Nur neun Tage auf Tour und dann schon völlig durch? Ja, die Schweizer Band Klaus Johann Grobe ist bei ihrem Stuttgart-Auftritt kränklich. Aber eben auch atemberaubend gut.

Stuttgart - „So, wie die tanzen, da gehen ja gleich alle nach Hause. Seht ihr die Bühne? Ja, da herrscht die totale Flaute“, singt Sevi Landolt mit zurückhaltender Stimme und beschwört das Gegenteil herauf: Die Gruppe Klaus Johann Grobe bringt das Merlin am Samstag zum tanzen; und wie.

 

Nach Wiener Liedermacherkunst mit Der Nino aus Wien steht am zweiten Abend des diesjährigen Pop-Freaks-Festivals psychedelischer Krautrock auf dem Programm des Kulturzentrums im Stuttgarter Westen. Der kommt nach einem einigermaßen bemühten Psychedelic-Folk-Vorprogramm von JFR Moon locker-leicht mit sphärischen Klängen und stets treibendem Beat daher, beim Publikum ausgezeichnet an und wird zurecht ab dem ersten Song euphorisch aufgenommen.

Krautrock genießt gegenwärtig international höhere Wertschätzung als in Deutschland, während zeitgenössische Psychedelic- und Post-Punk-Formationen in England, Skandinavien oder den Vereinigten Staaten mit Vorliebe auf den Einfluss von Can, Kraftwerk oder Neu! auf ihre Musik verweisen.

Dass mit Klaus Johann Grobe nun ein Schweizer Projekt mit seinem Debüt „Im Sinne der Zeit“ 2014 eine der interessantesten Platten dieser deutschen Popmusikspielart ausgerechnet beim wichtigen Chicagoer Label „Trouble In Mind Records“ veröffentlichte, passt da gut ins Bild. Somit überrascht es wenig, dass die psychedelisch angehauchten Shootingstars von den Temples die Gruppe im Dezember als glänzend aufgenommenen Support für ihre umjubelte Tour durch die britische Heimat auswählten.

Atemberaubend gut

Um einen Konzert-Bassisten personell verstärkt, gelingt die Live-Darbietung der überwiegend hochkarätigen Songs auffallend organisch. In Stuttgart beendet das gefeierte Duo um Landolt (Keyboards, Gesang) und Daniel Bachmann (Schlagzeug, Gesang) aus Basel und Zürich seine Headlinertour durch deutsche Gefilde mit einem atemberaubenden Konzert. In rund 75 Minuten wird das Debütalbum zu großen Teilen sowie Stücke der vorangegangenen EP ausführlich präsentiert.

„Wir sind totale Softies. Wir sind erst neun Tage auf Tour und schon völlige Wracks“: Der Keyboarder und Sänger Sevi Landolt ist zwar stark erkältet, wie er entschuldigt, dem eindringlichen Vortrag tut das aber keinen Abbruch: Die Musik entfaltet ihre Wirkung schließlich nicht durch einnehmenden Gesang, sondern einen packenden Gesamtsound, der den allgemeinen musikalischen Zeitgeist gekonnt ignoriert.

 

Hinter einer dichten Wand aus Orgel-Sounds, Basslinien und (das mit einer hübschen Kinderzeichnung geschmückte) Schlagwerk mäandern dadaistische Verse durch den Raum. Zwangsläufig verschwimmen einzelne Songs zu einem schemenhaften Ganzen. Das ist ganz im Sinne früher Spacerock-Pioniere, artet aber nie zur unangenehm-prätentiösen Jam-Session aus.

Neu-Krautrock-Romantik

Die gut hundert Zuschauer, darunter die üblichen Auskenner und Stammgäste aufregender Konzerte im Stuttgarter Raum, sind begeistert. Die direkt aufeinanderfolgenden Highlights „Schlaufen der Zukunft“ und „Traumhaft“ verdeutlichen anschaulich warum: Die Schweizer schaffen unter dem selbstgewählten Schlagwort „Neo-Krautrock-Romantik“ ein spannendes Konglomerat aus Genreklassikern, Post-Punk-Elementen und unterschwelligen NDW-Einflüssen. Da trifft Can auf Stereolab, aber auch auf Palais Schaumburg und vor allem Andreas Dorau.

Hinter den Musikern stehen riesige Verstärker, doch das Klangerlebnis ist der Lautstärke zum Trotz angenehm. Dominant wabernd nimmt einen der nostalgische Sound des klassischen 80er Monophons Moog Prodigy ein, wiegt einen zunächst in Sicherheit, nur um dann wieder in förmlichen Tanzaufforderungen zu münden. „Nur wir zwei finden das noch gut“, singt Landolt und alles wippt noch einmal selig im Takt, bevor das pulsierende Stück Moog-Disco „Rote Sonne“ einen fulminanten Schlusspunkt unter das reguläre Set setzt.

Mit „Koffer“ und – dem nicht abebbenden Applaus verschuldeten – „Alles was wir tun ist gemeinsam“ folgen noch zwei dankbar aufgenommene Zugaben. Der anschließende Ansturm am Merchandise-Stand spricht Bände: Klaus Johann Grobe spielen bereits im Januar ein Konzert, das man, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, als Anwärter auf eine Platzierung in den Jahresendlisten handeln kann.