Aus der einstigen Trendsportart Klettern ist eine starke Bewegung entstanden – auch dank zahlreicher Spezialhallen in der Region.

Stuttgart - Sie tun es in Stetten in den Weinbergen, in Überlingen an der Uferpromenade, in Tübingen an der Paul-Horn-Arena und in Laupheim am Brückenpfeiler. Sie tun es in ausgebauten Dachstuben und Schulen. Und auch in Hunderten von Hallen in ganz Deutschland werden täglich die Gurte festgezogen, Magnesiumbeutel eingehängt und Schuhe mit Reibungssohlen geschnürt.

 

Klettern, und insbesondere das Sportklettern, boomt. Und das seit nunmehr über einem Jahrzehnt, mit kontinuierlichen Zuwachsraten. Längst ist aus dem einstigen Trendsport eine starke Bewegung geworden. Von deren Wucht und Nachhaltigkeit sind auch die Sektionen Stuttgart und Schwaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) überrascht worden. Als sie im Jahr 2004 gemeinsam das DAV-Kletterzentrum auf der Waldau auf den Weg brachten, gingen sie von rund 40.000 Besuchern pro Jahr aus, was Skeptiker schon als zu hoch gegriffen kritisierten. Zwei Jahre nach der Eröffnung kamen bereits knapp 70.000.

2009 wurde die Anlage erweitert, und heute ist man mit 120.000 Kletterern im Jahr bereits wieder an der Kapazitätsgrenze angelangt. "So eine Halle hat gefehlt", sagt Roland Frey, der Geschäftsführer der DAV-Sektion Schwaben, über das Kletterzentrum. Mit 3700 Quadratmetern Fläche und mehr als 400 Routen ist es inzwischen eine der größten Anlagen weltweit.

Schulen fördern Entwicklung des Sportkletterns

Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 300 Kletterhallen. Hinzu kommen noch weit mehr Outdooranlagen, die im vergangenen Jahrzehnt ebenfalls aus dem Boden geschossen sind, sowie die vielen Wände in Schulen, an denen Griffe montiert sind. In Stuttgart wurde 1989 in der Merzschule die erste aller Indoorkletterwände in Baden-Württemberg erstellt. Heute sind es mindestens zehn Schulen in Stuttgart, in denen Kletterwände von beachtlichen Ausmaßen stehen.

Die Schulen sind ein wesentliches Element in der Entwicklung des Sportkletterns, nicht nur weil der DAV gezielt eine Lehrerausbildung betreibt. Der wachsende Bekanntheitsgrad der Sportart, die Entstehung neuer Hallen und die damit verbundene Unabhängigkeit vom Wetter hatte eine Art Schneeballeffekt zur Folge. Zu diesem trugen auch das nur kleine Equipment, Gemeinschaftsaspekte sowie die Attraktivität des Kletterns in seiner Vielseitigkeit und Kreativität bei.

Rund 300.000 Sportkletterer gibt es in Deutschland, wobei das Spektrum groß ist. Im Stuttgarter Kletterzentrum treffen sich vom Schnupperkursteilnehmer bis zum Nationalkadermitglied alle Altersklassen und Leistungsstufen - darunter auch einige, die dem Projekt einst skeptisch begegneten. "Jetzt stehen die morgens als Erste vor der Tür und können es kaum erwarten", sagt Frey.

Topkletterer wollen optimal gefördert werden

Und: 2000 neue Mitglieder verzeichnet die Sektion Schwaben - pro Jahr und genau in der Altersstruktur von acht bis 25 Jahren, in der andere Sportarten ihre größten Mitgliederlücken haben. Der Hintergrund: als DAV-Mitglied spart man erheblich, wenn man in einer Halle klettert.

Die Vertreter des klassischen Alpinismus' sehen sich heute mit den Interessen einer jungen Kletterszene konfrontiert, die im internationalen sportlichen Vergleich Beachtliches leistet. Die beiden Weltmeister Sebastian Halenke (Jugend) und Thomas Tauporn (Junioren) aus Schwäbisch Gmünd sind nur zwei herausragende Beispiele.

Aus der Masse kristallisiert sich nun die Klasse heraus - und die Topkletterer wollen optimal gefördert werden. Im Spagat zwischen eher bescheidenen Preisgeldern und hohen Kosten sowie den Interessenkonflikten innerhalb eines breit aufgestellten Verbandes wie dem DAV gibt es da aber noch "sehr viel Verbesserungspotenzial", sagt Klaus Wolf, der Leistungssport- und Wettkampfreferent im DAV-Landesverband. Bis der Boom sich auch nachhaltig in den Verbandsstrukturen niederschlägt, bedarf es wohl noch etwas Zeit. Aber, und da ist sich Klaus Wolf sicher, "diese Generation, die da hochkommt, wird die Stütze des Alpenvereins werden".

Disziplinen des Wettkampfkletterns

Bouldern

Ohne Sicherungsseil und Klettergurt wird in Absprunghöhe geklettert. Es gilt, etwa drei bis vier Meter hohe Aufgaben zu lösen, also verhältnismäßig kurze Kletterrouten zu bewältigen. Je weniger Versuche benötigt werden, desto besser die Wertung. Entscheidend ist die Optimierung von komplexen Bewegungsmustern, die zudem eine hohe Maximalkraft voraussetzen.

Leadklettern

Bei dieser auch als Schwierigkeitsklettern bezeichneten Disziplin muss eine mindestens 15 Meter hohe Wand auf unterschiedlichen, extra für den jeweiligen Wettkampf gebauten Routen mit Höchstschwierigkeiten im besten Fall bis zum oberen Ende bewältigt werden. Die Routen dürfen zuvor besichtigt werden, der Konkurrenz zuzuschauen ist nicht erlaubt.

Speedklettern

Hier geht es darum, von oben gesichert, eine Route schnellstmöglich zu absolvieren. Es treten immer zwei Kletterer im K-.o.-System gegeneinander an, die beide Seiten bewältigen. Die Zeiten werden addiert. Seit 2007 wird bei internationalen Wettkämpfen eine 15 Meter hohe Normwand benutzt, wodurch auch Rekorde aufgestellt werden können.