Diplom-Ingenieur Wolfgang Grohe warnte in der Sitzung des Bezirksbeirats Mitte vor der Gefahr einer Überschwemmung durch die S-21-Baumaßnahmen bei Starkregen. Ist die Warnung berechtigt oder ein übertriebenes Gefahrenszenario eines S-21-Gegners? „Die Warnung ist zwar gerechtfertigt, in diesem Fall geht es aber eher um die Kritik an S 21“, sagt Jürgen Mutz, Leiter des städtischen Tiefbauamts.
Fakt ist, dass im Sommer 2021 extreme Niederschläge die Schillerstraße mehrfach so stark überflutet haben, dass sie für den Verkehr gesperrt werden musste. Auch die Klett-Passage stand unter Wasser, ebenso wie eine Unterführung der B 14. Ein Alarmsignal für den Wasserbauexperten Grohe, der einen Zusammenhang zwischen der Überflutungen in der Schillerstraße und den Baumaßnahmen für Stuttgart 21 sieht. „Dort war die S-21-Pumpe defekt“, stellt er fest.
Befürchtung, dass bei Überflutung der Hauptbahnhof „aufschwimmt“
Der Bereich Ferdinand-Leitner-Steg sei der topografisch tiefste Punkt der Schillerstraße. Dort sei das Hochwasser bei den Starkregenereignissen jedes Mal gestanden – und das habe die Straßensperrungen erforderlich gemacht, führt er aus. Er schließt als Grund für die Überflutung nicht aus, dass bei den Baumaßnahmen für S 21 gerade Abwasserkanäle durch verwinkelte Düker ersetzt worden seien. Eine „Verschlechterung“, so Grohe. Sein Szenario: Bei extremen Niederschlägen mit großflächigen Überflutungen werde der gesamte Tiefbahnhof wie ein Schiff aufschwimmen. Verhindert werden solle das mit Notflutungsklappen im Bahnhofsgebäude, die den Bahnhof mit eindringendem Wasser beschweren. Grohe: „Schäden und eine Stilllegung des Bahnbetriebs müssen jedoch in Kauf genommen werden.“
Während die Hochwasserableitung aus Stuttgart-Mitte ursprünglich über den gesamten Schlossgarten gegeben war, sei bereits mit der Höherlegung der Schillerstraße in den 70er Jahren eine lang gestreckte Barriere errichtet und der freie Abfluss behindert worden. Als Folge würden Teile des Oberen Schlossgartens bei extremen Niederschlägen geflutet. Das Dach über dem neuen Tiefbahnhof wird laut Grohe eine weitere noch höhere Barriere werden, wodurch fünfmal weniger Wasser abfließen kann.
„Irgendwann ist jeder Kanal zu“
Für den Tiefbauamtsleiter Mutz ist klar, dass sich „nicht jede Überschwemmung“ ausschließen lässt und Starkregenereignisse als Folge des Klimawandels zunehmen. „Aber“, sagt Mutz auch, „das Kanalsystem in Stuttgart ist in Ordnung, eben nur nicht so dimensioniert, dass es Starkregen aufnehmen kann.“ Selbst der Sammler Nesenbach, der so groß ist, dass zwei Autos nebeneinander stehen können, schaffe die Wasseraufnahme bei einem solchen Starkregen wie im Sommer vergangenes Jahr nicht. Wichtig sei es deshalb, die Gebäude in der Senke vor Wassereinbruch zu schützen: unter anderem mit dichten Türen und Fenstern oder Mauern, um die Fluten abzuleiten. Als Beispiel nennt der Amtsleiter Mühlhausen am Feuerbach. „Dort gibt es Häuser direkt am Ufer, bei denen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden sollten.“ Die Planungen für S 21 seien so, dass das Wasser am Hauptbahnhof vorbei in den Schlossgarten fließt. Der von Grohe kritisierte verwinkelte Abwasserkanal könne Wasser aufnehmen, aber bei andauerndem Starkregen sei irgendwann jeder Kanal überlastet, räumt Mutz ein. Das Gleiche gilt auch für die vorhandenen Pumpwerke. Mutz: „Bei andauerndem Starkregen schaffen die Pumpen das auch nicht mehr.“ Das sei jedoch ein Problem, das in jeder dicht bebauten Großstadt auftritt. Mit S 21 habe das nichts zu tun. Wichtig sei, die Stadt zur „Schwammstadt“ zu gestalten. Gemeint ist damit unter anderem, die Dachbegrünungen auszuweiten und Flächen nicht zu versiegeln, damit die Regenfluten aufgesogen werden können. Außerdem sollen Schranken an den Unterführungen verhindern, dass Autofahrer trotz Starkregen durchfahren. Grohes Bericht soll nun auf Forderung des Bezirksbeirats Mitte in einer Stellungnahme für das Gremium aufgearbeitet werden.