Zum allerersten Mal finden im Rems-Murr-Kreis die „Jugendfilmtage Nikotin und Alkohol“ statt – das Kino eignet sich hervorragend als Eisbrecher, damit Schüler und Lehrer ins Gespräch kommen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Backnang - Mit unsicherem Gang tappt der etwa 13-jährige Junge die weiße Linie entlang. Die Bauklötze vom Boden aufzuheben, fällt ihm sichtlich schwer, sie in eine Schablone einzusortieren, auch. Und trotzdem stehen seine Kumpels hinter ihm Schlange. Alle wollen sie mal betrunken sein. Oder zumindest nachvollziehen können, wie sich das anfühlt. Denn was den Teenager torkeln lässt, ist kein Schnaps, sondern eine Spezialbrille, die bei ihrem Träger die Wirkung von Alkohol simuliert.

 

Im Kino Universum in Backnang dreht sich an diesem Dienstag und Mittwoch alles um Alltagsdrogen: zum ersten Mal finden hier die „Jugendfilmtage Nikotin und Alkohol“ statt. Auf Betreiben der Suchtbeauftragten des Landkreises, Sonja Hildenbrand, macht dieses Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Halt in Backnang. Rund 800 junge Leute zwischen zwölf und 19 Jahren sowie ihre Lehrer nehmen teil.

Filme wie Tschick oder Sing Street statt platter „Drogen sind doof“-Botschaften

Ganz zentral sind die Filme. Die Streifen, die gezeigt werden, sind keine uncoolen Dokumentarfilme, hier gibt es keinen erhobenen Zeigefinger und platte „Drogen sind doof“-Botschaften. Über die Leinwand flimmert stattdessen unter anderem „Sing Street“, in dem ein Teenager eine Band gründet, um seine Angebetete für sich zu gewinnen – und auch, um nicht wie andere Trost im Alkohol suchen zu müssen. Oder der Film „Tschick“ von Fatih Akin, in dem zwei ungleiche Jungs die Welt in einem geklauten Lada erkunden. Beide sind Außenseiter – einer wegen seiner Herkunft, der andere auch wegen der Alkoholsucht der Mutter.

Das Kino dient als Eisbrecher. „Es ist bei vielen hoffentlich mit positiven Dingen verknüpft – da fällt es leichter, miteinander ins Gespräch zu kommen“, meint die Chefin Annegret Eppler. Im ganzen Kino sind zudem Mitmach-Stationen aufgebaut. In einer kleinen Lounge zum Beispiel hat sich eine Gruppe um eine – natürlich nicht rauchende – Shisha versammelt. Das Gespräch dreht sich ums Qualmen. „An meiner Schule raucht einer, der ist erst elf“, erzählt ein Junge. Die jungen Teilnehmer erfahren, dass der Rauch einer Shisha keineswegs gesünder ist als der einer Kippe. Und, dass Shisha-Rauch keine Vitamine enthält, auch wenn er mit Apfelaroma versetzt wird.

Drogenprobleme: Es gibt viele Hilfsangebote im Rems-Murr-Kreis

Das Ziel der groß angelegten Aktion ist es nicht nur, die Jugendlichen auf die Gefahren der Alltagsdrogen hinzuweisen. „Wir wollten auch den Schulen die Möglichkeit bieten, die Anlaufstellen kennenzulernen“, erklärt die Suchtbeauftragte Sonja Hildenbrand. Derer gibt es nämlich viele, im Rems-Murr-Kreis gehört dazu unter anderem die niederschwellige Drogenhilfe Horizont. Deren Mitarbeiter Winfried Kapinus erzählt, dass er vor allem mit jungen Leuten arbeitet, die suchtgefährdet sind – zum Beispiel denjenigen, die wegen Gerichtsauflagen oder über Schulsozialarbeiter zu ihm kommen. Der Kreisdiakonieverband dagegen kommt ins Spiel, wenn an den Wochenenden wieder mal Jugendliche mit Alkoholvergiftung in die Rems-Murr-Kliniken eingeliefert werden. Denn nicht nur das Kino macht für pädagogische Botschaften empfänglich – sondern auch ein gewaltiger Kater.