Kleiderbasare und Verkaufsapps: Die Deutschen kaufen ihren Kindern gerne Kleidung aus zweiter Hand. Das ist gut, aber manchmal auch unglaublich nervig.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Stuttgart - „Bling“, macht das Handy. Es ist keine Nachricht, um die besten Gin-Sorten in einer angesagten Bar zu testen, sondern die Anfrage einer Mutter, die sich Prinzessinlina83 (oder so ähnlich) nennt: „Hallo, sind die Schuhe noch da? Könntest du mir evtl. die Sohlenlänge von außen und wenn möglich auch von innen messen, bitte? LG, Lina.“

 

Die Antwort: „Hallo Lina, ja, die sind noch da. Messe gleich mal.“ Also ab in den Keller, die Schuhkiste ausgepackt, die gefütterten, ockerfarbenen Winterstiefel, die an der Tochter ja wirklich sehr süß aussahen, noch mal anschauen, überlegen, ob man sie wirklich hergeben will. Ja, klar. Das Kind ist schließlich längst herausgewachsen.

Und dafür sind Verkaufsapps wie etwa „Mamikreisel“ gedacht. Und die Kisten an Kleidung mit der Aufschrift 50/56 bis 98/104 werden nicht weniger. Die Schuhe modisch nicht angesagter. Also: Sohle messen, Innensohle rauspulen, ebenfalls Maßband anlegen. „Außen 18, innen 17 cm“, wird ins Handy getippt.

„Prima, danke! Dann würde ich sie gern nehmen. Würdest du sie auch für 15 Euro inkl. Versand hergeben?“

„15 Euro gehen klar. Sind auch wirklich nicht mehr top in Schuss.“

Iban wird in der nächsten Nachricht verschickt. Antwort.

„Prima! Aber wasserdicht sind sie noch, oder?“

„Ja, das sind sie.“

„Super, dann überweise ich heute Abend, wenn meine Kinder im Bett sind. LG“

„Super.“

Acht Stunden später.

„Huhu, ich habe das Geld grad überwiesen. LG“

„Meine Adresse: xxxx“

„Danke. Ich putze und verpacke sie.“

Am nächsten Tag ist das Geld auf dem Konto angekommen. Also ab in den Keller, Schuhe putzen, verpacken. Den Karton zur Post gebracht.

Zwei Tage später blingt das Handy: „Du hast den Artikel erfolgreich verkauft! Gib dem Käufer jetzt eine Bewertung.“ Also: 5 Sterne für die nette Kommunikation. „Alles gut, gerne wieder.“

Der Tauschhandel ist toughes Muttibusiness

Das war’s. Es ist nur eine kleine und eher unaufwändigen Episode von Mamikreisel, einer App, die ähnlich wie Ebay-Kleinanzeigen funktioniert, nur eben ausschließlich für Kindersachen gedacht ist. Mamikreisel ist trotz des Namens natürlich nicht nur für Mütter gedacht, aber fast nur Mütter nutzen sie. Die Handhabe ist recht einfach: Man fotografiert Jacken, Schneeanzüge, Schuhe, Oberteile, Hosen, Kleider, beschreibt die Waren, gibt einen gewünschten Kaufpreis an – und wartet, ob es Interessenten gibt.

Der Tauschhandel ist ein toughes Muttibusiness. Die Täterinnen sind Jägerinnen und Sammlerinnen, die man jetzt im März und April ganz real fast jedes Wochenende in abgeratzten Turnhallen, Gemeindesälen oder in Kindergärten antreffen kann. Die Saison der Kleiderbasare ist für einige die fünfte Jahreszeit. Statt Kamelle gibt es hausgebackene Kuchen für daheim und immer wieder die Frage an den Verkaufsständen: „Jungs, 104?“ Ganze Sätze sparen sich die Mütter. Das kostet Zeit und die haben sie nicht, wenn sie gerne mit der schwangeren Freundin schon eine halbe Stunde vor dem offiziellen Einlass in die Stuben stolpern. Denn: Frauen mit Mutterpass dürfen häufig früher hinein.

„Wären auch drei Euro okay?“

Das Problem mit den Kindersachen ist überall dasselbe: Es werden täglich mehr. Die Kinder wachsen aus den Teilen schneller heraus, als sie neue Wörter lernen. Die Frauen, die auf Basaren Kleider der Kleinen und Spielsachen verkaufen, möchten die gut erhaltenen Stücke natürlich loswerden und noch etwas dafür bekommen. Bei Fragen wie „Wären auch drei Euro okay?“ für einen Stickpullover einer französischen Marke lächeln sie nett und gehen am Ende sogar noch darauf ein. Es ist oft dennoch eine Win-win-Situation: Die Käuferin freut sich über ein Schnäppchen, die Verkäuferin darüber, das Zeug endlich loszuwerden. Auch wenn sie für wenig Geld viele Stunden in einer stickigen Turnhalle gestanden hatte.

Der Tauschhandel in Sachen Kinderkleidung floriert. In den vergangenen Jahren auch online, weil viele Mütter arbeiten, abends online shoppen gehen und morgens vor Kindergarten und Schule die Päckchen verpacken – und am Wochenende nicht so viel Zeit haben, um in aller Herrgottsfrühe die Kisten mitGebrauchtwaren ins Auto zu verpacken.

Dass es nicht mehr um Besitz geht und sich der Konsum wandelt, hat sogar die Wir-können-alles-sogar-Kaffee-Marke Tchibo erkannt. Ganz nach dem allseits beliebten Hipster-Motto „Sharing is Caring“ bietet die Handelskette nun Kleidung zum Mieten an: zwei Langarmshirts kosten 2,80 Euro im Monat, die Regenjacke 4,20 Euro. Wenn die Teile nicht mehr passen, werden sie zurückgeschickt.

Die ockerfarbenen Stiefel waren übrigens dann doch zu klein für das Kind von Prinzessinlina83. Sie verkauft das Paar jetzt weiter.