Horst Steffen, der Trainer der Stuttgarer Kickers, spricht im StZ-Interview über seinen Führungsstil, seine Fußballphilosophie und seine Ziele bei dem Stuttgarter Drittligisten.

Sport: Joachim Klumpp (ump)
Stuttgart - - Der neue Kickers-Trainer Horst Steffen bestreitet am Samstag gegen Rostock seine Heimpremiere. „Ein Sieg wäre wichtig“, sagt er angesichts des drittletzten Tabellenplatzes. „Wenn’s sein muss auch mit langen Bällen.“
Herr Steffen, einmal angenommen, Sie würden nicht auf der Trainerbank sitzen, sondern auf dem Stuhl bei „Wer wird Millionär?“: Würden Sie dann die klassische Variante wählen, oder eher das Risiko – ohne den Sicherheitspuffer bei 16 000 Euro?
Ich muss zugeben, dass ich die Sendung gar nicht so genau kenne.
Anders herum gefragt: sind Sie von ihrem Naturell her eher ein sicherheitsorientierter oder ein risikobereiter Mensch?
Die Frage habe ich schon verstanden. Natürlich ist die Nachwuchsarbeit bei einem Bundesligisten weniger risikobehaftet als der Job hier – man ist raus aus der Komfortzone. Insofern bin ich ein Wagnis eingegangen. Das habe ich bewusst gemacht, auch wenn ich ein Mensch bin, der eine gewisse Stabilität im Leben braucht. Und wenn beides zusammenkommt, sollte etwas Vernünftiges dabei herauskommen.
Speziell bei den Kickers war Ihr Job zuletzt ein Schleudersitz mit sechs Trainern in zwölf Monaten. Was hat Sie dennoch bewogen, gerade hierher zu kommen?
Zunächst einmal das Gespräch mit Michael Zeyer, dann das mit dem Präsidenten – und schließlich, dass ich die Mannschaft auf Video gesehen und das Gefühl hatte, du kannst da was bewegen. Dazu gab es mit 44 Jahren die Herausforderung Drittligafußball. Ich habe sicher nicht daran gedacht, wie viele Trainer der Verein zuletzt entlassen hat, sondern nur: Ich habe die Qualität und den Fleiß und die Überzeugung, hier etwas erreichen zu können.
Sie haben Michael Zeyer erwähnt, mit dem Sie in Duisburg zusammen gespielt haben. Hatten Sie schon länger wieder miteinander zu tun?
Es war immer ein loser Kontakt vorhanden und wir hatten auch stets eine gewisse Sympathie füreinander, aber es war kein permanenter Austausch, der kam erst jetzt über Michael Zeyer, der mich anrief. Da haben wir dann gemerkt, dass wir ähnliche Vorstellungen vom Fußball haben.
Hat es Sie irritiert, dass Guido Buchwald unter anderem wegen Ihrer Verpflichtung aus dem Präsidium zurückgetreten ist?
Ich habe es zur Kenntnis genommen, kann aber nichts dazu sagen, weil ich Guido Buchwald nicht gesprochen habe und nicht weiß, was da vorgefallen ist. Ich hatte auch genug damit zu tun, das Team und das Umfeld kennen zu lernen. Alles andere darf mich nicht belasten.
Welchen Eindruck haben Sie denn von der Mannschaft?
Ich denke, es ist hier eine Superbasis vorhanden, was Ordnung, Disziplin und Teamgeist betrifft. Die Mannschaft macht es mir bisher leicht. Sollte mir aber jemand blöd kommen, wird das Konsequenzen haben. Extrawürste kann sich keiner erlauben.

