Um die Population der Vögel in den Griff zu bekommen, hat die Stadt Kirchheim vor drei Jahren einen Taubenschlag auf dem Dachboden des Spitals eingerichtet. Seitdem sind die Zahlen zurückgegangen – dank rigoroser Geburtenkontrolle.

Kirchheim - Sie flattern einem dicht über dem Kopf entlang, verschrecken Phobiker und verätzen mit ihrem Kot historische Gebäude: Tauben sind in Innenstädten eher lästig als beliebt. Selbst auf dem Markusplatz in Venedig gerieten die Vögel zur Plage – seit 2010 darf man sie dort nicht mehr füttern. Das darf man in Kirchheim wie in vielen anderen deutschen Städten auch nicht. Um die Taubenpopulation unter Kontrolle zu behalten, bedient man sich dort außerdem eines Mittels, das zunächst widersinnig erscheint: Man gewährt den Tauben Kost und Logis in einem städtischen Gebäude.

 

Im Jahr 2010 hat die Stadt Kirchheim unter dem Dach des Spitals einen Taubenschlag eingerichtet. Rund 70 Stadttauben übernachten dort, fressen und nisten. Letzteres allerdings mit dauerhaft enttäuschendem Ergebnis: nie schlüpft auch nur ein Küken aus den Eiern dort. Schuld daran ist Hans-Joachim Hennings, der im Auftrag der Stadt die Tiere nicht nur füttert, sondern auch ihrer Eier beraubt. Jedes Gelege tauscht er, wenn Vater und Mutter gerade nicht hinschauen, gegen Gipseier aus. Die werden so lange bebrütet, bis der eigentliche Schlüpftermin gekommen ist. Schlüpft aber niemand, gibt die Vogelmutter auf. Dann holt Hennings die Gipseier wieder ab „und das Spiel geht von vorne los“, sagt er.

Tauben in Maßen, nicht in Massen

„Das ist eine humane Lösung“, findet Hennings, der selbst Tauben züchtet. Er tötet keine Tauben, zerstört keine Eier. Anderswo nisten die Vögel dennoch. „Das ist auch in Ordnung, sie gehören ja zum Stadtbild“, sagt Hennings. „Aber wir wollen sie in Maßen, nicht in Massen.“

Dass sie lange Zeit in Massen in der Innenstadt zu finden waren, liegt laut Hennings an den Bürgern selbst. „Wer die Tauben füttert, ist selbst schuld, wenn sie sich vermehren“, sagt er. Das Futter, das er ihnen alle zwei Tage in den Taubenschlag streut, ist zwar kein Gourmetmenü, reicht aber aus, um sie trotz fütternder Passanten dauerhaft an den Ort zu binden – und so unter Hennings Kontrolle zu halten.

Anisöl gegen den Geruch

„Wir hatten Schäden an Metall und Sandsteinen“, sagt der Kirchheimer Bürgermeister Günter Riemer. Durch den Taubenschlag habe die Population merklich abgenommen; die Belastung durch Kot halte sich „in einem vertretbaren Rahmen“. Metallstäbe auf Mauervorsprüngen und Fenstersimsen verhindern außerdem an vielen Orten, dass Tauben sich niederlassen und dass ihre Hinterlassenschaften an Gebäuden oder auf Passantenköpfen landen. „Daher halten sich die Schäden in Grenzen“, sagt Riemer.

Das Dach des Spitals wird maximal als Lagerfläche genutzt. Der Geruchsbelästigung in den Räumen der Volkshochschule darunter, besonders im Sommer, versucht Hennings mit Anisöl beizukommen, das er im Taubenschlag versprüht. „Was die Stadt hier eingerichtet hat, ist schon toll“, sagt er: „Mancher Taubenzüchter hätte gerne so einen Schlag.“

„Die Einrichtung war nicht billig“, sagt der Baubürgermeister Riemer. Doch die Kosten seien dennoch geringer als das Geld, was man hätte aufwenden müssen, um die Schäden einer Taubenplage zu beseitigen. In Jesingen wird in Kürze dasselbe Konzept genutzt: In der Kelter, die gerade renoviert wird, steht ein Taubenschlag kurz vorder Fertigstellung.

Esslingen ist Vorreiter beim Austauschgeschäft gewesen

Stadttaube:
Die Stadttaube stammt von verwilderten Haus- und Brieftauben ab, die wiederum aus Züchtungen der Felsentaube entstanden sind. Tauben sind treue Ehepartner. Sie suchen erst einen neuen Partner, wenn der bisherige gestorben ist. Wenn man es lasse, könne ein Taubenpaar pro Jahr bis zu acht Küken großziehen bei zwei Eiern pro Gelege, sagt Hans-Joachim Hennings. Bei einer Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren kann ein Paar für 160 neue Stadttauben verantwortlich sein. Der Kirchheimer Taubenschlag im Spital wird zurzeit von rund 70 der Vögel genutzt.

Städte:
In anderen Städten wird das gleiche Modell angewandt, etwa in Esslingen. Dort waren Anfang 2001 die ersten städtischen Taubenschläge im Rathaus und im Schwörhaus eingerichtet worden, nach den Vorbildern Tübingens und Augsburgs. Stuttgart zog 2008 mit einem ersten Taubenschlag am Hauptbahnhof nach. Mittlerweile ist das Konzept auch hier ein Exportschlager. 2011 etwa interessierte sich Paris dafür. In den ersten zehn Jahren, in denen Esslingen mit Taubenschlägen und einem Eieraustausch gearbeitet hat, ist der Stadttaubenbestand um rund ein Drittel zurückgegangen. Weiterere Vorteile des Konzepts: die Tauben können einfacher auf Krankheiten untersucht werden und das Futter hält sie außerdem gesünder als der Müll in der Fußgängerzone.

Stattdessen:
Andere Ideen, Tauben in den Innenstädten zu reduzieren, gibt es zuhauf. Die wenigsten sind aber so schonend wie die Taubenschlaglösung. Abschießen und vergiften gehören ebenso dazu wie teure und aufwendige Herangehensweisen, zum Beispiel Empfängnisverhütungsmittel zu verabreichen oder die Bejagung mit Falken.