Die Herkunft der Tropfen gewinnt bei Käufern an Gewicht, sagt Weinbauverbands-Geschäftsführer Werner Bader. Vor allem die Württemberger Weine würden momentan aber noch unter Wert verkauft.

Kernen – - Der Stettener Pulvermächer bleibe seine Sandkastenliebe, sagt Werner Bader, der in Stetten wohnende Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg. Und er äußert sich zu strukturellen Veränderungen in der Weinlandschaft, dem 2013er-Jahrgang und den Folgen der EU-Bestimmungen für die Weinwelt.
Herr Bader, Sie sind ja Remstäler, wohnen quasi vis-a-vis vom Pulvermächer – da interessiert es natürlich erst einmal, welche Tropfen Sie persönlich bevorzugen?
Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Das hängt zum Beispiel ab von der Jahreszeit, dem begleitenden Essen oder von meiner Stimmung. Ich schätze aber auf jeden Fall die Württemberger Vielfalt. Es darf gerne ein traditioneller Riesling oder ein Trollinger sein, aber auch mal ein vermeintlich neumodischer Sauvignon blanc oder ein Syrah aus schwäbischen Weinbergen. Wenn Sie nach der persönlichen Geschmacksrichtung fragen, so dürfen Sie mir ein sehr trockenes Viertele eingießen, gerne einen Wein mit Ecken und Kanten. Und der Pulvermächer ist und bleibt natürlich meine Sandkastenliebe!
Die Weinlese hat begonnen, was erwarten Sie vom Jahrgang 2013?
Vor allem viel Genuss! Die wahre Qualität kann erst beurteilt werden, wenn der Jahrgang im Fass liegt. Die bisherigen Voraussetzungen sind aber sehr gut. Es gab zwar wenig laue Sommernächte, aber für den Wein ist das gut. Insofern freuen wir uns auf finessenreiche, aromatische Weine. Vor allem hoffen wir aber auf einen rasanten Endspurt des Altweibersommers! Schließlich entscheidet sich die Weinqualität maßgeblich auf der Zielgeraden.
In Württemberg tun sich speziell einige Genossenschaften – Stichwort in unserer Nachbarschaft Remstalkellerei – schwer. An was liegt es, am Markt oder an Betriebsstrukturen?
An beidem. Der Weinbau steckt mitten in einem starken Strukturwandel. Generell nimmt die Zahl der Weinbaubetriebe ab - vor allem im Bereich Nebenerwerb, der ja eine tragende Säule des Weinbaus in Württemberg, speziell der Weingärtnergenossenschaften darstellt. Die verbleibenden Betriebe werden größer, bewirtschaften mehr Fläche, arbeiten noch professioneller und machen immer bessere Weine. Dieser Trend zeichnet sich auch bei den Weingärtnergenossenschaften ab. Im Heilbronner Unterland wird hier schon länger kooperiert und fusioniert. Kleinere Genossenschaften tun sich zunehmend schwer, weil sich dringend notwendige Preissteigerungen am Markt kaum umsetzen lassen. Auf der anderen Seite steigen die Kosten. Durch Zusammenarbeit verspricht man sich Rationalisierungseffekte und Entspannung auf Kostenseite. Doch natürlich ist eine Kooperation oder Fusion nicht zwangsläufig ein Allheilmittel und oft ringen lokale Emotionen gegen betriebswirtschaftliche Entschlüsse. Letztlich braucht es im Einzelfall einen langfristigen Plan, der den Wengertern ein Traubengeld ermöglicht, mit dem sie zufrieden sind.
Wo liegen allgemein momentan die Knackpunkte in der Weinbaulandschaft?
