Es mutet an wie ein Stück aus dem Tollhaus: Die Kripo in Karlsruhe hat eine zwölfköpfige Bande dingfest gemacht, die vermutlich über Monate hinweg Diesel geklaut hat. Die Diebe tankten direkt an der Quelle – in Karlsruhes Raffinerie.

Karlsruhe - Es mutet an wie ein Stück aus dem Tollhaus. Vergangene Woche machte die Kripo in Karlsruhe eine zwölfköpfige Bande dingfest, die vermutlich über Monate hinweg Diesel abgezapft hatte. Die Diebe tankten direkt an der Quelle – in Karlsruhes Raffinerie, die als eine der größten in ganz Deutschland gilt. Sie taten das zudem gleich in ganz großem Stil: die Männer fuhren mit dem Tanklaster vor.

 

Wer in einer der gängigen Suchmaschinen im Internet – wie etwa Google – das Stichwort „Treibstoffdiebstahl“ eingibt, bekommt gleich auf Anhieb mehrere Tausend Treffer. Fast 22.000 Fälle von Autofahrern an Tankstellen, die Sprit einfüllen und ohne Bezahlung weiterfahren, meldete kürzlich das Landeskriminalamt im nordrhein-westfälischen Düsseldorf – zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Bundesweit sind es rund 85.000 derartige Vorgänge: alles in allem also längst kein Kavaliersdelikt.

Hochkonspirativ und gut organisiert

Warum kleckern und nicht gleich richtig klotzen? Das dachte sich wohl auch die zwölfköpfige Diebesbande, mit dem jetzt verhafteten mutmaßlichen 40-jährigen Kopf und Absatzorganisator der Bande aus dem pfälzischen Ludwigshafen. Mit der rechtsrheinisch gelegenen Mineralölraffinerie (MiRO), am westlichen Stadtrand von Karlsruhe war die Verlockung offenbar doch zu groß. „Die Täter gingen hochkonspirativ, und gut organisiert vor“, urteilt der ermittelnde Karlsruher Oberstaatsanwalt.

Insider sprechen von rund 1500 Tanklastwagen, die tagtäglich – von Montag bis Samstag – auf das weitläufige Raffineriegelände ein- und ausfahren. Zwei Drittel des Sprittransports werden über die Straße abgewickelt, der Rest über Schienen- und Schifffahrtswege. 350.000 Liter Diesel kamen nach den bisherigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft in Karlsruhe in den vergangenen Monaten abhanden, seit wann genau ist ungewiss. So viel allerdings weiß man: seit dem Frühjahr wurden bei Mengenkontrollen Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Doch seit den Festnahmen kommen „jeden Tag neue Erkenntnisse hinzu“, sagt der Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring auf Anfrage. Auch der „fragliche Zeitpunkt“ könnte sich weiter ausdehnen, möglicherweise fand der Spritklau auch schon seit dem vergangenen Jahr statt. Ein durchschnittlicher Tanklaster hat ein Fassungsvermögen von rund 30.000 Liter. Zugelassen auf der Straße sind Lastwagen mit einem Fassungsvermögen bis 45 .00 Liter Ladung.

Hohe Sicherheitsstandards

Folglich muss, so der Schluss, in dem fraglichen Zeitraum unter den wöchentlich bis zu 10.000 Transportern jede Woche ein Tanklaster gewesen sein, der illegal das Gelände der MiRO verließ. Kenner der Örtlichkeiten und des Betriebsablaufs bescheinigen der Raffinerie hohe Sicherheitsstandards. Das Gelände – mit seinen zwei Verladetoren – wird zudem videoüberwacht. „Es müssen Leute beteiligt gewesen sein, die auf dem Gelände tätig waren“, erklärt der Oberstaatsanwalt.

Die MiRO selbst spricht in einer Mitteilung von der Festnahme von vier Mitarbeitern „von zwei der innerhalb des Geländes tätigen Partnerfirmen“. Neben den rund 1000 Mitarbeitern der Raffinerie sind teilweise ganzjährig annähernd nochmals so viele Personen auf dem Areal tätig. Vor Ostern waren für eine Generalrevision der Anlagen zeitweilig sogar bis zu 2800 externe Mitarbeiter auf dem Gelände. Für weitere Auskünfte war die Geschäftsleitung der MiRO am Donnerstag nicht erreichbar. In der Raffinerie hätten die Festnahmen „ziemlich viel Wirbel“ gemacht, heißt es aus Ermittlerkreisen. Zusammen mit dem 40-jährigen Hauptverdächtigen sitzen auch zwei weitere „dringend tatverdächtige Hauptpersonen“ im Alter von 39 und 43 Jahren inzwischen in Untersuchungshaft.

Auch wenn offenbar erste Teilgeständnisse vorliegen, weiß die ermittelnde Kriminalpolizei bislang noch wenig über die mutmaßlichen Absatzwege – die vermutlich auch nicht unbedingt in 100-Liter-Chargen abgegeben wurden. „Die Ermittlungen sind sehr umfangreich“, heißt es knapp. Der entstandene Schaden wird auf bis zu 500 000 Euro beziffert. Nach den Festnahmen in der vergangenen Woche wurde bei Durchsuchungen in insgesamt 14 Objekten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Dem im Zentrum stehenden Tätertrio drohen Haftstrafen bis zu zehn Jahren.