Das Kommunale Kontaktteater (KKT), das mittlerweile Kulturkabinett heißt, wird vierzig Jahre alt. Es feiert mit einem Tag der offenen Tür.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Früher wurde stundenlang diskutiert – über den Radikalenerlass, über Strafvollzug oder Grundbesitz. Es ging heiß her im Kommunalen Kontaktteater in Bad Cannstatt, und auf der Bühne standen nicht nur Schauspieler, sondern es spielten auch Kinder oder Politiker, Betroffene eben, die politisch agitierten. Betroffenentheater hieß das damals. Am Samstag feiert das KKT seinen vierzigsten Geburtstag – und von dem politischen Furor der ersten Jahre ist wenig übrig geblieben. „Sich zu treffen und stundenlang zu diskutieren, das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Naemi Zoe Keuler. „Wir machen auch kein Betroffenentheater mehr.“

 

Vor drei Jahren hat Keuler die Geschäftsführung in diesem kleinen, vielseitigen Kulturzentrum übernommen, das schon viel länger das praktiziert, was heute so vollmundig propagiert wird: Partizipation. Oder anders gesagt: hier kann sich auch die Bevölkerung einbringen. Während Hanne Tächl, die Gründungsmutter des KKT, in ihrem Theater noch „Nachhilfeunterricht in Demokratie“ geben wollte, bietet das KKT heute Kultur „von Menschen, die im Leben stehen, für Menschen, die sich für Kultur interessieren.“ Sechs Theatergruppen proben im Haus, Nachwuchskabarettisten können hier den ersten Schritt in die Öffentlichkeit wagen, und es gibt interkulturelle Musikabende – „alles, was unplugged ist“, sagt Keuler. Kurz: „Es ist ziemlich lebhaft in diesem Minihaus“, sagt Keuler.

Die Chefinnen haben selbst renoviert

Entsprechend viel gibt es zu tun für die 32-Jährige, die den Betrieb mit nur einer Kollegin stemmt – der Kulturmanagerin Kathrin Wegehaupt. Sie sind für das Programm zuständig, müssen aber auch kaputte Glühbirnen auswechseln, sie tüten höchstselbst die Post ein und reißen die Eintrittskarten ab. „Wir machen alles, wir scheuen uns vor keiner Aufgabe“, sagt Keuler. Sie putzen, stellen Anträge und beherrschen beide das Grafikprogramm des Computers perfekt.

Seit diesem Sommer können die beiden jungen Frauen auch Fliesen legen und kennen sich mit Trockenbau und Estrich aus. Denn das KKT ist umgebaut worden. Am Samstag wird passend zur Jubiläumsfeier ein neuer Raum eingeweiht, in dem künftig Workshops und Ausstellungen stattfinden sollen. Keuler und Wegehaupt haben den Umbau weitgehend allein bewerkstelligt – nur mit der gelegentlichen Unterstützung von zwei professionellen Handwerkern. „Anders geht’s nicht“, sagt Keuler, „wenn man wartet, bis man das nötige Geld hat, um eine Sanierung durchzuziehen, dann wird das nie etwas.“

Fehlt nur noch die Fassade. Am Samstag soll bei der Jubiläumsfeier auch die Hauswand durch Malerei verschönert werden. „Die ist so wahnsinnig hässlich“, sagt Keuler. Das soll sich dann ändern.

Frischer Wind

Trotz seiner vierzig Jahre,weht im KKT also ein frischer Wind. Lange war das Theater die zentrale Säule des Programms, Keuler war es wichtig, das Angebot breiter anzulegen. Das KKT ist nun auch kein Gastspielbetrieb mehr, nur im Bereich Kindertheater werden noch regelmäßig freie Tourneetheatergruppen eingeladen.

Früher gab es sechzig bis achtzig Veranstaltungen, heute sind es 140 im Jahr. Auch der Name ist nicht mehr der alte. Kommunales Kontaktteater sei zu sperrig gewesen, meint Keuler. Sie fand es auch nicht überzeugend, dass im „Kontaktteater“ das h fehlte, nur weil man kein herkömmliches Theater machen wollte. Seit vergangenem Jahr heißt das Haus in der Kissinger Straße Kulturkabinett. Die vertraute Abkürzung KKT konnte dadurch erhalten bleiben.

Ein Impuls für das Kulturleben

Jetzt hätte sie zwar eine Bühne zur Verfügung, zum Inszenieren hat Naemi Zoe Keuler aber keine Zeit mehr. Sie hat vor ihrer Zeit am KKT als freie Regisseurin gearbeitet und war im Wilhelma-Theater im künstlerischen Betriebsbüro tätig. Dadurch war ihr Bad Cannstatt auch schon bestens vertraut. Es ist ihr ein Anliegen, das Cannstatter Kulturleben voranzubringen, sie engagiert sich in zahlreichen Gremien und Netzwerken.

Das Publikum des KKT kommt aber keineswegs nur aus dem Viertel, sondern aus dem gesamten Remstal und aus Ludwigsburg. „Alles, was an den Bahnlinien 1, 2 und 3 liegt“, sagt Keuler, „nur die Stuttgarter Innenstadt tut sich schwer.“ 5500 Zuschauer besuchen pro Jahr die Veranstaltungen, mit den Besuchern der Gruppen und Workshops werden es wohl an die 10 000 sein, die im Jahr im KKT ein- und ausgehen.

Immerhin 118 Mitglieder besitzt derzeit der Verein des Kulturkabinetts. Für den Jahresbeitrag von zwanzig Euro bekommen sie nicht nur Ermäßigung, sondern auch Sondereinladungen – und dürften Keuler und Wegehaupt natürlich auch ehrenamtlich helfen beim Eintüten der Spielpläne oder beim Renovieren. „Wir zwingen niemanden, sich zu engagieren“, sagt Keuler“, „aber wir freuen uns natürlich, wenn es jemand tut.“