Seit wenigen Jahren wird die Betreuung von Kleinkindern in Kitas oder in der Tagespflege ausgebaut. Die Einrichtungen werden im Land aber noch unterdurchschnittlich genutzt. Das besagt eine Studie des Deutschen Jugendinstituts.

Stuttgart - Im Vergleich zu anderen Bundesländern werden Kleinkinder in Baden-Württemberg nach wie vor deutlich seltener in einer Tageseinrichtung betreut. Dabei ist die Personalausstattung der Einrichtungen im Land mit die beste in der ganzen Republik. Das geht aus dem Betreuungsatlas 2013 hervor, den das Deutsche Jugendinstitut (DJI) jetzt veröffentlicht.

 

Das Institut untersucht immer wieder die Situation der Kleinkindbetreuung, seit im Dezember 2008 das Kinderförderungsgesetz in Kraft getreten ist. Es schrieb fest, dass Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr bundesweit einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben. Dieser Anspruch ist seit August 2013 wirksam. Er bezieht sich auf eine halbtägige Betreuung, entweder in einer Kindertageseinrichtung oder in der Tagespflege.

Seither ist viel passiert. Aber es gibt auch bekannte Konstanten. So werden Kinder, die noch keine drei Jahre alt sind, in Ostdeutschland bedeutend häufiger in Tageseinrichtung oder Tagespflege betreut als im Westen. In Sachsen-Anhalt etwa gilt das für 58,5 Prozent der Kleinkinder; in Baden-Württemberg nur für 22,8 Prozent. Nur in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Bayern werden verhältnismäßig noch weniger Kinder nicht in der Familie betreut als im Land. Insgesamt liegt das Bundesmittel bei 23,5 Prozent, also nur leicht über dem Wert für Baden-Württemberg.

Verhaltenes Wachstum

Die Inanspruchnahme der Betreuungsangebote wächst im Südwesten auch eher verhalten. Zwischen den Jahren 2007 und 2013 ist die Kindertagesbetreuung verstärkt genutzt worden, der Wert stieg um 13,9 Prozentpunkte. In vergleichbaren Flächenländern wuchs der Bedarf aber erheblich schneller, in Rheinland-Pfalz zum Beispiel um 16,6 Prozentpunkte, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen waren es sogar 18,2 Punkte.

Den Erkenntnissen der Sozialwissenschaftler zufolge halten sich Kleinkinder im Südwesten pro Tag auch weniger lange in einer Einrichtung oder bei der Tagesmutter auf als anderswo. Unter Ganztagsbetreuung versteht man einen zeitlichen Umfang von mehr als 35 Stunden in der Woche. Der wird im Land gar nicht ausgeschöpft, da ein Kleinkind im Durchschnitt 6,4 Stunden am Tag in der Tagesstätte verweilt. In Mecklenburg-Vorpommern sind es dagegen 8,8 Stunden.

Die genannten Zahlen sind auf das ganze Land bezogene Werte. Zwischen den einzelnen Stadt- und Landkreisen innerhalb eines Landes schwanken die Werte teilweise erheblich. Für Baden-Württemberg zeigt sich, dass Einrichtungen im badischen Landesteil tendenziell stärker genutzt werden als in Württemberg. Nur die Landeshauptstadt Stuttgart und der Landkreis Tübingen können mit der Nutzung entlang des Rheins mithalten.

Kleine Gruppen

Spitzenreiter ist Heidelberg, wo 44,8 Prozent der unter Dreijährigen Kita oder Tagespflege besuchen. Zum Vergleich: Stuttgart kommt auf 31,4 Prozent. Demgegenüber liegen die Quoten in Pforzheim (16,5 Prozent), Waldshut (16,6 Prozent) oder Göppingen (17,5 Prozent) am unteren Ende der Skala.

In einer Einrichtung mit einem Betreuungsumfang von mehr als 35 Stunden pro Woche sind im Neckar-Odenwald-Kreis gerade 8,9 Prozent der Kleinkinder, in Mannheim aber 80,4 Prozent. Stuttgart (78,8 Prozent) und Karlsruhe (65,7 Prozent) erzielen ebenfalls hohe Werte; Calw (9,5 Prozent) oder der Main-Tauber-Kreis (10,2 Prozent) niedrige.

Dabei ist die Personalausstattung der Einrichtungen im Land gut. „Insbesondere die baden-württembergischen Jugendamtsbezirke fallen durch ihre durchweg günstigen Personalressourceneinsatzschlüssel im Vergleich zu den anderen Jugendamtsbezirken auf“, heißt es im DIJ-Atlas. Im Bundesdurchschnitt ist demnach eine pädagogische Vollzeit-Fachkraft für 4,3 ganztags betreute Kinder in einer Gruppe mit unter Dreijährigen zuständig. In Baden-Württemberg hat eine Fachkraft in Mannheim mit 3,8 Kindern am meisten zu beaufsichtigen. In Villingen-Schwenningen, Ravensburg oder Tuttlingen sind die Zuständigkeiten mit 2,8 Kindern am niedrigsten. Das Landesmittel liegt bei 3,1.

Das Deutsche Jugendinstitut

Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) mit Sitz in München ist in Deutschland eines der größten sozialwissenschaftlichen Institute für Forschung und Entwicklung zu den Themen Kindheit, Jugend, Familie und den darauf bezogenen Politik- und Praxisfeldern. Das DJI wurde 1963 gegründet beschäftigt rund 150 wissenschaftliche Mitarbeiter. Träger ist ein gemeinnütziger Verein mit Mitgliedern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden sowie aus Institutionen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Finanziert wird die Arbeit des DJI überwiegend aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zum kleineren Teil leisten auch die Länder Förderbeiträge. Darüber hinaus werden auch Drittmittel für bestimmte Forschungsprojekten eingeworben.

Seit 2002 besteht zwischen dem DJI und der Technischen Universität Dortmund ein Forschungsverbund. In dieser Zusammenarbeit entstand auch der Betreuungsatlas 2013.