Karriere mal anders in Leonberg-Höfingen Wie ein BWL-Student die Erfüllung im Metzgerberuf findet

Immer nur am Laptop zu sitzen ist ihm zu langweilig: Max Pecoroni hat seine neue Berufung als Metzgermeister im Familienbetrieb Hess in Höfingen gefunden. Foto: Simon Granville

Max Pecoroni ist fast schon in der Industrie. Dank der Liebe entdeckt er die Kreativität des Fleischerhandwerks. Jetzt ist er einer der besten Absolventen der Meisterschule und schickt sich an, die Traditionsmetzgerei Hess in Leonberg-Höfingen zu übernehmen.

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Die Liebe geht mitunter nicht nur wundersame Wege. Nein, sie verändert auch ganze berufliche Laufbahnen. So hätte Max Pecoroni vor fünf Jahren sich kaum vorstellen können, dass er einmal einen klassischen Handwerksberuf erlernen wird. Damals studierte der junge Mann in Stuttgart Betriebswirtschaftlehre und Chinesisch als Fremdsprache. Aussichtsreiche Perspektiven, um in der nach Fernost orientierten Exportindustrie einen lukrativen Job zu bekommen.

 

Und alles lief nach Plan. Nach dem Bachelor-Abschluss schnupperte Max bei Mercedes hinein. Da wäre er womöglich noch heute. Wenn, ja wenn ihm nicht bei einer Mai-Feier vor fünf Jahren Marlen Hess über den Weg gelaufen wäre. Die junge Mitarbeiterin in einer Steuerberatungskanzlei aus dem Leonberger Stadtteil Höfingen und der aufstrebende Betriebswirt aus Stuttgart lernten sich nicht nur kennen, sondern auch lieben.

Und damit änderte sich das Leben des heute 28-Jährigen grundlegend. Denn seine neue Freundin war eine von drei Töchtern der Familie Hess, die eine weit über die Stadtgrenzen Leonbergs hinaus bekannte Metzgerei betreibt. Hier wird noch selbst geschlachtet, die Tiere kommen aus der unmittelbaren Umgebung. „Durch Marlen war ich mit dem Betreib in Kontakt gekommen“, erinnert sich Max Pecoroni an das für ihn so ungewohnte Umfeld. „Das war etwas ganz anderes als ständig nur vor dem Laptop sitzen. Viel spannender.“

Immer mehr stieß der junge Mann in eine fremde Welt vor und lernte, welche Kunst es ist, eine geschmackvolle Wurst zuzubereiten, oder welche Teile eines Rindes für Steaks geeignet sind. „Das Wursten hat mir einen riesigen Spaß gemacht“, sagt Max. „Ich habe gelernt, wie kreativ man mit Gewürzen umgehen kann, und die Freude erlebt, wenn es am Ende den Kunden schmeckt.“

Keine Angst vorm Schlachten

Immer mehr wurde dem einstigen BWL-Studenten klar, dass seine eigentliche Berufung in einem nachhaltigen Metzgerhandwerk besteht. Nur beim Schlachten, da war sich Max Pecoroni unsicher: „Kann ich das?“ Er probierte es aus, und es funktionierte gut. „Es gibt keine Hektik und keine schnellen Bewegungen. Jeder Handgriff sitzt“, schildert er die Arbeit im eigenen Schlachtbereich, den der Firmenchef Roland Hess nach EU-Richtlinien ausgebaut hat. „Die Tiere müssen nicht lange warten, da kommt bei ihnen keine Angst oder Unruhe auf.“ Für Max war klar: „Hier liegt meine Zukunft.“ Im Alter von 25 Jahren fing er eine Ausbildung an der Fleischerschule in Stuttgart an. Durch Abitur und Studium dauerte sie nur anderthalb Jahre. In dieser Zeit verfestigte sich auch die Beziehung zwischen ihm und Marlen Hess. Immer mehr kristallisierte sich heraus, dass die beiden das ideale Paar sind, um die 1956 begonnene Metzgerei-Tradition in Höfingen fortzusetzen.

Hartes Pensum an der Meisterschule

Doch um dereinst in die Fußstapfen des großen Chefs zu treten, muss Max den Meister machen. Er zaudert nicht lange und geht direkt nach der Ausbildung auf die renommierte Meisterschule in Augsburg, die bundesweit als eine der besten gilt.

Die angehenden Meister kommen aus ganz Deutschland. Die Pensum ist hart, gebüffelt wird täglich von 7.30 bis 17.30 Uhr. Billig ist die Meisterschule auch nicht. Knapp 6000 Euro kostet die Teilnahme, zuzüglich den Materialien für die Prüfung.

Das meisterliche Wissen ist umfangreich: Neben dem klassischen Handwerk müssen die Schüler – es sind tatsächlich nur Männer – zum Beispiel lernen, wie Fleisch auch ohne Kühlung gelagert werden kann. Betriebswirtschaftliche und kaufmännische Kenntnisse werden ebenfalls verlangt. Hier hilft dem Höfinger sein BWL-Studium.

Bald gibt’s vegetarische Ćevapčići

Die Anstrengung lohnt sich: Am Ende gehört Max Pecoroni unter den gut 50 Teilnehmern zu den zehn Besten. Für den Notendurchschnitt von 1,3 bekommt er den Meisterpreis der bayerischen Staatsregierung verliehen, unterzeichnet vom bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Die Weichen für die Zukunft sind gestellt. Max und Marlen arbeiten beide im Betrieb mit und setzen schon erste Akzente. Der Essensautomat im 24-Stunden-Betrieb hat sich zum Renner entwickelt. Auch wollen die beiden einige vegetarische Angebote machen: Maultaschen und Grillkäse sind jetzt schon sehr gefragt, demnächst kommen vegetarische Ćevapčići dazu.

„Aber die allermeisten unserer Kunden möchten natürlich Fleisch“, sagt Pecoroni. „Ihnen geht es um Qualität, Regionalität und Tierwohl.“ Dafür seien sie auch bereit, ein bisschen mehr zu bezahlen. „Manche kommen nun nur noch einmal die Woche anstatt zweimal. Aber die Qualität muss stimmen.“

Wann das junge Paar das Ruder komplett übernimmt, ist noch nicht ganz ausgemacht. Noch ist Roland Hess das Gesicht und Aushängeschild seines Betriebs, der gerade in hektischen Tagen – wie zuletzt bei dem Pferdemarkt und der Fasnet –, an denen die Aufträge nicht enden wollen, den Überblick behält. Doch der Seniorchef gönnt sich jetzt schon mal öfters einen Urlaub: „Die Jungen, die machen das schon“, sagt er, wohl wissend, dass sein Lebenswerk in guten Händen ist.

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