Kaum eine Branche beeinflusst unsere Umwelt so sehr wie das Bauschaffen. Circa 60 Prozent des Ressourcenverbrauchs, mehr als 50 Prozent des Massenmüllaufkommens und mehr als 50 Prozent der klimaschädlichen Emissionen werden durch Bau, Betrieb, Um- und Rückbau von Gebäuden und Infrastrukturbauten verursacht. Angesichts der weltweit heraufziehenden Folgen menschlichen Handelns wird sich insbesondere das Bauen verändern müssen. Aber wie? Und wie kann eine neue Art zu bauen nicht nur umgesetzt, sondern auch durchgesetzt werden?
Um die durch unser Handeln entstandenen Probleme lindern oder beseitigen zu können, müssen wir deren Ursachen benennen: Weltbevölkerung, Ressourcenverbrauch, Abfallentstehung und Landnutzungsänderungen. Als Nächstes geht es darum, nicht die (Aus-)Wirkungen der Ursachen zu bekämpfen, sondern die Ursachen selbst. Sie müssen wir benennen, verstehen und – darauf aufbauend – Ziele formulieren, um deren unterschiedliche Auswirkungen auf ein Maß zu reduzieren, das ein Überleben der Menschheit und der Natur sicherstellt. Um die vereinbarten Ziele erreichen zu können, sind deutlich erweiterte Handlungsspielräume nötig. Nichts wäre in unserer derzeitigen Situation schädlicher als ein Noch-mehr an Regulierungen. Was wir benötigen, ist das Gegenteil.
Heute werden viermal mehr Ressourcen für das Bauen verbraucht als 1970
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt – von 3,7 auf 8 Milliarden Menschen. Parallel zu diesem Wachstum ist der jährliche Ressourcenverbrauch pro Mensch von etwa 7,2 Tonnen auf heute etwa zwölf Tonnen angestiegen. Der globale jährliche Ressourcenverbrauch umfasst heute rund 100 Milliarden Tonnen, was einer Vervierfachung gegenüber 1970 entspricht.
Der durch das Bauwesen verursachte weltweite Ressourcenverbrauch beträgt derzeit zwischen 50 Milliarden und 60 Milliarden Tonnen pro Jahr. Er betrifft hauptsächlich mineralische Ressourcen, in geringeren Mengen auch Baustahl und Holz. Um eine Heimat für den in den kommenden Jahren erwarteten Nettozuwachs von zwei Milliarden neuen Erdenbürgern zu errichten und gleichzeitig den baulichen Nachholbedarf von aktuell mehr als sechs Milliarden Menschen im „globalen Süden“ zu befriedigen, müsste der jährliche Ressourcenverbrauch allein des Bauschaffens auf mehr als 150 Milliarden Tonnen pro Jahr ansteigen. Das bis 2050 verbaute Materialvolumen entspräche dann dem Dreifachen der heute gebauten Welt. Die hierzu notwendigen Baustoffe sind genauso wenig vorhanden wie die zu ihrer Herstellung erforderliche Energie. Die Emissionen von Produktion und Transport würden die Klimaziele ad absurdum führen.
Wir müssen für mehr Menschen mit weniger Material bauen
Wir müssen also anders bauen. Anders heißt: Wir müssen für mehr Menschen mit weniger Material bauen. Ich schätze, dass zukünftig alle baulichen Funktionen mit weniger als einem Drittel des heute eingesetzten Materials realisiert werden müssen.
Nehmen wir das Thema Abfall: Baustellenabfälle bestehen häufig aus Materialverbunden, die in Deponien abgelagert werden müssen. Stahl und Aluminium werden heute nahezu vollständig rezykliert, Holz aus Gebäuden muss (zumindest in Deutschland) aufgrund entsprechender Verordnungen einer thermischen Verwertung zugeführt werden. Künftig muss ein umfassendes und regionalisiertes Baustoffrecycling Standard werden. Voraussetzungen sind eine entsprechende Bauweise und eine Buchführung über die verbauten Stoffe.
Flüssige Abfälle entstehen beim Bauen kaum – im Gegensatz zu den gasförmigen Abfällen, bei denen die klimaschädlichen Gase Kohlendioxid, Methan und das sogenannte Lachgas stark zur Erderwärmung beitragen. Allein bei der Zementherstellung entstehen weltweit etwa drei Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. In unseren Gebäuden entstehen klimaschädliche Gase durch Heizen und die Bereitstellung von Warmwasser.
Nehmen wir nun das Thema Landnutzung. Durch Umwandlungen von Wiesen und Weideland, Wald- und Feuchtgebieten in bebaute Gebiete, Verkehrsflächen und sonstige Infrastrukturzonen werden derzeit allein in Deutschland rund 200 Quadratkilometer Land pro Jahr versiegelt. Dies führt zur Reduktion der Artenvielfalt, zu Störungen des Wasserhaushaltes der Böden und zu einem schnelleren Abfließen von Regen über die Kanalisation in Bäche und Flüsse – mit den bekannten Folgen wie Hochwasser. Die Weltbevölkerung, ihr Wachstum, ihr Ressourcenverbrauch, die Abfallentstehung und die Landnutzungsänderungen sind miteinander gekoppelte Ursachenkomplexe.