Nach dem 0:1 in Darmstadt haben Sie gesagt, es gebe noch viel Arbeit. Wo haben Sie zuletzt den Hebel angesetzt?
Wir haben viel im technischen Bereich gearbeitet und daran, wie wir Fußball spielen wollen – und dazu die Spielformen so gewählt, dass sie auch einen konditionellen Aspekt haben, weil die Jungs das brauchen.
Das klingt so, als habe die Mannschaft konditionellen Nachholbedarf?
Sagen wir es so: Wir müssen was tun. Aber wenn ich nichts zu verbessern hätte, wäre es für mich als Trainer auch schwierig.
Auch der Kader soll überarbeitet werden. Michael Zeyer will ihn gerne reduzieren, gleichzeitig sollen möglicherweise neue Spieler kommen. Ist das kein Widerspruch?
Das klingt im ersten Moment vielleicht so. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass Spieler auf dem Markt sind, die uns verstärken, müssen wir das tun.
In welchem Bereich sehen Sie am ehesten Handlungsbedarf?
Es fehlt sicher ein wenig Kreativität, so ein bisschen das Besondere wäre hilfreich.
Und in der Winterpause droht dann der große Umbruch?
Das kann ich nach drei Wochen noch nicht sagen. Wir haben ja gute Jungs hier, damit bin ich sehr zufrieden. Zunächst einmal arbeite ich mit den Spielern, die ich habe – die will ich verbessern. Die Mannschaft ist auf jeden Fall gut genug, um die Liga zu halten.
Steht jetzt erst einmal der Klassenverbleib im Vordergrund oder haben Sie auch schon die Weichenstellung für die Zukunft im Hinterkopf?
Kurzfristig hat der Klassenerhalt Priorität, aber natürlich arbeiten wir auch daran, unsere Spielidee rüberzubringen. Sonst könnte ich ja gleich sagen, wir spielen nur lange Bälle und schauen, dass wir darüber erfolgreich sind. Das ist aber nicht meine Idee.
Sondern?
Wir wollen Fußball von hinten raus spielen, Überzahl schaffen und bis ins letzte Drittel des Platzes kombinieren. Dazu gehört aktive Balleroberung – das hängt aber auch vom Gegner ab, inwieweit er das zulässt. In Darmstadt war das schwierig, weil die jeden Ball lang geschlagen haben, da muss man dann über zweite Bälle kommen. Dazu braucht man eine Kompaktheit, das ist ein Thema im Training.

Sie haben mit Sreto Ristic das Trainerteam komplettiert. Welche Rolle spielt er?
Er unterstützt mich zum Beispiel im Gruppentraining, wo wir jetzt besser aufteilen können. Im technischen Bereich ist zudem Timm Fahrion (A-Junioren-Trainer, Anm. d. Red.) mit im Boot. So können wir die taktischen Spielformen optimieren. Drei Leute vor Ort ist top. Wir diskutieren viel im Trainerbüro, aber letztlich lasse ich mich nicht immer überzeugen. Ich treffe die Entscheidung und trage die Verantwortung – und das ist auch gut so.
Welche Rolle spielen Einzelgespräche?
Wir haben Einzelgespräche geführt, aber letztlich bin ich nicht derjenige, der die Spieler ständig zu sich ins Büro holt. Ich muss ja erst einmal meine Philosophie rüberbringen. Auch in einer Videoanalyse merkt jeder: das will der Trainer von mir.
Die Kickers wollen den Schwerpunkt wieder vermehrt auf Spieler aus der Region legen. Ist es da ein Nachteil, dass Sie bisher in Nordrhein-Westfalen tätig waren?
Der Vorteil ist doch, dass Michael Zeyer hier Kontakte hat und ich mich sehr schnell auf eine neue Situation einstellen kann. Das geht ruckzuck. Zudem hatte ich im U-19-Bereich auf Turnieren immer wieder mit Spielern hier aus der Region zu tun, so dass ich einen Einblick habe.
Ihr Vater war schon Profi. Hat das den Ausschlag gegeben, dass Sie nach der Spielerkarriere im Fußballgeschäft geblieben sind?
Mich hat der Sport schon immer gefesselt, deshalb wollte ich im Fußball bleiben. Auch wenn ich wusste, dass das schwierig ist, weil es nur wenige Posten gibt, von denen man hauptberuflich eine Familie ernähren kann. Aber selbst wenn ich nicht davon leben könnte, wäre ich noch im Fußball tätig.
Warum?
Weil man sich da jedes Wochenende das Produkt anschauen kann, an dem man unter der Woche gearbeitet hat.
Als Profi waren Sie in Uerdingen, Gladbach, Duisburg. Gab es aus dieser Zeit einen Trainer, der sie geprägt hat?
Der inzwischen leider verstorbene Wolfgang Frank hat mich sicher beeindruckt, weil er derjenige war, der die Viererkette eingeführt hat. Oder auch Friedhelm Funkel mit seiner ruhigen, sachlichen Art. Wer kontinuierlich gut arbeitet, wird auch in dem Geschäft bleiben, selbst wenn man nicht immer alles exakt planen kann.
Und was planen Sie zu Ihrer Heimpremiere am Samstag gegen Rostock?
Wir versuchen viel Ballbesitz zu haben und das Spiel zu gewinnen – mit allem, was dazu gehört. Und wenn es sein muss mit langen Bällen, denn es stimmt nicht, dass das bei mir verboten ist. In gewissen Situationen muss man das tun.