Keine Straßenblockaden mehr Letzte Generation ändert ihre Strategie – gut so!

Bei der Blockade am 22. Dezember beim Rotebühlplatz in Stuttgart blieben die Autofahrer völlig gelassen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Nach gut zwei Jahren wollen die Klimaaktivisten der Letzten Generation sich nicht mehr an Straßen festkleben. Der Schritt ist richtig. Zugleich könnte es der Anfang vom Ende der Bewegung sein, kommentiert unsere Autorin Julia Bosch.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Ärger, Unverständnis, Geld- und Haftstrafen: In den vergangenen Monaten hat sich überdeutlich gezeigt, dass die Letzte Generation keinen breiten Rückhalt in der Gesellschaft genießt. Zwar haben die Aktivisten, die sich an Straßen festgeklebt, Flughäfen blockiert und Kunstwerke mit Farbbeuteln oder Kartoffelbrei beworfen haben, immer wieder betont , dass es ihnen auch nicht darum gehe, gemocht zu werden. Doch auch bei ihren erklärten Zielen hat die Letzte Generation nicht viel erreicht .

 

Bei den bisherigen Forderungen – Tempolimit auf Autobahnen und Neun-Euro-Ticket – hat sich auch nach zwei Jahren des Protests nichts bewegt. Kaum ein Politiker äußert öffentlich Verständnis für die Letzte Generation. Man könnte also schlussfolgern: Die Aktivisten sind gescheitert. Sie sind gegen Wände gerannt, ohne Effekt.

Hohe Sichtbarkeit für kleine Gruppe

Doch dieses Fazit wäre nicht vollständig. Es verging seit der Gründung der Bewegung vor gut zwei Jahren kaum ein Tag, an dem die Letzte Generation – und damit auch die Klimaerwärmung – nicht in den Medien vorkam. Die Aktivisten saßen in etlichen Talkshows, wurden in Zeitungen, im Radio, in Podcasts interviewt, Kommentatoren arbeiteten sich an ihnen ab.

Die Gruppe hatte und hat eine hohe Sichtbarkeit, obwohl sie nur wenige hundert Personen in Deutschland umfasst. Das sind viel weniger als etwa Fridays for Future, mit denen zeitweise mehr als eine Million Menschen in Deutschland auf die Straße gingen.

In Freiheit könne man mehr erreichen als im Knast

Dass die Letzte Generation nun ihre Strategie verändert – weg von den Straßenblockaden und der maximalen Aufmerksamkeit, hin zu „ungehorsamen Versammlungen“ und einem verstärkten Fokus auf Politiker und Entscheider – zeigt: Die Aktivisten haben erkannt, dass sie außer den imposanten, aber auch immer gleichen Medienbildern nichts erreichen. Und schon gar nicht, wenn sie im Gefängnis sitzen. In Freiheit könne er mehr bewirken, meinte erst vor wenigen Tagen Moritz Riedacher, ein Sprecher der Letzten Generation, der inzwischen zu 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Diesem Lernprozess Taten folgen zu lassen, ist der Gruppierung positiv anzurechnen.

Die Frage ist: Was stattdessen? Es beginne „eine neue Ära unseres friedlichen, zivilen Widerstandes“, heißt es. Die Aktivisten wollen den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier jetzt dazu bringen, „öffentlich und ehrlich über die Klimazerstörung und das notwendige Umsteuern zu sprechen“. Der sei „hoch angesehen und eine neutrale Instanz“. Zugegebenermaßen wirkt das ziemlich planlos. Denn es mangelt in der Bevölkerung nicht mehr an Wissen über die Klimakrise.

Braucht es vielleicht doch etwas Beliebtheit?

Es kommt nun stark darauf an, wie die neue Strategie in der Praxis ausgestaltet wird. Von März an soll diese gelten. Ob die Aktivisten bis dahin noch Aktionen im alten Stil durchführen, verraten sie derzeit nicht.

Unterdessen stellt sich die Frage, ob eine gewisse Akzeptanz oder gar Popularität in der Bevölkerung nicht doch das Ziel sein müsste, um etwas zu bewegen – so wie dies bei Fridays for Future der Fall war bis zu Greta Thunbergs Pro-Palästina-Äußerungen. Erhält die Letzte Generation weiterhin keinerlei Rückhalt, könnte dies der Anfang vom Ende der Gruppe sein . Dass sich kürzlich zwei Gründungsmitglieder, Henning Jeschke und Lea Bonasera, aus dem Strategieteam zurückgezogen haben, spricht dafür.

Erschwerend kommt hinzu, dass solche Protestbewegungen heute alle eher kurzlebig sind, siehe Anonymous, siehe Black Lives Matter. Auch die Proteste gegen Rechtsextremismus bleiben wohl nicht dauerhaft so groß wie aktuell. Das bedeutet aber nicht, dass ein Anliegen irrelevant geworden ist.

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