Wer heute recyclinggerecht baut, tut das für seine Enkel
Wie kann nun der Beitrag des Bauwesens bei der notwendigen Senkung des Ressourcenverbrauchs aussehen? Zum einen in der weltweiten Durchsetzung gewichtsarmer und recyclinggerechter Bauweisen bei gleichzeitiger Maximierung des Einsatzes von wiederaufbereiteten Materialien, den Sekundärbaustoffen. Solange das gebaute Volumen anwächst – dies wird aufgrund des anhaltenden Wachstums der Weltbevölkerung mindestens bis 2050 der Fall sein –, kann es allerdings gar nicht genügend Sekundärbaustoffe am Markt geben, um Primärbaustoffe vollständig zu ersetzen. Heute recyclinggerecht zu bauen ist somit eine Investition für die Enkel.
Zum anderen müssen die klimaschädlichen Gase im Bauwesen reduziert werden. Betrachtet man beispielsweise ein neu errichtetes Gebäude, so stellt man fest, dass die bis zu seiner Fertigstellung durch Produktion und Transport von Baustoffen und Bauteilen emittierten klimaschädlichen Gase ein Volumen umfassen, das demjenigen entspricht, das in den kommenden 50 Jahren bei Einsatz von Öl-, Gas- oder Holzheizsystemen ausgestoßen werden wird. Während sich die jährlichen Emissionen aber nur peu à peu in der Atmosphäre ansammeln, sind die „grauen Emissionen“ bereits am Tag des Einzugs in der Atmosphäre vorhanden. Auf einen Nutzungszeitraum von 50 Jahren bezogen ist ihr Schädigungspotenzial dadurch rund acht- bis zwölfmal höher als die zur Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme getätigten Emissionen.
Bei Neubauten müssen „graue Emissionen“ reduziert werden
Fossile Heizungen sollen in rund 20 Jahren verboten werden. Bei Neubauten müssen also die grauen Emissionen reduziert werden. Das Bundes-Klimaschutzgesetz von 2021, eines der wichtigsten Gesetze in neuerer Zeit, gibt dies in Form jährlich kleiner werdender Emissionskontingente vor. Das Gesetz wäre also das ideale Mittel, um die grauen Emissionen im Neubaubereich zu minimieren. Leider wird das weithin unbekannte Gesetz durch die Bundesregierung nicht angewendet, was jüngst ein öffentliches Protestschreiben von über 50 Professorinnen und Professoren für Verfassungs- und Völkerrecht hervorgerufen hat.
Wenn die Emissionen, die während der Nutzung der Bestandsgebäude entstehen, auf null reduziert werden sollen, bedeutet dies den Abbau aller Öl-, Gas- und Holzverbrennungsanlagen aus unseren Gebäuden und deren Ersatz durch strombasierte Systeme. Das würde noch nicht einmal heißen, dass der Energieverbrauch reduziert werden muss. Leider hat man hat es versäumt, die Stromproduktion hinreichend zu steigern. Aufgrund massiver Versäumnisse in der Ära Angela Merkel müssen jetzt alle Bestandsgebäude mit großem Aufwand „energetisch fit“ gemacht, also umfassend energetisch saniert werden. Vor 50 Jahren mussten Gebäude energieeffizient werden, um die Abhängigkeit von den Erdölländern zu reduzieren. Heute müssen Gebäude energieeffizient werden, um den Zusammenbruch der Stromnetze zu vermeiden.
Statt Strom durch energetische Sanierungen einzusparen, könnte man mehr Strom produzieren, beispielsweise durch private Initiativen. Neben entsprechenden Anreizsystemen müsste man gleichzeitig die Stromeinspeisung und das Netzmanagement insgesamt vollkommen neu regeln und mit weniger Bürokratie belasten.
Es ist bekannt, dass die Speicherung von Strom mit Elektrobatterien hohe Investitionen erfordert. Um sie spürbar zu senken, müsste man zum Heizen und Kühlen nicht Strom, sondern Wärme und Kälte speichern. Diese kann man erzeugen, wenn genügend Solar- oder Windenergie vorhanden ist. Speichern kann man sie in großen Wassertanks, in Eistanks, in massiven Bauteilen oder im Erdboden.
Wenn wir richtig bauen, wird es einfacher, preiswerter und ökologischer
Die Ziele für ein Bauen in der Zukunft lassen sich anhand der vorstehenden kurzen Diskussion einfach beschreiben. Erstens: Minimierung des Verbrauchs an Primärbaustoffen und Maximierung des Einsatzes an Rezyklaten bzw. Sekundärbaustoffen. Zweitens: kreislaufgerechtes Bauen. Drittens: Minimierung der grauen Emissionen, insbesondere in der Herstellungs- und Um- bzw. Rückbauphase. Zusammengefasst: Wir müssen für mehr Menschen mit weniger Material emissionsfrei bauen.
Die Erkenntnis, dass unsere Gebäude nicht energieeffizient, sondern emissionsminimal sein müssen, tritt erst langsam in das Bewusstsein vieler Menschen. Energieeffizienz sollte man nur fordern, wenn wenig Energie zur Verfügung steht. Das ist aber nicht der Fall – wir müssen nur endlich und schnellstmöglich damit beginnen, die grünen oder „erneuerbaren“ Energien für uns zu nutzen. Das Bauen in der Zukunft wird anders sein. Wenn wir es richtig machen, dann wird es einfacher und preiswerter sein. Und es wird im Einklang mit der Natur stehen.