Nun, ich würde mir wünschen, dass dem Wein aus Württemberg das Renommee zukommt, das er verdient hat. Wir werden teilweise sozusagen unter Wert verkauft, da wäre ein wenig mehr Selbstbewusstsein kein Fehler. Die Weinqualität hat in den letzten 10, 20 Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Das ist groß- und einzigartig! Als Geschäftsführer des Weinbauverbandes bin ich echt stolz auf die Leistung unserer Wengerter, für die ich mir vor allem ein gutes Einkommen wünsche, sodass sich die Bewirtschaftung der Weinberge auch finanziell dauerhaft lohnt. Davon profitieren letztendlich alle, denn was wäre unsere Kulturlandschaft ohne den Weinbau? Was wäre die Gastronomie ohne spannende Weine aus der Region? Ein weiterer Knackpunkt ist der Generationswechsel. Derzeit drängt eine junge Generation nach oben. Der „Württemberger Nachwuchs“ ist hervorragend ausgebildet, viele haben ein Auslandssemester in Übersee absolviert. Da sind echt gute Typen dabei, die ganz genau wissen, was sie wollen.
Wie wird sich der Weinmarkt entwickeln. Droht da weiteres Ungemach im EU-Rahmen?
Aktuell verzeichnen wir ein gemächlich steigendes Interesse an deutschen Weinen, speziell auch bei jungen Leuten. Wir beobachten auch, dass die Regionalität, sprich die Herkunft, als Argument bei der Kaufentscheidung ein größeres Gewicht bekommt. Beides ist positiv! Als positiv werten wir auch den Ausgang der langwierigen, jahrelangen politischen Diskussionen auf EU-Ebene. Sie sprechen hier die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik an und ganz konkret den Anbaustopp für Reben. Wie ich meine, konnte auch infolge einer guten Zusammenarbeit zwischen Weinbauverbänden und Landes- sowie Bundesregierung ein guter Kompromiss erreicht werden. Die von vielen Seiten befürchtete völlige Liberalisierung des Weinanbaus wird es nicht geben. Andererseits kann die jetzige starre Anbauregelung für Reben ein wenig flexibilisiert werden. Die ausgehandelte Neuregelung greift voraussichtlich ab Januar 2016 und sie ermöglicht aus meiner Sicht vor allem eines: ein moderates Wachstum für Betriebe, die wachsen wollen, ohne auf der anderen Seite den Strukturwandel auszubremsen. Gleichzeitig bietet sie Planungssicherheit, denn das neue Pflanzsystem gilt bis 2030. Dies war in den Verhandlungen ein wichtiger Punkt für uns, die Rebe ist ja schließlich eine Dauerkultur. Da müssen unsere Betriebsleiter schon langfristig planen können. Und was mögliches Ungemach aus Brüssel anbelangt, bleiben wir weiter wachsam!
Zurück zu den Wurzeln. Welche Unterschiede gibt es im Blick vom Remstal auf die Weinwelt zur Perspektive aus Weinsberg?
Weintouristisch ist das Remstal durchaus wegweisend. Einer unserer Arbeitsschwerpunkte ist ja die Förderung des Weintourismus. Es gibt eine zunehmende Nachfrage nach erlebnisintensiven Naherholungsangeboten vor der Haustüre beziehungsweise nach einem genussreichen Kurzurlaub in den Weinbauregionen. Von diesem Trend können unsere Weinbaubetriebe profitieren und sich ein zweites Einkommensstandbein aufbauen. Viel Gutes ist schon passiert, doch die Entwicklung muss noch weiter gehen. Wir brauchen mehr Erlebnisangebote auch in den Weinbergen. Leider werden Baupläne für Übernachtungsmöglichkeiten oder Vinotheken und Ausschankmöglichkeiten im sogenannten Außenbereich aus unserer Sicht noch zu oft nicht genehmigt. Da schreitet das Remstal in wichtiger Eintracht mit Kommunen, Hotellerie und Gastronomie mutig voran. Positiv sehe ich auch die Zusammenarbeit zwischen Genossenschaften, Selbstvermarktern und Kellereien. Das funktioniert im Remstal ganz gut, anderswo darf daran noch gefeilt werden. Denn nur wenn wir alle an einem Strick in dieselbe Richtung ziehen, kommen wir gemeinsam vorwärts
Die Fragen stellte Harald Beck.