Mehr als 50 Klimaaktivisten der Letzten Generation blockieren am Samstag gleich mehrere Straßen in der Landeshauptstadt. Selbst Einsatzkräfte kommen teilweise nicht mehr durch.

Dass Einsatzfahrzeuge wegen Demonstrationen eine andere Route nehmen, kommt in der Landeshauptstadt immer mal wieder vor. Am Samstag musste die Fahrt eines Rettungswagens aufgrund einer Straßenblockade aber abgebrochen und ein weiteres Fahrzeug losgeschickt werden. Aus Sicht von Daniel Anand, Sprecher der Branddirektion, ein Novum. „Bislang waren uns noch keine Verzögerungen bekannt.“

 

Notwendig wurde dieser Schritt, weil in Stuttgart zeitweise gar nichts mehr ging. Nach Polizeiangaben haben gegen 9.30 Uhr mehr als 50 Aktivisten der Letzten Generation mehrere Knotenpunkte gleichzeitig blockiert – und sich teilweise auch am Boden festgeklebt: auf der Theodor-Heuss-Straße, auf der Neckartalstraße, der Oberen Weinsteige, der Heilbronner Straße, der Geißeichstraße, der Jahnstraße, der Konrad-Adenauer-Straße, der Maybachstraße sowie am Heslacher Tunnel. Dabei kam es zu erheblichen Staus. An Stellen, an denen es möglich war, wurde der Verkehr an den Aktivisten vorbeigeleitet, bis diese von den Fahrbahnen gelöst waren. Erst gegen circa 12.30 Uhr konnten Polizeibeamte – mehr als 80 waren im Einsatz – die blockierten Straßen wieder für den Verkehr freigeben.

Verzögerung in Rettungskette wird noch ermittelt

Zu spät für die Sanitäter, die aufgrund der Verkehrsbehinderungen ihren Notfalleinsatz in der Innenstadt abbrechen mussten. Wie groß die in der Rettungskette entstandene Verzögerung war und welche gesundheitlichen Auswirkungen diese auf die zu rettende Person hatte, kann Daniel Anand noch nicht sagen.„Das muss in den kommenden Tagen durch die entsprechenden Stellen ausgewertet werden“, sagt der Sprecher der Branddirektion. „Bislang blockierten Aktivisten punktuell eine Stelle im Stadtgebiet, auf welche die Einsatzkräfte entsprechend reagieren konnten.“ Die Auswirkungen am Samstag seien aber viel weitreichender gewesen. Hinzu komme, dass sich die Klimaaktivisten „immer massiver mit dem Boden verbinden würden“, berichtet Anand. Eine Hand, die mit Sekundenkleber auf den Asphalt gedrückt wird, lässt sich mit Öl offenbar relativ leicht lösen. Anders sieht es aus, wenn Sand beigemischt wird. Dann sind die Blockierer quasi festbetoniert, und dann ist „technisches Gerät erforderlich“. An acht Stellen rückte die Feuerwehr am Samstag mit Hammer und Meißel sowie elektrischen Bohrhämmern an.

Wie schon bei der Blockade am Dienstag, bei der Aktionären die Zufahrt zur Porsche-Hauptversammlung in Bad Cannstatt erschwert werden sollten, mussten die Aktivisten Anfeindungen über sich ergehen lassen. Die Polizei spricht von aggressivem Verhalten. Der Frust der im Stau stehenden Verkehrsteilnehmer entlud sich meist verbal.

Ein Vorfall, der sich unterhalb des Höhenparks Killesberg ereignet hat, könnte jedoch noch ein juristisches Nachspiel haben. In sozialen Netzwerken ist ein Video aufgetaucht, in dem ein wütender Autofahrer zu sehen ist, wie er einen festgeklebten Aktivisten an den Füßen packt, um ihn von der Maybachstraße zu ziehen. Weil sich sein Gegenüber, offenbar unter Schmerzen, wehrt, lässt er schon nach kurzer Zeit von ihm ab. Ein Zeuge, der die Aktion filmt, wird dabei weggeschubst. Anschließend steigt der Autofahrer in seinen Wagen, umkurvt die am Boden sitzenden Aktivisten und schiebt einen Mann, der eine Warnweste trägt, mit dem Wagen langsam vor sich her.

Auch die Ermittler des Polizeipräsidiums Stuttgart sind in sozialen Netzwerken unterwegs – und sichten und sichern das Material, das zu den Blockaden hochgeladen wurde. „Wenn uns Videos bekannt werden, wo strafbare Handlungen zu sehen sind, dann leiten wir Ermittlungsverfahren ein“, sagte eine Polizeisprecherin am Wochenende. Wenn Personen mit Gewalt von der Straße gezogen werden, könne es sich um Körperverletzung handeln. „Wir prüfen solche Aufnahmen“, teilte die Sprecherin mit. Auf die Aktivisten der Letzten Generation kommt indes wohl ein Verfahren wegen Nötigung zu.