bereithält. „Jedes Jahr behandeln wir ein Kind unentgeltlich“, berichtet Thomas Ebinger, der Chefarzt der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie, auf dessen Initiative die Zusammenarbeit mit der sozialen Organisation zurückgeht. Für die Behandlungskosten, die sich meist auf mehrere Tausend Euro belaufen, kommt das Karl-Olga-Krankenhaus auf, für den Flug und den restlichen Aufenthalt in Deutschland das Friedensdorf.

 

Das Karl-Olga-Krankenhaus hat die Hilfe für Kinder aus Krisengebieten institutionalisiert, andere Häuser sind zurückhaltender. „Wir können keine Behandlung umsonst anbieten, wir sind gehalten, wirtschaftlich zu arbeiten“, sagt beispielsweise Ulrike Fischer, die Sprecherin des städtischen Klinikums. Trotzdem versuche man bei den etwa 20 Anfragen, die jedes Jahr vor allem im Olgahospital eingingen, Abhilfe zu schaffen. „Wir suchen nach einer Finanzierung über soziale Organisationen und über die Angehörigen“, erklärt Fischer. In Absprache mit den Chefärzten lasse sich meist eine Lösung finden. „In so einem Fall rechnen wir dann nicht das Chefarzthonorar ab, sondern den niedrigeren Satz für gesetzlich Versicherte“, erklärt Fischer.

Stuttgarter Hospitäler helfen auf unterschiedliche Weise

Beim Robert-Bosch-Krankenhaus winkt der ärztliche Direktor Dominik Alscher ab: Anfragen gebe es kaum. Das RBK habe sich ohnehin für einen anderen Weg entschieden. „Wir beteiligen uns an der Ausbildung von Ärzten aus Entwicklungs- und Krisenländern.“ In den vergangenen Jahren hätten in Kooperation mit der Robert-Bosch-Stiftung Mediziner aus Nepal, Syrien und Lagos einen Teil ihrer Ausbildung am RBK absolviert. „Wir versuchen die Menschen so zu qualifizieren, dass sie vor Ort Hilfe leisten können.“ Alscher räumt aber ein, dass man in Einzelfällen humanitäre Hilfen organisiere, dies aber nicht bewerben wolle.

Im Marienhospital wurden in jüngster Vergangenheit keine Opfer aus Krisengebieten unentgeltlich behandelt, sagt Sprecher Rainer Kruse. Stattdessen engagiere sich das Krankenhaus für die Malteser Migranten Medizin, die sich um Zuwanderer kümmert, die in der Region Stuttgart leben, aber keine Krankenversicherung haben. „Wir übernehmen notwendige Untersuchungen“, sagt Kruse.

Im Diakonie-Klinikum ist es Farzam Vazifehdan, der Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums, der ohne soziale Organisation im Hintergrund immer wieder Kindern hilft, die in ihren Heimatländern keine adäquate Behandlung bekommen können. Jüngst hat der gebürtige Iraner ein 14 Jahre altes Mädchen aus dem Kosovo operiert, dessen Eltern um Hilfe nachgefragt hatten. Das Kind litt an einer schweren Wirbelsäulenkrümmung. In den Jahren zuvor hatte Vazifehdan immer wieder Kinder aus der Ukraine operiert, die an Muskeldystrophie, einer schweren Muskelerkrankung leiden, und die vor der Operation kaum mehr gehen und sitzen konnten. „Wenn eine Anfrage bei uns landet, frage ich mein Team, wer bereit ist, an einem bestimmten Tag nach Feierabend zu bleiben und zu operieren, und es finden sich immer genügend Kollegen“, erzählt der Chefarzt. Im Vorfeld telefoniert Vazifehdan mit den Firmen, die die Implantate liefern. „Die Unternehmen kommen uns meist entgegen, und wir müssen dann über Spenden nur einen Teil der Kosten für die Implantate aufbringen.“

Der Chefarzt freut sich, den Kindern helfen zu können: „Die Mädchen und Jungen wachen aus der Narkose auf und sind glücklich.“ Diese Freude erlebe man bei Erwachsenen nicht mehr. „Die Erwachsenenchirurgie ist zur reinen Dienstleistung geworden“, sagt Vazifehdan.

Kooperation mit dem Verein Friedensdorf International

Sein Kollege Thomas Ebinger hat Omar inzwischen aus der Klinik entlassen. Der Junge hat zwar immer noch ein entstelltes Gesicht, aber er kann seine Augenlider wieder öffnen und schließen, seine Oberlippe hängt nicht mehr nach unten und die Nasenlöcher sind frei. „Wir können nicht alles korrigieren, dazu sind die Brandverletzungen zu großflächig“, sagt Ebinger. An den Armen haben er und sein Team Verbrennungsnarben entfernt und gesundes Hautgewebe eingepflanzt. „Das sind bewährte Operationsmethoden, die zum Beispiel möglich machen, dass Omar seinen Ellenbogen wieder strecken kann“, sagt der Mediziner. Insgesamt sechs Kinder aus Afghanistan hat Ebinger in den vergangenen Jahren operiert, einer davon ist der neunjährige Farzad, dessen Finger einer Hand nach einer Explosion ineinander verwachsen waren. Von Farzad bekommt Ebinger inzwischen regelmäßig Mails aus Afghanistan. In der letzten hat Farzad geschrieben, dass er Polizist werden wolle. „Man kann den Kindern helfen, das ist super.“

In Baden-Württemberg sind es ein Dutzend Kliniken, in der Region Stuttgart weitere zwei, die mit dem Friedensdorf zusammenarbeiten und Kinder aus Afghanistan, dem Kaukasus, Angola, Gambia und Nigeria unentgeltlich behandeln. „Viele Häuser sind uns seit Jahren treu“, sagt Claudia Peppmüller vom Friedensdorf. Die meisten behielten ihr soziales Engagement bei, obwohl der wirtschaftliche Druck gestiegen sei. Vor 20 Jahren allerdings seien die Kinder, die meist mehrfach operiert werden müssen, die gesamte Behandlungszeit über in den Krankenhäusern geblieben. „Heute kommen sie zwischen den Operationen ins Friedensdorf, damit die finanzielle Belastung für die Kliniken nicht noch größer wird“, erzählt Peppmüller.