Zwei Träger betreuen in Stuttgart Tagesmütter und Tagesväter gemeinsam mit dem Jugendamt. Die Stadt will aber künftig nur noch einen Ansprechpartner.

Viele Eltern in Stuttgart wählen für die Betreuung ihrer Kinder eine Tagesmutter – entweder, weil sie sich bewusst für das familiäre Modell entscheiden oder weil sie keinen Kitaplatz bekommen haben. Aufgebaut hat diese wichtige Form der Betreuung vor 45 Jahren in Stuttgart der Verein für Tagesmütter und Pflegeeltern. Heute gibt es zwei Träger: den Verein und die Caritas, die beide für die Betreuung der Tagespflegepersonen und die Eltern zuständig sind.

 

Das will die Stadt jedoch ändern und nur noch mit einem Träger zusammenarbeiten. Dieser soll sich künftig auch allein um die Qualifizierung der angehenden Tagesmütter oder Tagesväter kümmern. Dass diese auf einem hohen Niveau ist, dafür hat der Verein jahrelang gekämpft. „Das fing mit drei Abendkursen an, die nur wir anboten“, sagt Karin Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende im Verein. Inzwischen sei die Kindertagespflege der Kita gleichgestellt, daher seien die Ansprüche an die Tagespflegepersonen stark gestiegen. „Wir qualifizieren derzeit mit 300 Unterrichtsstunden nach einem vorgegebenen Qualifizierungsplan“, sagt Karin Pfeiffer. Man glaubt ihr sofort, was sie oft wiederholt: Die Arbeit des Vereins ist nicht nur ein Verwaltungsakt, sondern eine Herzensangelegenheit. Daher hat die Ausschreibung der Stadt den Verein auch zutiefst erschüttert. Alle möglichen Kandidaten können sich auf die Trägerschaft bewerben. Ob es tatsächlich dazu kommt, entscheidet der Gemeinderat.

Die Anforderungen sind gestiegen

Das Jugendamt begründet diesen Schritt mit den gestiegenen Anforderungen an Träger, Jugendamt und Tagespflegepersonen, die die Verwaltungsvorschrift zur Kindertagespflege und neue Regeln im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz mit sich bringen. So mussten angehende Tagespflegepersonen bisher 160 Unterrichtseinheiten absolvieren, inzwischen sind es insgesamt 300 Unterrichtseinheiten. Davon sollen sie zunächst 160 Unterrichtseinheiten nachweisen können, bevor sie als Tagesmütter oder Tagesväter tätig werden. Idealerweise folgen dann die restlichen 140 Unterrichtseinheiten im Anschluss berufsbegleitend.

Bisher müsse aber laut Katrin Schulze vom Jugendamt eine angehende Tagespflegeperson unter Umständen recht lange auf die Fortsetzung der Qualifizierung warten, weil die Kurse abwechselnd bei den beiden Trägern stattfinden. „Es ist möglich, dass durch die Wartezeit eine Tagespflegeperson wieder abspringt – und das wollen wir nicht.“ Außerdem gebe es neue Standards im Kinderschutz – auch da seien die Anforderungen gestiegen. Zutrauen würde sie beiden bisherigen Trägern durchaus, dass sie diesen Anforderungen gewachsen sein werden. „Die Träger können nun prüfen, ob sie es schaffen, diese Standards tatsächlich umzusetzen“, sagt Schulze. Es gebe aber auch eine Chance für andere Träger, sich zu bewerben. „Das Verfahren ist gänzlich offen.“

Das Wahlrecht der Eltern wird durch die Trägervielfalt berücksichtigt

Beim Verein für Tagesmütter und Tagespflege Stuttgart betont man dagegen, dass die Zusammenarbeit der zwei Träger bisher sehr gut funktioniert hätte. „Zwei Träger bieten Vielfalt und Mehrwert. Außerdem wird dadurch das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern berücksichtigt“, sagt Karin Pfeiffer. Sie gibt zu bedenken, dass die Caritas ein Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche ist, während der Verein für Tagesmütter und Tagespflege neutral und bei der Parität eingebunden ist.

Auch bei der Caritas bewertet man die bisherige Zusammenarbeit positiv. „Generell macht Trägervielfalt Sinn“, sagt Armin Biermann, Bereichsleiter für Kinder, Jugend und Familie bei der Caritas Stuttgart. Bei einem kleineren Arbeitsfeld wie der Kindertagespflege müsse man aber abwägen, ob bei mehreren Trägern der Organisationsaufwand und der Nutzen noch im richtigen Verhältnis stehen würden. „Diese Abwägung hat die kommunale Verwaltung sicher sorgfältig getroffen“, meint Biermann.

Bisherige Stellen sollen erhalten bleiben

Finanziell will die Stadt durch den Verzicht auf einen Träger nichts einsparen. „Die bisherigen Stellen bleiben erhalten“, sagt Katrin Schulze. Es gehe lediglich darum, die Strukturen besser anzupassen und Eltern und Tagespflegepersonen einen zentralen Ansprechpartner zu bieten, bei dem sie gleiche Informationen und Angebote erhalten. Dass Tagespflegepersonen aufhören könnten, weil sie nicht mit einem neuen Träger zusammenarbeiten wollen, glaubt Katrin Schulze nicht. „Die Tagespflegepersonen arbeiten schließlich nicht nur mit dem Träger, sondern auch mit dem Jugendamt eng zusammen. Wir bieten ebenfalls verlässliche Strukturen.“

Karin Pfeiffer betont, dass der Verein, der auch mit dem Landesverband eng zusammenarbeitet, vieles auf den Weg gebracht hat – ob bei der umfangreichen Qualifizierung der Kindertagespflegepersonen, der Eingewöhnung von Kindern in die Tagespflege oder beim Thema Inklusion. „Die Stadt hat eher blockiert“, sagt sie. Dass man künftig eventuell auf die langjährige Erfahrung des Vereins verzichten könnte, kann sich Karin Pfeiffer kaum vorstellen – ebenso wenig wie die Auswirkungen, die das auf die Arbeit der Tageseltern in Stuttgart haben könnte.