Bis die katholische Kirche in Berglen-Oppelsbohm abgerissen wird, kann in dem Gebäude auf High- und Slacklines geklettert werden. Das ist möglich, weil Sankt Maria profanisiert wurde. Ein neues Gemeindezentrum ist geplant.

Berglen - Der Altar steht noch an seinem Platz, die bunten Glasscheiben werfen farbige Muster auf den Boden. Ansonsten ist der Kirche Sankt Maria deutlich anzusehen, dass ihre Tage gezählt sind. Die Empore ist leer, die Orgel abgebaut. Die Türen zu den Beichtstühlen fehlen, die Kirchenbänke auch. „Sieht schon arg anders aus“, sagt Isabella.

 

Seit fünf Jahren gibt es ein Seilgartenteam

Noch im April hat sie in der katholischen Kirche in Oppelsbohm ihre Erstkommunion gefeiert. An diesem Nachmittag ist sie mit sechs anderen Mädchen gekommen, um unter dem Kirchendach zu klettern. Nachdem Sankt Maria Mitte Mai profanisiert wurde und damit kein geweihtes Kirchengebäude mehr ist, hat der Verein zur Förderung der katholischen Jugendarbeit in der Seelsorgeeinheit Winnenden-Schwaikheim-Leutenbach (Jukks) dort verschiedene Seilaufbauten installiert. „Wir haben schon seit fünf Jahren ein Seilgartenteam, die Kompetenz war also da“, sagt die Jugendreferentin Simone Münzing. Bei Freizeiten oder Gemeindefesten baut dieses Team regelmäßige spannende Kletterangebote auf.

Nun war mit Sankt Maria die Gelegenheit da, einige Seilaufbauten einmal für längere Zeit unter einem Dach stehen zu lassen. Das Pastoralteam der Seelsorgeeinheit unterstützte die Idee. „Wir haben dann vor Ort geschaut, was wir machen können. Wichtig sind uns immer Elemente, die für Gruppen reizvoll sind“, sagt Münzing. So wie etwa die Jakobsleiter: Die Sprossen der XXL-Leiter sind so weit voneinander entfernt, dass man diese nur mit Hilfe eines Partners erklimmen kann.

Das ist gar nicht so einfach – wie die neunjährigen Mädchen erfahren müssen. Gesichert vom Rest der Truppe machen sich Mia und Elena auf den wackeligen Weg nach oben. „Oh Gott, das schaff’ ich nicht“, sagt Mia und wird von Elena auf den nächsten Balken gezogen. Auf der dritten Stufe wird die Angst vor der Höhe zu groß und es geht wieder runter. Isabella und Melodee packen es bis ganz nach oben. Isabella ist auch diejenige, die ohne Zaudern und Zittern über die quer durch den Kirchenraum gespannte Highline balanciert und dabei in etwa fünf Metern Höhe den Altar überquert. „Wir waren erst vor kurzem in einem Kletterpark im Wald. Und ich habe keine Angst, weil ich ja weiß, dass ich gesichert bin“, erzählt sie.

Gefragtes Angebot

Noch bis 9. Juli kann die Kirche zum Klettern genutzt werden, dann beginnt der Ausbau der Fenster und damit der endgültige Abriss. Freie Termine in dem etwas ungewöhnlichen Kletterparcours gibt es fast keine mehr. Schulklassen und Ministranten waren schon da, eine Handballmannschaft und Kirchengemeinderäte wollen noch kommen. Kritische Stimmen hat Simone Münzing übrigens keine vernommen. „Das Pastoralteam und der Kirchengemeinderat stehen voll dahinter“, sagt die Jugendreferentin.

Das neue Gemeindezentrum

Sanierungsfall

Seit etwa vier Jahren ist klar, dass die katholische Kirche Sankt Maria in Oppelsbohm dringend saniert werden muss. Durch das undichte Dach regnete es hinein, aufgrund der schlechten Dämmung war der Kirchenraum im Winter kaum warm zu bekommen. Zudem gibt nur einen kleinen Gruppenraum und keinen weiteren Versammlungsort für die Gemeinde.

Zukunftswerkstatt

Die Gemeinde hat sich verschiedene Alternativen überlegt, wie sie mit ihrer Kirche umgeht. Relativ schnell vom Tisch war die Variante, das Gebäude zu sanieren – dann hätte es auch in Zukunft keinen vernünftigen Gruppenraum gegeben. Ein Raum-im-Raum-Konzept wäre zu teuer geworden. Entschieden wurde schließlich, etwa die Hälfte des Grundstücks zu verkaufen, um mit dem Geld ein Gemeindezentrum inklusive Andachtsraum zu bauen. Wichtig war, die etwa 900 Katholiken in den Berglen bei allen Schritten und Überlegungen zu beteiligen. So werden beispielsweise unter der Rubrik „Berglen 2.0“ fast alle Dokumente und Protokolle auf der Homepage der Seelsorgeeinheit veröffentlicht.

Zeitpläne

Vor oder in den Sommerferien soll mit dem Abriss begonnen werden. Ziel ist es, dass das Gemeindezentrum im Herbst oder Winter nächsten Jahres eingeweiht werden kann. Solange darf die Gemeinde ihren Gottesdienst zur gewohnten Zeit am Samstagabend in der evangelischen Kirche in Oppelsbohm abhalten. Die Kosten für das Gemeindezentrum belaufen sich auf etwa 615 000 Euro.