Vor zehn Jahren wurde der umgestaltete Kleine Schlossplatz eröffnet. Am Wochenende wird der ganze Platz beim Urban Islands Festival bespielt und gefeiert. Eine ganz persönliche Hommage.

Stuttgart - Eine Stadt definiert sich über ihre unverwechselbaren Orte. Orte, an denen Menschen sich begegnen können, an denen unterschiedliche Milleus, Horizonte und Interessen aufeinandertreffen. Eine Stadt wie Stuttgart, die aus selbstironischen oder sarkastischen Gründen einen hässlichen Stadtplanungsunfall wie den Österreichischen Platz ernsthaft Platz nennt, sollte im Kontrast dazu für einen Ort wie den Kleinen Schlossplatz unendlich dankbar sein. Der Kleine Schlossplatz ist die kleine, großstädtische Schwester des Schlossplatzes. Während unten der Kirchentag oder die Eislaufbahn genannte Glühweindruckbetankungsanlage ihr Unwesen treiben, trifft oben die Jeunesse dorée dieser Stadt zwischen Waranga und Oggi, zwischen Hummer und Hugo aufeinander. Im Abseits kleiden sich Generationen von VfB-Profis seit Kevin Kuranyi, nun ja, standesgemäß ein, während Besucher des Kunstmuseums nach einem erfreulichen Trip in den wunderschönen Glaskubus bei einer urbanen Suppe im San’s die Werke von Otto Dix auf sich wirken lassen.

 

Zeitzeugen erinnen sich mit klopfendem Herzen an die legendäre Freitreppe, die fast zehn Jahre lang, von 1993 bis 2002, der Treffpunkt schlechthin am zentralsten Platz der Stadt war. Auf einmal war die absurde Betondecke über einem Verkehrsknotenpunkt belebt, der Kleine Schlossplatz wurde zum Treffpunkt, die Skater funktionierten eine Röhre ohne Funktion für ihre Zwecke um. Der Waranga-Vorgänger Pauls Boutique wurde von 1995 bis 2002 zum stilbildenden Kristalisationspunkt. Einige Sommer lang befand sich hier die wahrscheinlich größte Caipirina-Produktionsstätte Süddeutschlands, der Limetten-Verbrauch am Kleinen Schlossplatz dürfte einer mittleren Südseerepublik zu Reichtum und Wohlstand verholfen haben.

Hier wurde der Caipi einst aus Badewannen geschöpft

Während der Caipi vor Pauls Boutique aus Badewannen heraus geschöpft wurde, trug der Mikrokosmos Kleiner Schlossplatz mit der Bar Switzerland und dem Plattenladen Pauls Musique zur popkulturellen Erziehung einer ganzen Generation bei. Bevor Pauls Boutique und der Vorgänger 551 der Beton-Brache Leben einhauchen konnte, war der Platz von Tauben und Kleindealern bevölkert. So besingen Massive Töne in ihrer Stuttgart-Hymne Mutterstadt 1996 Pauls Boutique und den Banker, der hier Sekt schlürft, nachdem er zuvor beim Straßendealer Gras gekauft hat. Pauls Boutique steht heute noch stellvertretend für die Feierkultur der 90er-Jahre, für das Ausgeh-Bermuda-Dreieck zwischen Palast der Republik, Unbekanntem Tier und eben Pauls Boutique. Am Kleinen Schlossplatz entstand die Blaupause für den Einzug des DJs in die Barkultur. Was heute gang und gebe ist, war damals neu.

Modisch und musikalisch sind die Meter zwischen Kunstmuseum, Waranga und Oggi heute ein einziger Schauplatz. Wenn an einem lauen Sommerabend ein Windstoß über den Platz weht, wenn der Blick von der obersten Stufe der Freitreppe über den Schlossplatz bis zur Baustelle des Stadtmuseums schweift, fühlt sich diese Stadt ganz schön gut an. Das finden auch die Anrainer, die an diesem Wochenende erstmals seitr zehn Jahren den Platz beim Urban Islands Festival gemeinsam bespielen. „Uns wäre es nur recht, wenn sich der Platz wie der Marienplatz entwickelt, als belebter Ort für alle. Eine Anlaufstelle für Nachtschwärmer ist der Platz schon. Jetzt wollen wir auch allen anderen zeigen,dass es hier das beste Panorama der Stadt zu bewundern gibt“, sagt David-Benjamin Knoll, der das Festival koordiniert. Das Kunstmuseum hatte den Antrag für das gemeinsame Fest gestellt, die Anrainer hoffen nun, dass das Festival keine Eintagsfliege bleibt. Wir hoffen mit: Weniger Östrerreichischer Platz und mehr Kleiner Schlossplatz würde dieser Stadt sehr gut tun.

Programm:
Am Wochenende wird auf dem Kleinen Schlossplatz beim Urban Islands Festival in großem Stil gefeiert. Am Samstag tritt um 20 Uhr das Duo „Schwarz don´t Crack“ mit R’n’B an. Am Samstag und Sonntag bietet das Kunstmuseum jeweils von 11 bis 16 Uhr Kinderbasteln auf dem Platz an. Am Sonntag lockt das Museum mit freien Eintritt in die Sonderausstellung. Wer sich auf das Festival besonders gut vorbereiten will, dem sei die Dokumentation „Die Kalte Platte“ über den Kleinen Schlossplatz ans Herz gelegt: https://vimeo.com/25600035.ivo