Kailash Satyarthi befreit Tausende von Kindern aus der Sklaverei. Dafür hat der Inder den Friedensnobelpreis gewonnen. Meriam (9), Eric (7) und Mathilde (9) haben ihn im Namen ihrer Mitschüler interviewt.
Stuttgart - Kailash Satyarthi befreit Tausende von Kindern aus der Sklaverei. Dafür hat der Inder 2014 den Friedensnobelpreis gewonnen. Meriam (9), Eric (7) und Mathilde (9) von der Stuttgarter Heusteigschule haben ihn im Namen ihrer Mitschüler bei einer Veranstaltung der Robert Bosch Stiftung und der Stuttgarter Zeitung im Theaterhaus interviewt.
Eric: Herr Satyarthi, hat sich Ihr Leben als Friedensnobelpreisträger geändert?
Kailash Satyarthi: Ich wohne im gleichen Haus, trage die gleiche Kleidung, ernähre mich weiterhin vegetarisch, rauche nicht und trinke keinen Alkohol. Aber etwas ganz Wichtiges hat sich doch geändert: Seit ich den Nobelpreis gewonnen habe, darf ich im Namen aller Kinder mit vielen einflussreichen Politikern sprechen.
Mathilde: Woher wissen Sie, wo Sie Kindern helfen können?
Kailash Satyarthi: Zuerst habe ich mich um die Kinder in meinem Heimatland Indien gekümmert. Aber dann habe ich gesehen, dass es Kindern in Pakistan, Nepal oder Bangladesch noch viel schlechter geht. Dort werden Kinder ihren Eltern weggenommen und gehen nicht zur Schule. Aber Kinder müssen doch in die Schule. Oder sollten sie lieber arbeiten, was meinst Du?
Mathilde: Sie sollten in die Schule gehen!
Kailash Satyarthi: Gute Antwort. Kinder gehören in die Schule! Sie sollen lesen und schreiben lernen. Darum habe ich angefangen, auch in anderen Ländern zu arbeiten. Ich helfe Eltern, deren Kindern entführt worden sind, dabei, sie wiederzufinden. Tausende Kinder habe ich inzwischen aus der Sklaverei befreit. Und wenn wir sie befreit haben, versuchen wir alles, damit sie zur Schule gehen können.
Meriam: Waren Sie bei Ihren Aktionen schon in Lebensgefahr?
Kailash Satyarthi: Ja, sehr, sehr oft. Die Sklavenhalter sind sehr mächtige Menschen. Meine Kollegen und ich sind oft zusammengeschlagen oder verletzt worden. Aber manchmal kann man Gefahr auch aushalten und Risiken eingehen. Wenn ich dadurch Hunderte Kinder befreien und sie ihren Eltern zurückbringen kann, sind alle glücklich. Dann lächeln die Eltern und die Kinder wieder. Lächeln ist das Wichtigste auf dieser Welt. Darum muss man auch mal ein Risiko eingehen, um den Menschen, und ganz besonders den Kindern, ein Lächeln hervorzuzaubern!
Eric: Was ist für Sie das wichtigste Kinderrecht?
Kailash Satyarthi: Freiheit! Freie Kinder können zur Schule gehen und frei reden. Wenn du frei bist, kannst du mit deinen Freunden, Eltern und Lehrern reden. So hört dir die Gesellschaft zu. Sie hört auf deine Stimme!
Mathilde: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Kailash Satyarthi: Ich möchte die Botschaft, dass Kinder frei sein sollen, weiter tragen. Und ich möchte Millionen von Kindern auf der ganzen Welt miteinbeziehen. Ihr sollt die Sprecher der Kinder werden, die um ihre Rechte kämpfen. Die Kinder müssen sich an die Spitze setzen, denn ihr seid die besten Anführer. Niemand ist so begierig darauf, Gutes zu tun, wie ihr! Diese Kraft der Jugend müssen wir nutzen, um eine schöne und friedliche Welt zu schaffen.
Meriam: Haben Sie Kinder?
Kailash Satyarthi: Ich habe eine Tochter und einen Sohn. Die sind inzwischen schon erwachsen. Mein Sohn ist ein toller Kerl. Er ist Rechtsanwalt und unterstützt mich vor Gericht. Bei unseren Befreiungsaktionen ist er einmal übel verletzt worden. Seitdem hat er Probleme mit der Wirbelsäule. Auch meine Tochter wurde schwer bedroht. Sie musste das Land verlassen und fünf Jahre zu Freunden nach Amerika gehen. Jetzt ist sie zurück in Indien, weil sie dort leben möchte. Beide Kinder sind wunderbar und sehr mutig. Sie kämpfen leidenschaftlich für meine Sache.
Meriam: Haben Ihre Kinder nicht Angst um Sie, wenn Sie ständig in Lebensgefahr sind?
Kailash Satyarthi: Doch. Als ich anfing, Kinder zu befreien, hatten wir noch kein Geld für ein Telefon. Wenn ich in entlegene Gebiete gefahren bin, konnte ich oft drei bis vier Tage nichts von mir hören lassen. Da blieb meiner Familie nichts anderes übrig, als zu warten und zu beten. Auch heute haben sie noch oft Angst um mich. Dir würde es doch auch leid tun, wenn mir etwas passieren würde, oder? Du bist doch meine Freundin? Oder fühlst du dich eher wie meine Tochter?
Meriam: Wie beides zusammen
Kailash Satyarthi (lacht): Ich muss euch ein großes Kompliment machen. Als ich so alt war wie ihr, habe ich mich bei der Schulaufführung nicht auf die Bühne getraut, sondern bin weinend davon gelaufen. Und ihr sitzt hier und stellt mir lauter intelligente Fragen. Ihr seid wirklich sehr schlau!
Dieser Text ist aus der aktuellen Ausgabe der Stuttgarter Kinderzeitung. Sie richtet sich an junge Leser zwischen sechs und zwölf Jahren. Das 24-seitige Magazin erscheint immer freitags und kommt bereits am frühen Morgen in die Briefkästen ihrer Abonnenten. Pinguin Paul, der Chefredakteur, sorgt dafür, dass Nachrichten aus aller Welt verständlich und kindgerecht erklärt werden. Darüber hinaus sorgen Topthemen aus der Region, Freizeittipps, Interviews und Bücherempfehlungen für ein spannendes Lesevergnügen. Und mit einer Rätselseite, Witzen und Gewinnspielen kommt auch der Spaß nicht zu kurz. Die Stuttgarter Kinderzeitung ist nur im Abonnement erhältlich. Abo bestellen und vier Wochen gratis lesen unter: www.stuttgarter-kinderzeitung.de
Kailash Satyarthi – der Kinderfreund
Mehr als 80 000 Kindern hat Kailash Satyarthi, der eigentlich Ingenieur ist, in den vergangenen 35 Jahren geholfen. Seine Organisation „Bachpan Bachao Andolan“ befreite sie aus der Sklaverei in Indiens Steinbrüchen, Ziegeleien und Teppichfabriken. Der 61-jährige Inder ist mit dabei, wenn Kinder aus dunklen, schmutzigen Fabrikgebäuden geholt werden, in denen sie zu erbärmlichen Löhnen schuften müssen. Er riskiert sein Leben und wurde oft verletzt. „Ich habe Narben am ganzen Körper, aber ich lebe“, sagt der sanftmütig klingende Mann. Für seinen unermüdlichen Einsatz gegen Kinderarbeit wurde Kailash Satyarthi im Dezember 2014 der Friedensnobelpreis verliehen. Er bekam die Auszeichnung gemeinsam mit der jungen pakistanischen Kinderrechtlerin Malala Yousafzai