Kleinster Teilort in Filderstadt Die Suche nach dem abgehängten Harthausen

In Harthausen leben rund 5000 Menschen, es gibt drei Hausarztpraxen – und eine Tankstelle. Foto: Archiv/Thomas Krämer

In Harthausen ist Wohnraum im Filderstadt-Vergleich knapp zehn Prozent billiger. Ein Hinweis darauf, dass der kleinste Stadtteil Filderstadts am wenigsten begehrt ist? Ortstermin einer Ortsunkundigen.

Harthausen - Nach Harthausen? Oh weh…!“ Der freundliche Spaziergänger auf dem Feld bei Bernhausen legt die Stirn in Falten. „Da müsset Se da no. Noi, besser isch, Se fahret da nonder.“ Er ist sichtbar bemüht, der Ortsunkundigen den Weg in den kleinsten Teilort Filderstadts zu weisen. „Ha, Harthausen, das isch von hier aus scho fascht Richtung Tübinge. Es isch halt a bissle abg’läge.“ Derart auf Harthausen eingestimmt, setzt die Ortsunkundige ihren Weg fort. Sielmingen wird gestreift, dann kommen nur noch Äcker und winterkahle Wiesen. Nachdem man „dä Buckel nuff“ gefahren ist, ist, endlich, in der Ferne Harthausen zu sehen. Leichter Nebel wallt über Feldern und Streuobstwiesen, im Hintergrund sticht die Alb heraus. Eigentlich ganz idyllisch.

 

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„Ja, es ist auch idyllisch hier“, sagt Walter Bauer, Lehrer im Ruhestand, Chef der SPD-Gemeinderatsfraktion in Filderstadt und überzeugter Harthäuser. Er steht bereits geschnürt und gestiefelt für eine Ortsbegehung in der Haustür. Bauer lebt als Nei’geschmeckter seit 1988 in Harthausen. Mit seiner Frau war er damals auf der Suche nach Wohnraum für die junge Familie. „In Harthausen haben wir für unser Eigenheim rund 100 000 D-Mark weniger bezahlt als für ein vergleichbares Angebot im benachbarten Bonladen“, berichtet er.

Wohnraum ist hier im Schnitt günstiger

Es waren also pragmatische Gründe, die ihn und seine Frau hierher führten. Schon damals war der Wohnraum hier im Schnitt günstiger. Abgehängt haben sich die Bauers jedoch nie gefühlt. Klagen, das Geld reiche nicht mehr für den kleinsten Stadtteil, teilt er nicht. „Aber natürlich kenne ich das, dass die Leute das sagen.“

Bauer steht auf dem Paul-Gerhard-Weg, einem Weg mitten im Ort, der die Jahn-Grundschule mit dem Marktplatz verbindet. Der Weg ist zu einem Teil geschottert, der andere Teil hat eine von Rissen durchzogene Straßendecke. Bauer schüttelt den Kopf. „Mitten im Ort und dann so eine Straße.“ Aber selbst das sei für ihn kein Indiz für einen abgehängten Ortsteil. Bauer geht weiter: „Schauen Sie sich nun den Marktplatz an.“ Er weist mit der Hand über das bauliche Ensemble aus einem säuberlich gepflastertem Platz, dem Bürgeramt Harthausen und dem Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde. „Wenn man sich einsetzt, dann kommt auch Geld in den Flecken“, sagt er. Und man müsse mit den Leuten sprechen.

Der Laden ist die Seele von Harthausen

„Gucket Se hier, der Obst-und Gemüseladen“, sagt er wenige Schritte weiter und deutet auf das Hofverkaufslädchen des Bauers Knecht an der Grötzinger Straße. Vor rund zehn Jahren habe dieser, angeregt durch Vertreter der Kommunalpolitik, seinen Laden im Ort aufgemacht. „Das ist heute ein Kumulationspunkt“, findet Bauer, „hier erfährt man, wie es den Leuten geht, der Laden ist die Seele im Flecken“. In vergleichbaren Stadtteilen hätte sich ein solches Geschäft nicht gehalten. Neben der Funktion als Nahversorger und Buschtrommel vereinfache seine Existenz wahrscheinlich auch dem benachbarten und verwandtschaftlich verbandelten Getränkemarkt Knecht die Existenz.

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Abstriche und Rückschläge gibt es dennoch: Erst Ende November haben Kreissparkasse und Volksbank ihre Filialen dicht gemacht, geblieben sind nur gemeinsame Geldautomaten im Vorraum der KSK. Auch in Sachen Busanbindung sieht Bauer Harthausen im Vergleich zu anderen Stadtteilen Filderstadts als „benachteiligt“. Während man etwa in Bonlanden und Sielmingen per Bus im Viertelstundentakt an die S-Bahnstation in Bernhausen angeschlossen sei, werde Harthausen wegen Problemen mit dem Buslinienbetreiber darauf wahrscheinlich noch zwei Jahre warten müssen.

Es gibt sogar eine Tankstelle – warum?

Dennoch: „In Harthausen lebt es sich sehr gut“, findet Bauer und zählt auf, was der Stadtteil mit den knapp 5000 Einwohnern zu bieten hat. „Wir haben hier drei Hausarztpraxen. Die hat das größere Aichtal nicht.“ Bauer zählt weiter auf: das Lehrschwimmbad, die Änderungsschneiderei, die Physiopraxis, die eigene Metzgerei („hat Plattenhardt nicht!“), die Bäckereien und den nach langen Kämpfen angesiedelten und mittlerweile etablierten Supermarkt am Ortsausgang. Und eine Tankstelle – das ist bemerkenswert, lässt die B 27 Harthausen doch rechts liegen.

Diethelm Jaspers führt sie seit einem Jahr mit seinem Sohn Julian. Als die beiden hörten, dass die Tankstelle zur Pacht frei wurde, haben sie zugegriffen. Und sie haben die Entscheidung nicht bereut. „Die Zahlen stimmten“, sagt Diethelm Jaspers. Die Harthäuser tanken vielfach im Ort, das ganze Aichtal komme auf dem Weg zur B 27 an der Tankstelle vorbei. Zudem haben sie einen 24-Stunden-Tankautomat.

Ein weiteres, weniger wichtiges Argument – aber immerhin: Diethelm Jaspers, der aktuell mit seiner Familie in Bonlanden lebt, hat einen Teil seiner Jugend in Harthausen verbracht. Die anderen Tankstellen des Familienbetriebes liegen in Stuttgart und Denkendorf – aber eine Filiale in Harthausen, das habe für ihn und seinen Sohn Julian eben einen besonderen Reiz.

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