Im Film „My Week with Marilyn“ erlebt ein junger Mann seine ersten Tage beim Film und wird der Freund von Marilyn Monroe. Diese Mär ist zart und stellenweise wahr.

Stuttgart - Der Regisseur Otto Preminger hatte nicht den dicksten Geduldsfaden in Hollywood. Marilyn Monroe, die bei den Dreharbeiten ihrer Filmarbeiten legendär schwierig war, unsicher, nervös und unzuverlässig, wurde Opfer einer seiner bösesten Bemerkungen. Die Monroe, sagte er in einem Interview, sei wie Lassie. „Mit ihr muss man 14-mal die gleiche Szene drehen, bevor sie an der richtigen Stelle bellt.“ Billy Wilder begriff das Phänomen Marilyn besser als Preminger. „Meine Tante Minnie“, erklärte er, „wäre immer pünktlich und würde die Produktion nie aufhalten. Aber wer würde Geld dafür bezahlen, meine Tante Minnie zu sehen?“

 

Diese beiden Spitzen sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich Simon Curtis’ karamelpuddingzarte Schnulze „My Week with Marilyn“ ansieht. Sie erzählt von den Dreharbeiten zur britischen Produktion „Der Prinz und die Tänzerin“ im Sommer 1956. Als die von Michelle Williams gespielte Marilyn aus dem Flugzeug steigt, ist sie auf der Höhe ihres Charmes, eine von Nektar und Ambrosia genährte Göttin, die beglückend die Erdklöße anlächelt. Ein paar Tage später ist sie ein nervliches Wrack, heult, zittert, verpatzt die einfachsten Szenen, schluckt Psychopillen aller Art und spült mit Alkohol nach.

„My Week with Marilyn“ basiert auf den Erinnerungen des Autors und Dokumentarfilmers Colin Clark, der damals, als 23-Jähriger, dem Leben der britischen Oberklasse davongelaufen war, weil er das Kino über alles liebte. Er hat keine Ahnung vom Filmgeschäft, aber er will dazugehören. Mit viel Glück wird er zum Einstand dritter Regieassistent beim Projekt „Der Prinz und die Tänzerin“, bei dem Laurence Olivier die männliche Hauptrolle spielt und die Regie führt. Dritter Regieassistent, lernt Clark (Eddie Redmayne) schon vorab, ist ein Fachausdruck des Filmgeschäfts. Laien sprechen vom Laufburschen. Er ist selig.

Ein Film frei von Misstönen

Diesen offenen, strahlenden, alles als neu empfindenden Colin Clark erwählt Marilyn zu ihrem neuesten Vertrauten. Angereist ist sie noch als frisch Verheiratete mit dem Dramatiker Arthur Miller. Mit ihm überwirft sie sich heftig, Miller reist ab, und Marilyn flüchtet sich in eine Art Rollenspiel. Jenseits des Filmsets tändelt sie mit Colin, als seien sie noch auf dem Schulhof, aber nicht in einer der höheren Klassen, als gebe es zwar schon ein Körperbewusstsein, aber noch keinen Mut, die beiden Körper auch aufeinander loszulassen.

Die Kamera bleibt konsequent bei Colin. Wir sehen und hören von diesem Dreh, den Konflikten hinter den Kulissen, dem Treiben der Entourage von Monroe, nur das, was auch er mitbekommt. Das schränkt den Film als filmhistorische Satire (die er auch gar nicht sein will) ein, gibt aber seiner Verklärtheit etwas absolut Überzeugendes.

Auch wenn die gedämpften Farben eher den nostalgischen Blick der Nachwelt ausdrücken, das Versunkene dessen, was nun noch einmal aufscheinen darf, bleibt „My Week with Marilyn“ doch sehr stimmig und frei von Misstönen.

Williams bringt glaubhafte Figur vor die Kamera

Curtis inszeniert allerdings nicht aufgesetzt naiv. Was wir von Laurence Olivier sehen (den der oft mit Olivier verglichene Kenneth Branagh großartig spielt), von der Schauspieltrainerin Paula Strasberg, die sich Monroes zu bemächtigen versucht wie Doktor Caligari seines hypnotisierten Sklaven, von Vivien Leigh, Oliviers Ehefrau, das sind prägnante Momentaufnahmen.

Schön wird einmal das Grundproblem dieser Unglücksproduktion analysiert: die Monroe ist ein Leinwandidol, das hofft, sich an der Seite von Olivier als Schauspielerin beweisen zu können. Olivier ist ein Schauspieler, der mit Monroes Hilfe gerne Leinwandidol würde. Die beiden erwarten vom anderen als Mitbringsel genau das, was der zurücklassen will. Williams und Redmayne lassen an ihrem Paar eine Variante dieser Konstellation hervortreten. Ed ist der Jungmann, der in diesem Flirt gerne Erfahrungen sammeln würde, Monroe die wenige Jahre Ältere, die ihre Erfahrungen dringend vergessen möchte.

Williams bringt eine glaubhafte Figur vor die Kamera, sie stellt in manchen Szenen die echte Monroe virtuos nach. Aber sie bekommt, auch das ist interessant zu beobachten, diese Wirkung nicht immer hin.

Das ist deshalb faszinierend, weil die Monroe sich als öffentliche Darstellerin der Figur Marilyn empfand. Aber sie steckte von den Haarspitzen bis zu den Zehen ganz in dieser Rolle. Bei Williams kann man zusehen, welchen Teil von sich sie gerade besonders monroeesk in Positur bringt. Die Monroe würde es nachträglich freuen, bestätigt zu bekommen, dass sie doch sehr viel mehr konnte als Lassie.

My Week with Marilyn. Großbritannien, USA 2011. Regie: Simon Curtis. Mit Michelle Williams, Eddie Redmayne, Kenneth Branagh. 99 Minuten. Ab 6 Jahren. Cinemaxx Mitte, Gloria