Katie Melua begrüßt als Gäste bei ihrem Stuttgarter Konzert Roger Cicero und Till Brönner. Die reißen den Abend bei den Jazz-Open aber auch nicht mehr raus.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Später am Sonntagabend wurde es noch richtig interessant. Der vorzügliche Fernsehsender Arte strahlte kurz vor Mitternacht eine audiovisuell glänzend gemachte Dokumentation über das britische Festival All tomorrow’s Parties aus, bei der unter anderem die Musikerinnen Beth Ditto von Gossip, Karen O von der New Yorker Band Yeah Yeah Yeahs, Patti Smith und Beth Gibbons von Portishead zu Wort kamen – und vor allem auch sangen. Zu sehen gab es musikalische Expressivität (Gossip), Extrovertiertheit (Yeah Yeah Yeahs), Intensität (Patti Smith) und Entrücktheit (Portishead). Zu hören gab es vier – jede auf ihre eigene Art – brillante Singstimmen.

 

Zuvor am Abend fiel als erstes auf, dass das Land die Fahne ausgetauscht hat, die über dem Neuen Schloss prangt. Reichlich zerfleddert vom Unwetter flatterte sie am Donnerstagabend im Wind über dem Schlossplatz, korrekt und adrett sah sie am Sonntagabend aus. Sie knatterte allerdings auch nicht mehr im Sturm, sondern hing schlaff herunter. Darunter stand Katie Melua auf der Bühne und erzählte im Verlauf des voll besetzten Konzerts, wie schön es sei, mit ihren guten alten Freunden aus der Begleitband zu spielen, was allerdings in bemerkenswertem Gegensatz zu dem Umstand zu betrachten war, dass die Geigerin ausschließlich und die anderen drei Bandmitglieder häufig vom Blatt spielten.

Dezent gestopfte Trompetenklänge

Nanu, kommen da Erinnerungen an Katie Melua vor zwei Jahren auf, ein Konzert das, gelinde gesagt, ein wenig unterprobt wirkte? Nein, so war es nicht, die Herren an Steinway, E- und Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug verrichteten gediegen ihre Arbeit, die Streicherin untermalte all dies mit ein wenig Süße, zwischenzeitlich kam Till Brönner an der dezent gestopften Trompete zum Einsatz, der neben dem Sänger Roger Cicero zweite Stargast des Abends. Die Sängerin und Gitarristin Katie Melua interpretierte in mildem Abendsonnensound ihre größten Erfolge, griff bei vier der rund zwanzig Songs zur Gitarre, einmal sogar, man höre und staune, zu einer elektrischen. Zwischendurch richtete Roger Cicero ans Publikum einige Worte, parierte aber artig Meluas Frage „You didn’t tell them anything rude?“ mit einem entsetzten „selbstverständlich nicht“ – und dann wurde „What a wonderful World“ im Duett gesungen, jenes Lied, bei dessen Ansage Katie Melau nicht gänzlich zu Unrecht konzedierte, dass er schon so viele Male gesungen worden sei.

Die eingangs erwähnte Beth Gibbons zählt neben Polly Jean Harvey und Lisa Gerrard zu den drei besten in Großbritannien lebenden aktiven Sängerinnen – und allerspätestens als man ihr wunderbar vielschichtiges, nachdringlich flehendes Organ dann am Abend bei Arte hörte, wurde überdeutlich, was für Welten zwischen ihr und der ebenfalls in Großbritannien lebenden gebürtigen Georgierin Katie Melua liegen. Knapp anderthalb Oktaven vermag Melua vielleicht zu singen, in den unteren Mezzosopranlagen und in ruhigeren Momenten gefällig, in den höheren Lagen allerdings ohne sonderliche Durchschlagskraft und fast schon unangenehm spitz; auch deswegen bleibt der Eindruck, dass man auf dem Schlossplatz schon weitaus Beeindruckenderes gehört hat.