Millionen Polen pilgern jedes Wochenende hinaus in ihre Parzellen. Das Freizeitvergnügen könnte bald ein Ende haben. Denn ein Gerichtsurteil bringt das Monopol der Kleingärtner ins Wanken. Schon werfen Investoren gierige Blicke auf die Grundstücke.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Warschau - Das Urteil ist ein Frontalangriff auf die polnische Seele. Millionen Stadtbewohner pilgern jedes Wochenende in Warschau, Breslau oder Krakau aus tristen Plattenbauten in ihre Schrebergärten. Doch nun hat das polnische Verfassungsgericht geurteilt, dass alle diese Menschen „ihrer Rechte beraubt werden“. So dramatisch schildert das zumindest Eugeniusz Kondracki, Präsident des Verbandes der polnischen Kleingärtner (PZD). Tatsache ist: viele der landesweit fast 5000 Gartenanlagen mit rund einer Million Parzellen befinden sich unweit der Stadtzentren in allerbester Lage. Das weckt natürlich größte Begehrlichkeiten bei Investoren und Städteplanern, die das Urteil des Verfassungsgerichtes schon mit Ungeduld erwartet hatten.

 

Besitzer und Verwalter der wertvollen Flächen ist noch der PZD, was dem Verband eine Art Monopolstellung einbringt. Gestärkt wird dessen Stellung noch dadurch, dass er seinen Mitgliedern die Grundstücke praktisch gratis zur Verfügung stellt. Damit soll nach dem Willen der Richter bald Schluss sein, da dieser Zustand gegen die polnische Verfassung verstoße.

Alarmstimmung unter den Schrebergärtnern

Unter den Schrebergärtnern in ganz Polen herrscht nun Alarmstimmung. Sie befürchten, dass sich Spekulanten die begehrten Grundstücke unter den Nagel reißen könnten. Auch das Parlament, der Sejm, hat sich rasch auf die Seite des Volkes geschlagen – schließlich handelt es sich bei den rund vier Millionen Schrebergärtnern um potenzielle Wähler. Sejmmarschall Ewa Kopacz verkündete in einer an Populismus grenzenden Solidaritätsadresse: „Wir sind dafür, dass die Kleingärtner recht bekommen. Wir dürfen diesen Menschen, oft Rentnern, die Schrebergärten nicht wegnehmen. Für sie ist es oft die Lebensfreude und der Lebenssinn. Wir werden ihr bisheriges Eigentumsrecht verteidigen.“

Die Verfassungsrichter haben der Politik bis Ende 2013 Zeit gegeben, eine Gesetzesnovelle zu erarbeiten. Niemand geht allerdings davon aus, dass den gut organisierten Kleingärtnern darin allzu viel Leid angetan werden wird. Federn lassen muss aber wahrscheinlich der PZD. Als sicher gilt, dass er in Zukunft nicht mehr alleiniger Platzhirsch sein wird, sondern sich das Revier mit anderen privaten Anbietern teilen muss.