Rund 600 Wohnungen sollen in den kommenden Jahren auf dem zentrumsnahen Steingau-Quartier in Kirchheim entstehen. Die Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker hat jetzt den Startschuss für das Projekt gegeben.

Kirchheim - Erst ganz zum Schluss ist der Gemeinderat dann doch noch auf Distanz zu seiner Oberbürgermeisterin gegangen. Als Angelika Matt-Heidecker im Fahrersitz des 23-Tonnen-Baggers zum ersten Baggerbiss auf dem Steingau-Areal ansetzte, hielten die Frauen und Männer des Kirchheimer Rats respektvoll Abstand. Zuvor, in dem mehrere Jahre währenden Planungsprozess des 40 000 Quadratmeter großen Innenstadtgeländes, hat dem Bekunden der Oberbürgermeisterin zufolge kein Blatt Papier zwischen die Verwaltung und die Ratsrunde gepasst.

 

Rund 70 Häuser werden in den kommenden Jahren auf dem zentralen Gelände gebaut werden, das kaum einen Steinwurf von der S-Bahn-Station entfernt liegt. „Uns liegen viele qualitativ hochwertige Bewerbungen vor, mehr als in Tübingen“, sagte Angelika Matt-Heidecker, bevor sie in den Bagger stieg. Tübingen, das ist das Vorbild für das Kirchheimer Modell, wonach im Steingau-Quartier zuerst sieben Ankernutzer den Zuschlag bekommen. Die haben freie Platzwahl, müssen dafür aber im Gegenzug eine Tiefgarage bauen.

„Ein Stück Stadt in der Stadt“

Haben die Großinvestoren erst einmal ihre Pflöcke eingeschlagen, dann werden die Lücken gefüllt – mit unterschiedlichen Wohnformen, ins Werk gesetzt von Baugruppen, Genossenschaften, Familien, Wohngemeinschaften und Einzelpersonen. „Ein Stück Stadt in der Stadt“, nennt die Oberbürgermeisterin das Projekt, der ihr symbolischer Baggerbiss nun den Weg geebnet hat. Mit rund sieben Millionen Euro geht die Teckstadt erst einmal in Vorleistung. So viel wird es kosten, um die Straßen zu bauen, die Kanäle anzulegen, die Strom- und Glasfaserkabel unter die Erde zu bringen und die beiden Blockheizkraftwerke für das Nahwärmenetz zu erstellen.

Ebenfalls unter „Steingau-Quartier“ abgelegt ist die Rechnung, die die Stadtkämmerin Helga Kauderer vor gut einem Jahr an die Eigentümer des brach liegenden Geländes überwiesen hat – unterm Strich knapp über zehn Millionen Euro. Erklärtes Ziel ist es, dass am Ende, wenn alle Wohneinheiten an den Mann oder an die Frau gebracht sind, die schwarze Null im Kirchheimer Haushalt steht.

Von der Spinnerei zum Einkaufszentrum

Das Steingau-Areal, früher noch vor den Toren der Stadt liegend, ist im 18. Jahrhundert von der Weberei Kolb & Schüle erschlossen worden. In der Hochzeit des Unternehmens haben dort 800 Arbeiter an den Webstühlen gearbeitet. Unter dem Druck des Strukturwandels in der Textilindustrie verlegte Kolb & Schüle die Produktion in den 1990er-Jahren nach Griechenland. Die Kirchheimer Webstühle wurden nach China verkauft. Auf dem Gelände siedelte sich anschließend mit dem EZA das erste Einkaufszentrum der Stadt an. EZA ist eine Abkürzung und bedeutet: Einkaufszentrum für Alle.


Das Quartier ist einer von vielen Bausteinen im Bemühen der Stadt, die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen. Bis zum Jahr 2022 sollen im Stadtgebiet 1000 neue Wohneinheiten entstehen. Davon sollen zehn Prozent dem Personenkreis zugute kommen, dessen Einkommen unter der vom Landesförderprogramm Wohnungsbau gezogenen Grenze liegt.