Die heutigen Kinder sind motorisch nicht mehr so leistungsfähig. Ziel eines Kongresses ist, die Freude an der Bewegung wieder zu fördern.

Stuttgart - Dass Kinder sich wieder mehr bewegen, ist das Ziel des Kongresses "Kinderturnen macht clever und fit" an diesem Wochenende im Sport Stuttgart und im Neckarpark. Neben Vorträgen und Diskussionsrunden werden auch 135 Workshops angeboten. Erzieher, Lehrer und Vereinsmitarbeiter sollen das Rüstzeug für ihre tägliche Arbeit bekommen.

"Der Alltag von Kindern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert", so der Leiter des Sportinstituts an der Universität Karlsruhe, Klaus Bös. "Anstatt sich zu bewegen und Sport zu treiben, sitzen die Kinder immer häufiger vor dem Computer oder sehen fern." Bös zufolge zeigen aktuelle Daten und Studien des Robert-Koch-Instituts und des Karlsruher Instituts für Technologie (Kit), dass Kinder heute rund zehn Prozent weniger leistungsfähig sind als vor 20 Jahren. Dementsprechend bewegt sich jedes Kind nur etwa 15 Minuten am Tag. Die Folge dieses Bewegungsmangels ist dem Kindersportexperten zufolge ein Zuwachs an Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauf-Problemen, Gelenkerkrankungen, Übergewicht und Diabetes. Bös rechnet damit, dass diese Erkrankungen und deren Behandlung das Gesundheitssystem jedes Jahr mehrere Hundert Milliarden Euro kosten werden.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat das Karlsruher Forschungszentrum für den Schulsport und den Sport von Kindern und Jugendlichen (Foss) unter der Leitung von Bös gemeinsam mit der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg einen Test entwickelt, mit dem die Leistungsfähigkeit von Kindern erfasst werden soll. "Mit dem Kinderturntest plus können wir anhand von konkreten Übungen und mit Hilfe einer speziellen Software testen, wo ein Kind motorische Defizite hat", erklärt der Karlsruher Sportwissenschaftler. "Die Auswertung zeigt dann, mit welchen Maßnahmen das Kind gefördert werden sollte", sagt Bös.

Hohe Zunahme an Stoffwechselkrankheiten bei Schülern


Um Sport und Bewegung bei Kindern auch in der Schule weiter voranzutreiben, fordert Klaus Bös von der Politik, täglich eine verpflichtende Sportstunde an den Schulen einzuführen. Nur mit solchen und ähnlichen Maßnahmen sei es möglich, die gravierenden Folgen des Bewegungsmangels einzudämmen.

Auch mit dem Projekt "Kinderturnen on Tour", das die Kinderturnstiftung Baden-Württemberg beim Kinderturn-Kongress präsentiert, soll die Bewegungsfreude und körperliche Leistungsfähigkeit von Kindern gefördert werden. Es handelt sich um eine fahrbare Bewegungslandschaft aus Geräten, die verschiedene Tiere repräsentieren. Jedes Tier hat dabei eine besondere motorische Fähigkeit, der die Kinder spielerisch nacheifern können. Die Kinderturnstiftung stelle das Mobil Kindergärten, Schulen, Vereinen, Firmen und Kommunen zur Verfügung, so der Stiftungsvorsitzende Thomas Renner.

Rainer Brechtken, der Präsident des Deutschen und Schwäbischen Turnerbundes, setzt beim Thema Kinderfitness vor allem auf gut ausgebildete Lehrer, Erzieher und Übungsleiter. Er vergleicht das Erlernen eines Bewegungsmusters mit dem Erlernen eines Musikinstruments. Dazu, so Brechtken, bedürfe es einer kompetenten Anleitung der Kinder. Außerdem sollten Brechtken zufolge in den Kommunen Netzwerke aus Vereinen, Schulen und Kindergärten gebildet werden, die es auch Kindern aus bildungsfernen Familien erlauben, sich motorisch gesund zu entwickeln.

Noch bis Sonntag haben Experten und Verantwortliche des Kinderturn-Kongresses die Möglichkeit, ihrem Publikum Methoden und Ziele der Bewegungsförderung näher zu bringen. Rund 700 Teilnehmer haben sich angemeldet.

Weitere Informationen im Internet unter kinderturn-kongress.de ».